Film über Schweizer Volksheld Ein Ire und ein Däne gehen nach Rom und drehen «William Tell»

Von Fabian Tschamper

8.10.2024

Die Legende von Wilhelm Tell hat internationale Aufmerksamkeit erlangt: Der irische Regisseur Nick Hamm wagt es, die Geschichte im Film zu erzählen. Skurril ist es allemal, doch auch nicht nach Schiller-Vorlage.

Fabian Tschamper

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Film «William Tell» unter der Regie von Nick Hamm adaptiert die Schweizer Legende, jedoch mit künstlerischen Freiheiten und internationalen Schauspielern, darunter ein Däne in der Hauptrolle. Gefilmt wurde im Südtirol statt der Schweiz.
  • Die Erzählung weicht von Schillers Original ab, insbesondere durch die Darstellung von Tells ikonischem Apfelschuss und der Verwundung Gesslers anstatt seines Todes.
  • Trotz skurriler Elemente und Anpassungen zielt der Film offenbar auf ein internationales Publikum ab, mit einem möglichen Sequel, das die Geschichte fortführen könnte.

Es ist wahrscheinlich noch immer so, dass in der Schweiz jedes Kind die Legende von Wilhelm Tell kennt. Der Schweizer Volksheld, der sich den Habsburgern nicht beugen will. Der Nationalheld, der den Hut von Gessler nicht grüssen will und infolgedessen dazu angehalten wird, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes Walter zu schiessen.

Es soll eine Machtdemonstration sein, die das Schweizer Volk unterjochen wird. Doch der Schuss geht – ironischerweise – nach hinten los, weil Tells Bolzen sein Ziel findet.

Das Bühnenstück von Friedrich Schiller ist scheinbar nicht nur in der Schweiz bekannt, sondern über die Landesgrenzen hinaus. Zumindest mir war das nicht bewusst – aber jetzt weiss ich immerhin, wie sich die Schotten damals gefühlt haben, als Mel Gibson in «Braveheart» ihren Nationalhelden William Wallace verkörpert hatte.

Dies, weil sich der irische Regisseur Nick Hamm dazu entschieden hat, die Geschichte unseres Nationalhelden zu verfilmen. Es klingt absolut absurd. Ein Ire verfilmt Tell mit einem fast zwei Meter grossen Dänen in der Hauptrolle. Und Drehort ist dabei Rom, dort hat die Crew nämlich Altdorf nachgebaut.

Und Hamm hat sich nicht genau an das Quellmaterial von Schiller gehalten. Doch dazu später mehr.

Wunderschöne Schweizer Landschaften – gefilmt im Südtirol

Am Zurich Film Festival hat das Filmepos «William Tell» Premiere gefeiert – und ich muss gestehen, es ist skurril. Natürlich sprechen alle Englisch, geben sich bei Begriffen wie «Uri», «Unterwalden» oder «Küssnacht» aber alle Mühe.

Das Drama öffnet mit dem berüchtigten Schuss auf den Apfel auf Walters Kopf – ohne dabei zu verraten, ob Tell den Schuss auch schafft. «Drei Tage früher» flimmert über die Leinwand. Wir sehen die Innerschweiz, wunderschöne Landschaften, gefilmt im Südtirol. Tell füttert seine Geissen, bringt seinem Sohn Walter den Umgang mit der Armbrust bei – und entdeckt dabei österreichische Reiter.

Jene zwingen eine Bauernfamilie dazu, sie zu verköstigen, sie zu waschen. Der Habsburger Burgvogt, mit Namen Wolfenschiessen, vergeht sich an der Frau des Bauernhofs, bringt sie gar um. Als ihr Ehemann Konrad Baumgarten dies entdeckt, erdrosselt er Wolfenschiessen in der Badewanne und flüchtet. Das ist der Anfang des Widerstands der Schweizer gegen die Habsburger.

Währenddessen sieht Tell sein geliebtes Land immer stärker unterdrückt von der österreichischen Tyrannei – allen voran vom habsburgischen Landvogt Gessler, dargestellt von einem hervorragenden Connor Swindells. Der junge Mann hatte sichtlich Spass mit der Rolle des Bösewichts.

«Der zweite Bolzen wäre für Sie gewesen»

Jener hängt seinen Hut in Altdorf auf. Jede*r muss ihn im Vorbeigehen grüssen – wer es nicht tut, der wird eingebuchtet. Als sich Walter den Hut von Nahem ansieht, ohne ihn zu grüssen, zerrt ihn sein Vater weg. Natürlich unter den wachsamen Augen der habsburgischen Soldaten, die Tell sofort verhaften wollen. Gessler hat allerdings andere Pläne, er hörte von seinen Patrouillen, die von Armbrustschützen getötet worden sind.

Könnte Tell dahinterstecken? Sein Plan, den Schweizer Widerstandskämpfer zu unterwerfen, geht gehörig nach hinten los: Knie vor dem Hut oder schiess einen Apfel vom Kopf deines Sohnes. Tell lädt also seine Armbrust, steckt einen zweiten Bolzen in seinen Gürtel – und trifft den Apfel ja bekanntlich.

Gessler wundert sich jedoch: Warum der zweite Bolzen im Gürtel? Tell: «Hätte ich meinen Sohn getötet, wäre der zweite Bolzen für Sie gewesen.» Schon eine badass Aussage. Gessler erschuf den Anführer der Rebellion damit selbst – und lässt ihn trotz des erfolgreichen Schusses verhaften. Unter grossem Protest der Altdorfer Bevölkerung.

Und hier schlägt Regisseur Nick Hamm einen anderen Weg ein, als Schiller ihn vorgegeben hat.

Nachdem Tell nach dem Sturm auf dem Vierwaldstättersee auf der heutigen Tellsplatte ankommt, passt er Gessler in der hohlen Gasse bei Küssnacht ab. In der Geschichte von Schiller stirbt Gessler dort, im Film durchbohrt der Bolzen schlicht seine Hand.

Ein ganzes Tell-Franchise?

Nach einem «Braveheart»-Moment – «sie können unser Leben nehmen, aber nicht unsere Freiheit» oder wie auch immer – mobilisiert Tell die vereinten Innerschweizer dazu, sich zu wehren. Mit einer List infiltrieren sie daraufhin Altdorf, das in österreichischer Hand liegt. Mit dem zweiten Bolzen vom Apfelschuss verletzt Wilhelm Tell schliesslich Gessler in der Schlacht um Altdorf und überlässt ihn seinem Schicksal. Natürlich gleich neben dem Pfahl, an welchem sein Hut hängt.

Doch damit nicht genug: Wie wir sehen, wird der habsburgische König Albrecht (gespielt übrigens von Sir Ben Kingsley) von seiner Nichte erstochen – im Stück von Schiller ist es der Neffe. Und so schwört die Tochter des Tyrannen Rache. Der Film schliesst mit einer langen Einstellung auf das Schloss Habsburg, vor welchem sich eine grosse österreichische Armee formt.

Nick Hamm will also sogar eine Fortsetzung aufgleisen? Ein ganzes Franchise mit Tell an der Front vielleicht? Das wird mit grosser Sicherheit nichts. Es ist eine Entscheidung, die ich nicht nachvollziehen kann – aber welche Filme lassen heutzutage schon nicht Luft für ein Sequel. Zu viele leider.

Alles in allem ist «William Tell» für Schweizer*innen wohl eine eher lachhafte Darstellung des Volkshelden. Eventuell findet der Film aber international sein Publikum. Einen Schweizer Kinostart hat das Drama noch nicht, der dürfte aber noch folgen.


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