Interview Sacha Baron Cohen: «Ich trug zum ersten Mal eine kugelsichere Weste»

Von Marlène von Arx, Los Angeles

24.10.2020

Sacha Baron Cohen in seiner Paraderolle als kasachischer TV-Journalist Borat.
Sacha Baron Cohen in seiner Paraderolle als kasachischer TV-Journalist Borat.
Keystone

Borat treibt wieder sein Unwesen: Sacha Baron Cohen über das Comeback seiner bekanntesten Figur, Rudy Giulianis Griff in die Hose, und was bei den US-Wahlen wirklich auf dem Spiel steht.

Vierzehn Jahre sind es her, dass Sacha Baron Cohen, 49, als politisch höchst inkorrekter kasachischer TV-Journalist «Borat» die Welt eroberte.

Jetzt ist er zurück: In «Borat: Subsequent Moviefilm-Delivery of Prodigious Bribe to American Regime for Make Benefit Once Glorious Nation of Kazakhstan» soll sich Borat dafür entschuldigen, sein Land in Verruf gebracht und die Amerikaner beleidigt zu haben, indem er seine Tochter dem US-Vizepräsidenten Mike Pence schenkt.

Sacha Baron Cohen ist zurzeit auch als 60er-Jahre-Aktivist Abbie Hoffman in «The Trial of the Chicago 7» auf Netflix zu sehen.

Der britische Komiker ist ausserdem seit zehn Jahren mit der australischen Schauspielerin Isla Fisher verheiratet. Die beiden haben drei Kinder.

Borat ist nach vierzehn Jahren pünktlich zurück zu den US-Wahlen. Mit welcher Absicht?

Ich mache mir, seit Trump Präsident ist, grosse Sorgen um unsere demokratischen Institutionen. Der Film soll der lustigste Film seit ‹Borat› sein, aber auch vor dem gefährlichen Schlittern in die Autokratie warnen. Ich bin ein Filmemacher und das ist meine Art von Protest.

Das politische Klima ist verglichen mit 2006 viel rauer geworden. Was bedeutet das für Borat?

Im ersten Film ging es mehr darum, die unangenehm hässliche, versteckte Seite Amerikas zu enthüllen. Das ist jetzt nicht mehr nötig: Heute kommt das alles wie selbstverständlich aus dem Mund des amerikanischen Präsidenten. Borat und Trump sind sich sehr ähnlich: Sie sind beide frauenfeindlich, rassistisch und antisemitisch. Sie halten beide nichts von Demokratie, haben alte Weltansichten und sind lächerliche Figuren.

Welche Anpassungen haben Sie also vorgenommen?

In diesem Film wollte ich auch die Menschlichkeit der Verschwörungstheoretiker aufzeigen, die auf Lügen aus dem Internet reinfallen. Das können durchaus nette Leute sein. Ich habe fünf Tage als Borat mit zwei so Typen gewohnt.

Was macht das mit Ihnen? Gibt es auch so etwas wie einen Adrenalin-Schub? Oder Lampenfieber?

Was beim Schreiben lustig erscheint, macht mir dann schon oft Angst, wenn ich es umsetzen muss. Die Drehtage sind lang und sehr erschöpfend. Dieser Film war sicher meine bisher grösste schauspielerische Herausforderung: Ich musste Hunderte Seiten von Dialog vorbereiten, damit ich auf jede allfällige Frage an Borat eine passende Antwort hatte. Innerlich und äusserlich muss alles authentisch sein. Ich sorge auch dafür, dass ich recht übel rieche: So wissen gleich alle, Borat stammt aus einer anderen Zivilisation und sie kommen mir auch nicht zu nahe.

Hatten Sie nie Angst, dass Ihnen etwas zustossen könnte?

Na ja, ich wusste natürlich, dass ich mich in sehr unangenehme Situationen begeben musste. An der Kundgebung der Waffenfreunde in Richmond trug ich ein T-Shirt, das kein Kompliment für die Waffenlobby war. Da trug ich das erste Mal in meiner Karriere eine kugelsichere Weste. Da waren so viel Knarren, die auch unabsichtlich hätten losgehen können.

Sie gehen ziemliche Risiken ein …

Ich behaupte nicht, dass es irgendeinen Effekt hat, wenn ich solche Risiken auf mich nehme. Aber ich würde mich in ein paar Jahren schämen, wenn ich jetzt tatenlos geblieben wäre.

Grosse Schlagzeilen macht der Auftritt von New Yorks Ex-Bürgermeister und Trump-Anwalt Rudy Giuliani, der sich nach einem Interview mit Ihrer Filmtochter in die Hose langt. Hat Sie das selber überrascht und fühlten Sie sich gezwungen, einzugreifen?

Als Produzent würde ich eine Schauspielerin nie in eine gefährliche Situation laufen lassen, da würde ich also immer eingreifen. Die einzige Person, die verantwortlich für Rudy Giulianis Verhalten ist, ist Rudy Giuliani. Er sagt, er hätte nichts Unangebrachtes getan. Das zeigt einem, was das Trump-Regime für angebrachtes Verhalten Frauen gegenüber hält. Aber das Publikum soll sich selber eine Meinung bilden.

Versuchte er nicht zu verhindern, dass die Szene in den Film kommt?

Er war jedenfalls besorgt genug, die Polizei zu rufen. Die durchsuchten das Hotelzimmer, wofür man eigentlich einen Durchsuchungsbefehl braucht ... aber er soll selber für sich sprechen.

Erzählen Sie etwas mehr über Maria Bakalova, die Ihre Tochter spielt: Wo haben Sie sie gefunden?

Ich habe während sieben Monaten auf der ganzen Welt Castings durchgeführt, um die perfekte Tochter für Borat zu finden. Sie musste die ganze Bandbreite von primitiver Kindheit in unserer fiktiven Version von Kasachstan bis zur rechtslastigen TV-Journalistin spielen können. Wir fanden schliesslich Maria, die erst vor Kurzem die Schauspielschule abgeschlossen hatte und erst zwei Filme in Bulgarien gedreht hatte. Bei der Trennungsszene hat sie mich fast zum Weinen gebracht, da wusste ich, sie war die Richtige. Denn es sollte auch ein Familienfilm werden, in dem ein Vater aus einer Gesellschaft, die Frauen nicht respektiert, seine Tochter zu schätzen und lieben lernt.



Sie sind ein vehementer Kritiker der sozialen Medien und ihren Silicon Valley CEOs. Was müssten Zuckerberg & Co. in Ihren Augen tun, um die Verbreitung von Fake News einzudämmen?

Wir sind Zeuge einer Revolution, die viel grösseren Effekt hat als die Industrialisierung. Damals dauerte es Jahrzehnte, bis Gesetze erlassen wurden, die die Exzesse der Industriellen eindämmten. Jetzt haben wir eine Tech-Revolution, von der wir fälschlicherweise glaubten, sie sei ausschliesslich positiv. Die Regierungen müssen da jetzt eingreifen. Die Kampagne «Stop Hate For Profit » gibt mir Hoffnung. Die Zunahme von Demagogen in der Welt ist kein Zufall. Sie geht einher mit den sozialen Medien, die grösste Propagandamaschine in der Geschichte. Demokratien zählen auf geteilte Wahrheit, Autokratien auf geteilte Lügen – und leider verbreiten die sich schneller als die Wahrheit, weil diese halt langweilig und kein Klick-Köder ist. Die nächsten Wochen werden entscheiden, ob die USA eine Demokratie bleiben oder nicht.

Die Coronavirus-Pandemie ist nebst den Wahlen das andere grosse Thema, das die Leute beschäftigt. Die zweite Welle ist da. Haben Sie eine Empfehlung, wie man als Individuum am besten seine geistige Wellness bewahrt?

Ich bin nicht der geeignete Ratgeber, wenn es ums Managen geht – egal, was es ist. Ich bin mit einem Surfer befreundet, der mir mal sagte, bei Stress soll man durch die Nase ein- und ausatmen. Das ist eine gute Art, das Herzklopfen zu senken.

«Borat 2: Subsequent Moviefilm-Delivery of Prodigious Bribe to American Regime for Make Benefit Once Glorious Nation of Kazakhstan» ist ab 23. Oktober auf Amazon Prime Video verfügbar.

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