Highlights am Zurich Film Festival Horror-Lovestory, Baby-Diebe und eine aufgewühlte See

Gianluca Izzo

21.9.2022

Zum Auftakt des 18. Zurich Film Festivals zeigt blue News eine Auswahl der Highlights und Empfehlungen.

Gianluca Izzo

Du wünschst dir ein schönes Kinoerlebnis am diesjährigen ZFF, hast aber noch keine Ahnung, was du dir anschauen sollst? blue News hat an den Filmfestivals in Cannes und Venedig bereits einige grosse Entdeckungen gemacht und empfehlenswerte Filme gesehen, die nun auch im Rahmen des ZFF gezeigt werden.

Folgende Highlights legen wir dir wärmstens ans Herz:

«Armageddon Time»

Darum geht's:
Paul wächst Anfang der 80er-Jahre im New Yorker Stadtteil Queens in einer jüdischen Familie auf. Der Freigeist hat einen ausgeprägten Sinn für Kunst und zeichnet liebend gern. Als er und sein afroamerikanischer Freund Johnny bei einem ihrer Streiche etwas zu weit gehen, entscheiden sich Pauls Eltern, ihn auf eine Privatschule mit strikten Regeln zu schicken. Die Schule wird unter anderem von einem gewissen Fred Trump finanziert.

Deswegen lohnt sich der Film:
Basierend auf den Erlebnissen aus seiner eigenen Kindheit kreiert US-Regisseur James Gray («Ad Astra») ein inspirierendes und bewegendes Coming-of-Age-Drama. Dabei beleuchtet er die Politik und die Gesellschaft seines Landes kritisch und entlarvt den Irrglauben des American Dreams. Mit Anne Hathaway, Jeremy Strong und Anthony Hopkins als verständnis- und liebevoller Opa ist der Film grandios besetzt. Und vielen Kindern aus den 80ern und 90ern dürften der Soundtrack sowie der Look des Werks einen schönen Nostalgie-Trip bescheren.

«Bones and All»

Darum geht's:
Die Aussenseiterin Maren fühlt sich anders als ihre Mitmenschen und verspürt ein unerklärliches, unersättliches Hungergefühl. Von ihrem alleinerziehenden Vater im Stich gelassen, reist sie auf eigene Faust mit dem Bus davon und erkennt bald, dass es Menschen gibt, die ähnlich empfinden wie sie. Als Maren dem rebellischen Lee begegnet, fühlt sie sich einem anderen Menschen zum ersten Mal richtig nahe.

Deswegen lohnt sich der Film:
Du hast Timothée Chalamet zum Fressen gern? Dann ist das genau dein Film! Der Shootingstar hat bereits in «Call Me by Your Name» mit dem italienischen Regisseur Luca Guadagnino zusammengearbeitet und mit seiner Performance zahlreiche Herzen erobert. Guadagninos neuster Streich ist eine originelle Horror-Lovestory mit Roadmovie-Charakter, die eine magische, beflügelnde Atmosphäre erzeugt und gleichzeitig mit völlig verstörenden, schockierenden Momenten überrascht. Vorsicht: Dieser Film ist nichts für empfindliche Gemüter und Mägen. Guten Appetit!

«Broker»

Darum geht es:
In ihrer finanziellen Not klauen zwei Männer ein Baby, welches bei strömendem Regen in die Babyklappe einer Kirche gelegt worden ist. Ihre Absicht ist es, das Kind an eine wohlhabende Familie zu verkaufen. Womit sie nicht gerechnet haben, ist die leibliche Mutter, die am Folgetag vor der Tür steht und ihr Kind zurückhaben will. Die beiden Männer überzeugen die junge Mutter von ihrem Plan und sie begeben sich zusammen auf einen Roadtrip durch Südkorea, um eine geeignete Adoptivfamilie für das Baby zu finden.

Deswegen lohnt sich der Film:
Der japanische Regisseur Hirokazu Koreeda («Shoplifters») ist ein Meister darin, ungewöhnliche Familiendramen auf zutiefst berührende, herzerwärmende und humorvolle Weise zu erzählen. Auch in seinem neusten Film gelingt ihm dies wieder vorzüglich. Wer Gefallen am vierfachen Oscar-Gewinner «Parasite» hatte, darf sich zudem auf eine weitere glanzvolle Leistung des südkoreanischen Schauspielers Song Kang-ho freuen.

«Le otto montagne»

Darum geht's:
In den Sommerferien im italienischen Bergdorf Grana lernt der elfjährige Stadtjunge Pietro den gleichaltrigen Einheimischen Bruno kennen. Trotz ihres völlig unterschiedlichen Hintergrunds verstehen sich die beiden blendend und pflegen eine innige Freundschaft. Im Jugendalter und als junge Erwachsene sehen sie sich nur noch selten, unter anderem weil Pietro studiert und längere Zeit im Ausland verbringt. Doch Pietro zieht es immer wieder zurück an den idyllischen Ort, an den er so schöne Erinnerungen hat.

Deswegen lohnt sich der Film:
Dieses berührende, feinfühlig inszenierte Drama über eine aussergewöhnliche Freundschaft ist ein belgisch-italienischer Film, den die Schweiz wohl eigentlich gern ihr Eigenprodukt nennen würde. Selten ist eine Landschaft so prächtig dargestellt worden wie hier das majestätische Gebirge im Aostatal. Sie prägt die Handlung des Films, als wäre sie eine eigene Figur der Erzählung. Zudem lassen dir Szenen von waghalsigen Wanderungen die Nackenhaare zu Berge stehen.

«The Banshees of Inisherin»

Darum geht's:
Pádraic ist fassungslos, als sein langjähriger Freund Colm ihm aus heiterem Himmel und ohne triftigen Grund die Freundschaft kündigt. Colm wolle seine Zeit künftig sinnvoller investieren in Musik, Kunst und Poesie, gibt er zu verstehen. Dies kann Pádraic unmöglich einfach so hinnehmen. Beharrlich versucht er, Colm zu Vernunft zu bringen, bis dieser droht, drastische Massnahmen zu ergreifen.

Deswegen lohnt sich der Film:
Nach ihrer Zusammenarbeit bei dem Kultfilm «Brügge sehen … und sterben?» vereint Regisseur Martin McDonough erneut Irlands feinstes Schauspiel-Duo Colin Farrell und Brendan Gleeson. Ihre neue schwarze Komödie enthält irrsinnig witzige, clever geschriebene Dialoge, wobei der erstklassige Humor durch die sprachlichen Eigenheiten des irischen Akzents nochmals intensiviert wird. Der Film erzählt aber eine eigentlich tragische Geschichte, in der sich auch spannende Allegorien und Metaphern finden lassen, unter anderem zu Irlands Bürgerkrieg.

«Triangle of Sadness»

Darum geht's:
Ein junges Influencer-Paar, dargestellt von der kurz vor der Amerika-Premiere verstorbenen Charlbi Dean und dem Briten Harris Dickinson, wird auf eine Luxuskreuzfahrt eingeladen. An Bord der Yacht treffen sie auf exzentrische superreiche Gäste, eine topmotivierte Crew und einen trinkfreudigen Kapitän. Am Abend des sogenannten «Captain's Dinner» werden mehrere Gänge feinster Delikatessen serviert, während sich die Wellen immer stärker bemerkbar machen. Als schliesslich ein heftiger Sturm ausbricht, läuft die Situation völlig aus dem Ruder.

Deswegen lohnt sich der Film:
Wer seine Bauchmuskeln mit Lachanfällen trainieren will, schaut sich am besten Ruben Östlunds («The Square») neuen Film an. Der Satire gelingt es auf verblüffende Weise, der Gesellschaft kritisch den Spiegel vor Augen zu halten und gleichzeitig wahnsinnig komisch und obszön zu sein. Auch wenn sein Hauptaugenmerk auf der Kritik an den Superreichen liegt, findet doch jeder Mensch sich in irgendeiner Form in Situationen des Films wieder und wird zum Nachdenken angeregt. Ach, und abschliessend muss noch gesagt sein: Woody Harrelson als betrunkener Kapitän ist einfach phänomenal!