«Tatort»-Check Diese echten Rapper spielten im Wiener Hip-Hop-Krimi mit

teleschau

15.9.2024

So musikalisch wie im «Tatort: Deine Mutter» ging es schon lange nicht mehr zu. Die Wiener Ermittler Eisner (Harald Krassnitzer) und Fellner (Adele Neuhauser) suchten nach dem Mörder eines Rapstars. Dabei müssen Ü60-Kommissare die Szene erst mal kennenlernen. Authentisch oder «cringe»?

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Hip-Hop-Vibes im Wiener «Tatort»: Eisner (Harald Krassnitzer) und Fellner (Adele Neuhauser) ermittelten im ersten ARD-Krimi nach der Sommerpause in der Musikszene.
  • Gesucht war der Mörder eines Wiener Rapstars.
  • Authentizität ist Trumpf: Nicht nur die Leiche spielte ein echter Hip-Hop-Star, auch sonst tummelten sich im Krimis einige Künstler*innen aus dem Rapgenre vor der Kamera.

«Tatort» goes Hip-Hop: Dass ausgerechnet die reifen Kommissare Moritz Eisner (Harald Krassnitzer, 64) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser, 65) in der Wiener Hip-Hop-Szene ermitteln mussten – es hätte auch peinlich werden können. Wie so oft, wenn sich Subkultur im Mainstream-Fernsehen vorstellt. Doch der «Tatort: Deine Mutter», der erste ARD-Krimi nach der XXL-Sommerpause, hatte durchaus Charme.

Die zahlreichen musikalischen Performances kamen authentisch rüber und bildeten ausserdem verschiedene aktuelle Stile des Genres ab. Doch welche Musiker verbargen sich hinter den Rollen? Welche Stücke waren zu hören? Und haben Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser tatsächlich selbst gerappt, wie es in einer Traumsequenz Bibi Fellners im «Tatort» zu sehen war?

Worum ging es?

Der blondierte Wiener Rapstar Ted Candy (Aleksandar «Jugo» Simonovski) lag erschlagen im Parkhaus – in unmittelbarer Nähe seines Plattenlabels. Das gehörte Altrapper Akman 47 (Murat Seven), der zuletzt öffentlich «Beef» (zu deutsch: Streit unter Rappern) mit seinem Schützling austrug. Ted hatte Akmans Label verlassen wollen, das von dessen hochschwangerer Freundin Sarah (Salka Weber) gemanagt wird.

Eisner und Fellner, die von Hip-Hop zuvor offenbar wenig Ahnung hatten, belegten im Rahmen ihrer Ermittlungen einen Crash-Kurs in Sachen Jugend- und Strassenkultur. War der Streit unter Rappern tatsächlich ernst oder nur ein PR- und Social Media-Gag? Was wollen die Rapper zwischen den Zeilen wirklich sagen? Und warum überleben in dieser Szene Misogynie und Homophobie – gerade so, als wäre man noch in den 90ern?

Worum ging es wirklich?

Seien wir ehrlich: Der Kriminalfall war okay, aber irgendwie auch nicht besonders relevant in diesem funkensprühenden Hip-Hop-«Tatort». So sahen es offenbar auch die Drehbuchautoren und Rap-Fans Samuel Deisenberg und Autorin Franziska Pflaum. Über ihren Krimi sagen sie: «Alles begann mit unserer langjährigen Leidenschaft für den Hip-Hop. Daraus entstand eine breite Palette an Figuren, die für einige Facetten der Hip-Hop-Szene stehen und zugleich relevant sind für den Krimiplot.»

Dazu gehören laut der Macher «alle Themen, die mit dieser Kultur verbunden sind, wie das Frauenbild, Homosexualität, Drogenmissbrauch, Stardom, Rap als Sprachrohr und Ausdrucksform der weniger Privilegierten». Dass die Szene im Film zudem gut aussieht und klingt, dafür sorgen bekannte und weniger bekannte Rapperinnen und Rapper sowie Regisseurin Mirjam Unger (54, «Tage, die es nicht gab»). Unger arbeitete früher selbst als Musikjournalistin und gründete 1995 den Indie-Kult-Jugendsender FM4 mit.

Welche Rapper waren echt – und welche Fake?

Eine der künstlerisch prägendsten Figuren des «Tatorts: Deine Mutter» war ungewöhnlicherweise die Leiche – beziehungsweise ihr Darsteller. Hinter Ted Candy verbirgt sich der in Österreich populäre Rapper Yugo oder auch Jugo Ürdens (!). Nicht nur der wichtigste Song im Film stammt von ihm. Yugo übernahm auch die musikalische Beratung des Films und das Rap-Coaching für seinen Widersacher Akman 47, dessen Darsteller Murat Seven in echt eben kein Rapper ist.

Auch Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser mussten für eine Traumsequenz Bibi Fellners (zu sehen in Filmminute 17) rappen – und wurden dabei ebenfalls von Yugo gecoacht. Keine Nachhilfe benötigten hingegen Österreichs wahrscheinlich bekannteste Rapperin KeKe (bürgerlich: Kiara Hollatko) als Dalia oder Nachwuchs-Deutsch-Rapper Frayo 47 (bürgerlich: Francis Ayozieuwa) in der Rolle des Newcomer-Rappers Bashir.

Gedreht wurde unter anderem im Wiener Musikclub «Flex», gelegen im 1. Bezirk. Das «Flex» gilt als eine der Keimzellen der Wiener-Rap-Kultur seit den 90ern, in der immer noch Konzerte und Partys stattfinden.

Welche Songs sind zu hören?

Omnipräsent und ein echter Ohrwurm dieses «Tatorts» ist natürlich der Titel «Ohne mich» von Ted Candy, in Wahrheit aufgenommen von dessen Darsteller Aleksandar «Yugo» Simonovski. Der Titel ist bei Spotify und anderen Musikstreamingdiensten verfügbar. Es sind aber noch andere Stücke zu hören, die extra für den Film entstanden: vor allem «Haifisch» von Francis «Frayo 47» Ayozieuwa und Kiara «KeKe» Hollatko.

Dann gibt es noch «Lad nach» von Akman 47, den die Kommissare im Videostudium untersuchen und über den Eisner sagt, es wäre «genau genommen eine öffentliche Morddrohung». Der Score und die Tracks stammen von den Wiener Musikproduzenten Lamettas, die mit dem jeweils eigenen Sound der vier Rapper Ted Candy, Akman 47, Bashir und Dalia auch die Klangvielfalt der aktuellen Szene abbilden wollten.

Wie entstand das Musikvideo mit Eisner und Fellner?

In Bibi Fellners Traum ist es so: Auf einer breiten Brücke stehen sich Ted Candy mit seiner Crew und die Polizei mit den Kommissaren gegenüber, wie Räuber und Gendarm. Adele Neuhauser trägt das Kostüm von Ted Candy und liefert sich ein Gesangsduell mit dem Hip-Hop-Star. Regisseurin Mirjam Unger liess sich dafür vom Musikvideokunst-Klassiker «Sabotage» (1994) der Beasty Boys inspirieren, für den die Musiker damals in Polizeiuniformen geschlüpft sind.

Gedreht wurde die Szene nachts in einem Wiener «Problemviertel» – ohne Vorankündigung. «Als die Musik einsetzte», erinnert sich Harald Krassnitzer an den Dreh, «war schlagartig das halbe Quartier um uns herum. Die Kids, teils 15 oder 16, waren richtig fiebrig, weil wir natürlich in ihren Raum eingedrungen sind. Erst kamen die Sprüche, hey, das können wir besser, dann bewegten sie sich zu der Musik und tanzten mit.»

Wie geht es beim Wiener «Tatort» weiter?

«Tatort: Deine Mutter» trug lange Zeit den Arbeitstitel «Tatort: Hurenkind». Klingt zwar griffig, es wäre allerdings auch ein ziemlicher Spoiler in Sachen Krimi-Plot gewesen. Gut, dass es geändert wurde! Welche weiteren Eisner und Fellner-Fogen hat der ORF nun in seinem «Tatort»-Köcher? Die nächste Folge, 2025 zu sehen, wurde im Frühjahr 2024 abgedreht und hört – bislang – auf den Namen «Tatort: Wir sind nicht zu fassen!» (Buch und Regie: Rupert Henning).

Sie beginnt mit einer Leiche am Rande einer Wiener Demonstration, auf der Flugblätter mit dem Titel «Wir sind nicht zu fassen» herumliegen. Noch ein weiterer Fall mit dem Arbeitstitel «Messer» wurde im Sommer 2024 abgedreht. Er spielt im Umfeld eines Sternerestaurants. Gedreht wurde unter anderem im Wiener Haubenlokal «Shiki».