Kolumne am MittagJim Carrey – der Grimassenkönig zeigt jetzt erst recht die Zähne
Von Gil Bieler
8.6.2020
Vom Klamauk-Komiker zum bissigen Karikaturisten: Jim Carrey überrascht mit immer neuen Facetten – und zunehmender Ernsthaftigkeit. Das scheint leider angezeigt zu sein.
Kaum ein Komiker hat mich früher so zuverlässig zum Lachen gebracht wie Jim Carrey. Bekannt wurde der kanadische Schauspieler mit derben Klamauk-Komödien wie «Dumm und Dümmer», «Ace Ventura» oder «Die Maske». Carrey agiert darin wie eine lebende Cartoonfigur, er kann sein Knautschgesicht verrenken wie kein Zweiter, Stimmen und Akzente mühelos abrufen.
Sein komisches Talent, schon seit seiner Zeit als Klassenclown erprobt, machte ihn in Hollywood zum Comedy-Überflieger.
Einfachere Zeiten sind jene 90er für ihn gewesen, so scheint es rückblickend. Doch Carrey blieb nicht stehen. Mit den Jahren erweiterte er sein Repertoire, übernahm auch ernste Rollen. Er wollte nicht nur mehr der Clown sein. Das hatten vor ihm schon zahllose andere Comedians versucht, bei Jim Carrey gelang es auch wirklich.
Hach, die Neunziger
Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2020, die neongrelle Unbeschwertheit der Neunzigerjahre ist in meiner Wahrnehmung endgültig verblasst. Zu lachen gibt es in der Welt heute herzlich wenig. Doch schon wieder eilt Jim Carrey zu Hilfe.
Wir reden hier nicht von seiner neuesten Kinorolle in einer – mich schaudert's allein beim Gedanken daran – Videogame-Verfilmung. Das wohl schlimmste Filmgenre überhaupt. Nein, hier geht es um sein Talent fürs Malen und Zeichnen, das der 58-Jährige vor einiger Zeit entdeckt hat.
Auf Twitter erfreut er seine Anhängerschaft regelmässig mit gezeichneten Kommentaren zum Geschehen in seiner Wahlheimat, den USA. Anstelle des Plemplem-Humors dominiert bissige Sozialkritik.
Zur Coronavirus-Pandemie etwa veröffentlichte er diese Karikatur, mit der er das Krisenmanagement des US-Präsidenten und der Berichterstattung von dessen Quasi-Haussender Fox News aufs Korn nimmt: «Als Amerika Masken brauchte, gab Fox News ihnen Augenbinden», heisst es in der Beschreibung trocken.
Die untenstehende Karikatur veröffentlichte Carrey vor einigen Tagen als Kommentar zur Polizeigewalt in den Staaten. Sie greift den Vorfall aus Buffalo im Bundesstaat New York auf, bei dem ein älterer Demonstrant von Polizisten zu Boden gestossen und blutend liegen gelassen wurde – das Video der Szene ging um die Welt.
Carrey lässt einen schwer bewaffneten Polizisten an die Kollegen gerichtet rufen: «Ich habe seine Zähne, aber passt auf, er kann euch immer noch mit dem Zahnfleisch erwischen.»
2020 bleibt einem das Lachen selbst bei Jim Carrey im Halse stecken. So weit sind wir also schon gekommen. Ach was wäre es schön, könnten wir bald wieder zum Schenkelklopfer-Humor zurückkehren.
Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.
Am 5. Oktober 1969 feierte die anarchistischen TV-Show «Monty Python's Flying Circus» ihre Premiere. Ihre Macher schrieben Comedy- und TV-Geschichte: (von links) Terry Jones, Graham Chapman, John Cleese, Eric Idle, Terry Gilliam und Michael Palin gründeten vor 50 Jahren die Komiker-Truppe Monty Python. Ihre Sketche sind legendär, ihre Filme Kult – doch was machen die Mitglieder heute?
Bild: Edel
Er gab – auch aufgrund seiner Körpergrösse – oft den (stocksteifen britischen) Gentleman, zeigte aber nicht nur im berühmten «Ministry of Silly Walks»-Sketch (Bild) seine Beweglichkeit: John Cleese, geboren 1939, war älteste unter den Pythons und ist vielleicht auch das bekannteste Gesicht der Komikertruppe.
Bild: BBC
Sicher ist, dass kein «Monty Python»-Mitglied ausserhalb der Gruppe erfolgreicher war: John Cleese erfand und spielte die Hauptrolle in der Kultcomedy «Fawlty Towers», gab den Anwalt Archie in der Blockbuster-Komödie «Ein Fisch namens Wanda» (Bild) und spielte in zwei Bond-Filmen «R», den Nachfolger von Technikgenie «Q».
Bild: NDR / WDR / Degeto
In den letzten Jahren arbeitete John Cleese überwiegend als Synchronsprecher («Shrek», «Trolls») und absolvierte Solo-Tourneen. 2018 übernahm der heute 79-Jährige seit langer Zeit wieder eine Serienhauptrolle: In der BBC-Comedy «Hold the Sunset» spielt er einen Rentner, dessen spätes Liebesglück getrübt wird, als der Sohn seiner Partnerin bei ihr einzieht.
Bild: James Morgan/Getty Images
Sie kannten sich schon aus Studienzeiten: John Cleese (zweiter von links) und Graham Chapman (rechts) arbeiteten 1967 bereits gemeinsam an der BBC-Comedy-Sendung «At Last the 1948 Show» und bildeten auch bei «Monty Python» oft ein Team.
Bild: Larry Ellis/Express/Getty Images
Cleese (links) und Chapman (Bild aus «Die wunderbare Welt der Schwerkraft») schrieben viele ihrer Sketche zu zweit, seine lustigsten Auftritte im «Flying Circus» hatte der ehemalige Medizinstudent, wenn er als «Colonel» Sketche, die jener nicht lustig fand, einfach anhielt. Weltberühmt jedoch wurde mit einer anderen Rolle ...
Bild: Capelight
In «Die Ritter der Kokosnuss», vor allem aber im zweiten Python-Film «Das Leben des Brian» (Bild) spielte Graham Chapman die Hauptrolle. Zuvor hatte er allem mit seinem Privatleben Schlagzeilen gemacht ...
Bild: Sony Pictures Home Entertainment
Chapman war 1972 einer der ersten britischen Prominenten, die sich öffentlich zu ihrer Homosexualität bekannten. Auch mit seiner Alkoholsucht, die er vor dem Beginn der Dreharbeiten zu «Das Leben des Brian» erfolgreich bekämpfte, sorgte er für Aufsehen. 1988 diagnostizierten Ärzte einen Tumor an seinen Mandeln, am 4. Oktober 1989 starb Chapman im Alter von 48 Jahren an den Folgen der Krebserkrankung.
Bild: Central Press/Getty Images
Er war der einzige Amerikaner der Gruppe und auf dem Bildschirm und der Leinwand nur ganz selten zu sehen: Mit seinen Trickfilm-Animationen, die oft als Überleitung zwischen Szenen und Sketchen dienten, sorgte Terry Gilliam (Bild aus «Das Leben des Brian», Mitte) dafür, dass Monty Python auch visuell ihrer Zeit weit voraus waren.
Bild: Sony / Peter Biziou / Python Pictures 1979
Terry Gilliam machte sich einen Namen als Regisseur von bildgewaltigen Märchen- und Fantasyabenteuern: «Brazil», «Fear and Loathing in Las Vegas» und «12 Monkeys» besitzen Kultstatus. Eine grosse Niederlage erlitt er 2000, als er mit Johnny Depp (Bild, rechts) den Film «The Man Who Killed Don Quixote» drehen wollte ...
Bild: Berlinale
Die Arbeit an «Don Quixote» endete damals durch zahlreiche unglückliche Umstände in einem Desaster. Doch Gilliam, heute 78, gab seinen Traum der Verfilmung des Literaturklassikers nie auf und schaffte es, «The Man Who Killed Don Quixote» mit Jonathan Pryce und Adam Driver in den Hauptrollen abzudrehen. Das Ergebnis feierte 2018 in Cannes Premiere.
Bild: Pascal Le Segretain / Getty Images
Er war der musikalische Python: Eric Idle (Bild aus «Das Leben des Brian») komponierte und sang «Always Look On The Bright Side» und schrieb damit einen modernen Klassiker, der bis heute – nicht nur in Grossbritannien – zu den beliebtesten Beerdigungs- und Trauersongs gehört.
Bild: Sony
Eric Idle feierte seine grössten Erfolge mit musikalischen Projekten: 2004 schrieb auf Grundlage des Python-Films «Die Ritter der Kokosnuss» das gefeierte Musical «Spamalot». Zu Topform lief er in der Beatles-Parodie «The Rutles – All You Need Is Cash» (Bild, zweiter von rechts) auf, in der er das McCartney-Alter-Ego Dirk McQuickly spielte und alle Songs der «vier Filzköpfe aus Liverpool» co-komponierte.
Bild: Rhino
Ähnlich wie John Cleese arbeitet der 76-jährige Eric Idle heute vorwiegend als Synchronsprecher. Beim Bühnenprogramm «Monty Python Live (mostly) – One down, Five to go» (Bild), mit dem die verbliebenen fünf Pythons 2014 ein (letztes?) Comeback feierten, führte er Regie. Eine Aufgabe, die zuvor oft ein Kollege übernommen hatte ...
Bild: Dave J Hogan/Getty Images
Bei allen drei Python-Filmen führte Terry Jones (Bild) Regie, in Erinnerung bleibt er aber natürlich vor allem als keifende Mutter des Titelhelden in «Das Leben des Brian». Zu seinen Paraderollen zählten Frauen mittleren Alters, seine Leidenschaft gehörte immer auch geschichtlichen Themen ...
Bild: Sony Pictures Home Entertainment
Als Regisseur und Autor feierte er mit der Komödie «Erik der Wikinger» (1989) seinen grössten Erfolg ausserhalb von Monty Python, 2006 begab sich der ehemalige Geschichtsstudent für eine BBC-Dokuserie auf der Spuren der (angeblich unzivilisierten) Barbaren (Bild). Inzwischen hat sich Terry Jones leider völlig vom Fernsehen zurückziehen müssen ...
Bild: VOX / BBC / Oxford Film
2015 diagnostizierte man bei Terry Jones eine Form der Demenz, er verlor die Fähigkeit zu kommunizieren. Im Januar 2020 verstarb Jones. Er hinterlässt drei Kinder, zwei erwachsene aus seiner Ehe mit Alison Telfer sowie eine zehnjährige Tochter aus seiner Beziehung zu der Schwedin Anna Söderström.
Bild: instagram.com/michael.palin
Zusammen mit seinem Oxford-Studienkollegen Terry Jones schrieb Michael Palin unzählige «Flying Circus»-Sketchklassiker wie die «Spanische Inquisition» und den «Holzfäller-Song». Riesige Lacher erntete er auch in «Das Leben des Brian» (Bild, Mitte) als Pontius Pilatus mit Sprachfehler.
Bild: Sony Pictures Home Entertainment
Später spielte er die Hauptrolle in Terry Gilliams «Jabberwocky» und begeisterte als stotternder Ken in «Ein Fisch namens Wanda», einen Namen machte sich Michael Palin aber als TV-Globetrotter: Nachdem er es 1989 im Auftrag der BBC schaffte, in 80 Tagen um die Welt (Bild) zu reisen, begab sich Palin auf zahlreiche weitere Doku-Trips – etwa von «Pol zu Pol» und zuletzt 2012 nach Brasilien.
Bild: BBC
Michael Palin ist heute der umtriebigste aller Pythons: Zuletzt war er in der Satire «The Death of Stalin» im Kino zu sehen, neben Tagebüchern über seine Reisen (zuletzt Nordkorea) veröffentlichte er auch Romane («Hemingways Stuhl») und historische Sachbücher («Erebus»). 2019 wurde ihm eine besondere Ehre zu Teil: Die Queen schlug ihn zum Ritter, er darf sich nun offiziell Sir Michael Palin nennen.
Bild: Getty Images/Eamonn M. McCormack
Die Comeback-Show 2014 war das letzte Mal, dass die fünf noch verbliebenen Mitglieder von Monty Python gemeinsam Spass hatten: (von links) John Cleese, Eric Idle, Terry Jones, Michael Palin und Terry Gilliam.
Die 20. Ausgabe des ZFF beginnt am 3. Oktober. Zahlreiche Stars werden erwartet, darunter Richard Gere und Kate Winslet, Pamela Anderson und Emil Steinberger. Im Interview mit Keystone-SDA spricht der 91-jährige Kabarettist über Humor und fehlende Clowns.
19.09.2024
Mit 93 Jahren: Filmstar James Earl Jones gestorben
Der US-amerikanische Schauspieler James Earl Jones ist tot. Der für seine tiefe und markante Stimme bekannte Charakterdarsteller starb am Montag
Weltbekannt wurde er 1977 durch seine Sprechrolle des Superschurken Darth Vader in «Star Wars».
10.09.2024
Filmfest Venedig erwartet «vollsten roten Teppich aller Zeiten»
Beim 81. Filmfestival in Venedig werden unter anderem George Clooney, Brad Pitt und Angelina Jolie in der Lagunenstadt erwartet. 21 Filme sind im Wettbewerb um den Goldenen Löwen. Der Eröffnungsfilm: «Beetlejuice 2» von Tim Burton.
29.08.2024
Emil Steinberger über den heutigen Humor
Mit 93 Jahren: Filmstar James Earl Jones gestorben
Filmfest Venedig erwartet «vollsten roten Teppich aller Zeiten»