Kanada als 51. US-Bundesstaat? «USA verlieren an Bedeutung» – Experte über Trumps Drohungen

Dominik Müller

13.2.2025

Keine Freunde, aber Nachbarn: US-Präsident Donald Trump (l.) und der abtretende kanadische Premierminister Justin Trudeau. (Archivbild)
Keine Freunde, aber Nachbarn: US-Präsident Donald Trump (l.) und der abtretende kanadische Premierminister Justin Trudeau. (Archivbild)
Bild: Keystone/EPA/Olivier Hoslet

US-Präsident Donald Trump kündigt fast wöchentlich neue Massnahmen gegen Kanada an. Ein kanadischer Politologe ordnet die Drohungen aus dem grossen Nachbarland ein. 

Gregoire Galley

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Donald Trump will Kanada zum 51. Bundesstaat der Vereinigten Staaten machen – eine Idee, die er bereits mehrfach geäussert hat.
  • Der kanadische Politologe Philippe Bourbeau nimmt im Gespräch mit blue News Stellung zu den Äusserungen Trumps.
  • «Trump will Nordamerika wieder zu einem mächtigen Kontinent machen», sagt Bourbeau.

Seit seiner Rückkehr ins Weisse Haus überschlägt sich Donald Trump mit provokativen Ankündigungen. Ende Januar wollte der US-Präsident eine seiner Drohungen wahr machen und eine Steuer von 25 Prozent auf kanadische Produkte, die in die USA importiert werden, einführen. Kurz darauf stimmte er einer 30-tägigen Pause seines Plans zu.

Sollte die Massnahme jedoch endgültig umgesetzt werden, wäre sie ein schwerer Schlag für Kanada. Zumal sich das Land derzeit in einer politischen Krise befindet.

Philippe Bourbeau, Professor und Co-Direktor des Internationalen Instituts für Wirtschaftsdiplomatie an der École des hautes études commerciales (HEC) in Montreal, erläutert im Gespräch mit blue News die Situation.

Nach zehn Jahren als Premierminister Kanadas hat Justin Trudeau seinen Rücktritt angekündigt. Was sind die Hintergründe für seine Entscheidung?

Zur Person
x
zVg

Philippe Bourbeau ist Professor in der Abteilung für internationale Angelegenheiten und Co-Direktor des Internationalen Instituts für Wirtschaftsdiplomatie an der HEC Montreal.

Philippe Bourbeau: Im parlamentarischen System Kanadas ist es sehr wichtig, die Unterstützung seiner Fraktion zu haben. Sprich: der Gesamtheit der Abgeordneten, die den Premierminister unterstützen und sehr oft derselben politischen Partei angehören.

Im Fall von Justin Trudeau gab es schon seit einiger Zeit mehrere Hinweise darauf, dass er diese Unterstützung verloren hatte und dass einige einen Wechsel an der Spitze der Liberalen Partei wollten. Man muss dazu sagen, dass die letzten beiden Jahre für Trudeau in Bezug auf die öffentliche Meinungsumfrage besonders schwierig waren. Die Kanadier äusserten regelmässig, dass sie die Führung des Premierministers satthatten. Dieser zog sich daher aufgrund des Drucks, sowohl öffentlich als auch innerhalb seiner Partei, zurück.

Mehreren Umfragen zufolge ist der Vorsitzende der Konservativen Partei, Pierre Poilievre, der Favorit für die Nachfolge von Justin Trudeau. Kann man ihn mit Donald Trump vergleichen?

Auch wenn bei solchen Vergleichen Vorsicht geboten ist, neigt man dazu, die Konservative Partei mit den Republikanern in Verbindung zu bringen, während die Liberale Partei eher mit den Demokraten verbunden ist. Was Pierre Poilievre betrifft, so ist er zweifellos viel spaltender als die anderen Chefs der kanadischen politischen Formationen.

Man muss verstehen, dass er eine klare Unterscheidung in der Ausrichtung des Landes gegenüber der Liberalen Partei verkörpert, die seit fast zehn Jahren an der Macht ist. Poilievre tritt für eine restriktivere Handels-, Währungs- und Wirtschaftspolitik ein als die Liberalen. Er hat auch bestimmte soziale Positionen, die die Kanadier eher brüskieren könnten, während Trudeau sich in erster Linie als Verfechter von Standards, insbesondere von internationalen Standards, präsentierte.

Man darf Pierre Poilievre jedoch nicht mit Donald Trump vergleichen. Ihre Persönlichkeiten sind völlig unterschiedlich. Die beiden Männer haben auch nicht denselben Hintergrund, da Trump ein Geschäftsmann ist, während Poilievre ein Berufspolitiker ist.

Andererseits glaube ich trotzdem, dass die Ereignisse der letzten Tage die politische Situation in Kanada verändern. Seit Anfang 2025 sind mehrere Beobachter der Ansicht, dass der Druck der USA auf Kanada der Liberalen Partei und Mike Carney – dem potenziell nächsten Parteivorsitzenden und Premierminister – zugutekommt. Unter diesen Umständen sind die Konservative Partei und der Bloc québécois gezwungen, sich in dieser neuen Situation zu positionieren.

Einige Mitglieder des kanadischen Parlaments sind der Ansicht, dass Elon Musk sich in diese Wahlen einmischen könnte, indem er Pierre Poilievre unterstützt. Könnte dies wirklich passieren?

Das ist ein Element, das insofern stattfinden kann, als jeder Geschäftsmann sich je nach seinen Interessen in Wahlen einmischen kann. Allerdings ist der Fall von Elon Musk ein wenig speziell, da er offenbar eine sehr wichtige Position bei Donald Trump innehat. Er wird zweifelsohne versuchen, Einfluss zu nehmen. Ob dieser im kanadischen Kontext entscheidend sein wird, bleibt abzuwarten.

Donald Trump machte auch Schlagzeilen, als er wiederholte, dass Kanada der «51. US-Bundesstaat» werden sollte, um die Einführung einer Steuer auf kanadische Produkte zu verhindern. Zu welchen Zwecken setzt er diese aggressive Rhetorik ein?

Diese Diskussion über den 51. Bundesstaat zeigt deutlich, dass die USA auf dem globalen Schachbrett sowohl geopolitisch als auch wirtschaftlich an Bedeutung verlieren. Donald Trump baut Schutzwälle auf, um diesen Trend umzukehren. Ich denke, er versucht, die Monroe-Doktrin wiederzubeleben (Anm. d. Red.: Doktrin, die jede europäische Einmischung in die Angelegenheiten Nordamerikas ebenso verurteilt wie die der USA in die europäischen Angelegenheiten). Indem er auch den Panamakanal und Grönland bedroht, will er aus Nordamerika wieder einen mächtigen Kontinent machen, um China und danach Europa ins Visier zu nehmen.

Strafzölle von 25 Prozent oder eine Einwanderungswelle aus den USA: Donald Trump treibt den Kanadiern den Angstschweiss auf die Stirn. Wie kann sich das Land gegen seinen grossen Nachbarn behaupten?

Ich sehe die Dinge nicht eindeutig. Man darf sich nicht widersetzen oder kapitulieren. Man muss einen Weg dazwischen finden, wobei man natürlich eine klare und kohärente Strategie haben muss. Das Ziel ist es, eine gemeinsame Basis zu finden. Aber Kanada muss sich bewusst werden, dass die Herausforderungen miteinander verknüpft sind und man daher nicht Branche für Branche verhandeln sollte.

Mehr zu Donald Trump

Trump verhängt Strafzölle: Kanada, Mexiko und China kontern

Trump verhängt Strafzölle: Kanada, Mexiko und China kontern

Präsident Trump hat neue Zölle gegen Kanada, Mexiko und China verhängt. Die betroffenen Länder kündigten aber umgehend Gegenmassnahmen an.

02.02.2025