Kalifornien Smartphone warnt, noch bevor die Erde bebt

Von Dirk Jacquemien

27.12.2021

Zehn Sekunden Zeit, sich in Sicherheit zu bringen: Schäden an einem Highway in Kalifornien nach einem Erdbeben im Jahr 2019.
Zehn Sekunden Zeit, sich in Sicherheit zu bringen: Schäden an einem Highway in Kalifornien nach einem Erdbeben im Jahr 2019.
EPA

Die App hatte sie rechtzeitig gewarnt: Bevor ein Erdbeben bei ihnen eintraf, wurden Kalifornier bereits durch ihr Smartphone gewarnt.

Von Dirk Jacquemien

Ein Frühwarnsystem für Erdbeben hat sich erstmals bei einem grösseren Ereignis bewährt: Das amerikanische ShakeAlert-System erkennt Erdstösse und kann dann Warnungen an Smartphones verschicken. Eine eigene App zeigt diese an, das Warnsystem wurde allerdings auch in Android integriert.

Am vergangenen Montag ereignete sich ein Erdbeben der Stärke 6,2 auf der Richterskala im Pazifik rund 38 Kilometer vor der nordkalifornischen Küste. Die nächstgelegene grössere Stadt, Eureka, war knapp 75 Kilometer vom Epizentrum entfernt. Bewohner*innen berichteten laut dem «Guardian», die Warnung sei rund zehn Sekunden vor den ersten Vibrationen eingetroffen.

Schnelligkeit macht Fehler unvermeidbar

Die Wellen von Erdbeben verbreiten sich mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 3,5 Kilometern in der Sekunde. Digitale Signale dagegen reisen mit annähernder Lichtgeschwindigkeit. Diese Differenz macht sich das Warnsystem zunutze. Sobald eine der zahlreichen Messstationen in Kalifornien einen Erdstoss verzeichnet, sendet das System automatisch eine Warnung an alle Smartphones im Gefahrengebiet.

Der Zwang zur Schnelligkeit macht das System allerdings fehleranfällig. Um den genauen Ort und die exakte Stärke eines Erdbebens zu berechnen, sind Daten von mehreren Messstationen nötig. Diese Daten zusammenzutragen benötigt jedoch Zeit, die in einer Akutsituation nicht verfügbar ist. Das System tendiert daher dazu, lieber einmal zu oft zu warnen als einmal zu wenig.



Zehn Sekunden sind wertvolle Zeit

Dennoch könnte die frühe Warnung Leben retten. Zehn Sekunden mögen keine lange Zeit zu sein, könnten aber dennoch ausreichen, um aus dem Haus zu sprinten oder sich zumindest unter einen Tisch zu ducken. Wenn das «Big One»-Erdbeben – vor dem sich das auf der gefährlichen San-Andreas-Verwerfung liegende Kalifornien fürchtet – eintrifft, könnte Shake Alert seine Nützlichkeit beweisen.

Das 6,2-Erdbeben war das bisher stärkste, vor dem Shake Alert gewarnt hat. Verletzte wurden nicht gemeldet. In Geschäften fielen einige Glasflaschen dem Beben zum Opfer, einige Strassen mussten wegen Steinschlägen kurzzeitig gesperrt werden.

Shake Alert ist ein auf die US-Westküste begrenztes System. Google hat allerdings im Frühjahr angekündigt, seine Android Earthquakes Alerts weltweit anzubieten. Derzeit ist es in Griechenland, Neuseeland, den Philippinen, der Türkei, Kasachstan, Kirgistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Usbekistan verfügbar.