Tesla-Blase geht die Luft aus
STORY: In den vergangenen Jahren hatten Tesla-Käufer, die monatelang auf die Auslieferung ihres Neuwagens warteten, zwei Möglichkeiten: Sie konnten das begehrte Elektrofahrzeug behalten oder es zu einem noch höheren Preis an einen Käufer mit weniger Geduld verkaufen. Die Tage diese gewinnbringenden Models könnten gezählt sein. Denn die Preise für gebrauchte Teslas fallen schnell, auch schneller als die anderer Autohersteller. Der Durchschnittspreis für einen gebrauchten Tesla lag im November in den USA bei fast 56.000 Dollar, gegenüber einem Höchststand von über 67.000 Dollar im Juli, immerhin ein Rückgang um 17 Prozent. In den vergangenen zwei Jahren hatten steigende Benzinpreise die Elektro-Nachfrage angekurbelt. Tesla selbst erhöhte die Preise zudem schneller als andere Marken. Nun sinken die Benzinpreise, Teslas Produktion steigt und die Konkurrenz für Elektrofahrzeuge wächst. Manche Analysten sind zudem der Meinung, dass Elon Musks Twitter-Eskapaden potenzielle Käufer abschreckt. Vergangene Woche bot das Unternehmen bereits einen Rabatt von 7.500 Dollar für Model Y und Model 3 an und verdoppelte damit den bisherigen Rabatt. Die Tesla-Aktien sind von fast 400 Dollar auf etwa 113 Dollar am Dienstag gefallen. Eine Stellungnahme Teslas gab es zunächst nicht. Das Unternehmen hat seine Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aufgelöst.
28.12.2022
Die Tesla-Aktie ist in diesem Jahr um 69 Prozent abgestürzt. Selbst lange treue Investor*innen zweifeln inzwischen an CEO Elon Musk.
Die Entwicklung des Tesla-Aktienkurses in den vergangenen Monaten lässt selbst langjährige Unterstützer*innen von CEO Elon Musk an dessen Führungsqualitäten und Engagement für den Elektroautohersteller zweifeln. Denn in diesem Jahr hat die Tesla-Aktie 60 Prozent ihres Wertes verloren.
Lange dagegen schien es für das Papier nur einen Weg zu geben – nach oben. Trotz oder vielleicht gerade wegen Musks teils exzentrischer Auftreten wurde Tesla zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt. Im Oktober 2021 überschritt Tesla eine Marktkapitalisierung von über einer Billion Dollar, nur Apple, Microsoft, Alphabet (Google) und Amazon waren mehr wert. Musk wurde zum reichsten Mann der Welt. Doch diese Zeiten sind lange vorbei.
Hoden-Witze bringen Musk durch den Tag
Fast alle Beobachter*innen bringen den Absturz in Zusammenhang mit Musks Aufkauf von Twitter. Zum einen hat er mit 44 Milliarden Dollar viel zu viel für den Social-Media-Dienst bezahlt und musste dies zu grossen Teilen mit Verkäufen oder Beleihen seiner Tesla-Anteile finanzieren.
Und seit Abschluss der Übernahme scheint es trotz aller Beschwichtigungen Musks so, als sei seine ganze Aufmerksamkeit Twitter gewidmet. Und dabei sorgt nicht nur der radikale Umbau des Unternehmens für einigen Aufruhr, sondern auch seine immer offener zur Schau gestellte politische Agenda.
Positive Interaktionen hat Musk auf Twitter inzwischen fast nur noch mit rechten Influencer*innen. Kritische Journalist*innen sperrt er aus, die Accounts von Donald Trump, Anti-Trans-Aktivst*innen und Corona-Leugner*inner werden dagegen wieder willkommen geheissen. Auf Kritik reagiert er mit infantilen Witzen.
«MAGA-Hat auf Rädern»
Nun kann Musk Twitter das Unternehmen so führen, wie er möchte und selbstverständlich auch seine Meinung kundtun über die «Woke» Linke, die die Welt ruiniert. Das Problem für Musk und Tesla ist, dass diese Leute die bisherige Kernzielgruppe seiner Produkte waren. Urbane, eher linksliberal orientierte Menschen legten sich gerne einen Tesla zu, auch um öffentlich zu demonstrieren, dass sie ja für die Umwelt einstehen.
Der Kauf eines Teslas ist auch jetzt noch ein politisches Statement. Wenn die teure Anschaffung allerdings nun als ein «Make-America-Great-Again-Basecap auf Rädern» angesehen wird, ist das ein Problem für die Marke.
Denn die Menschen, die nun auf Musks Seite stehen, setzen stereotypisch eher auf PS-starke Pick-up-Trucks und SUVs. Und anders als vor ein paar Jahren gibt es inzwischen sehr passable Elektroautos von Herstellern, deren CEOs nicht auf Social Media potenzielle Kund*innen beleidigen.
Viel stärkerer Absturz als andere Unternehmen
Trotz alledem will Musk keinen Zusammenhang zwischen seinem Verhalten auf Twitter und den Problemen mit der Tesla-Aktie sehen. Er macht vor allem «makroökonomische» Trends für den Absturz verantwortlich, doch das ist nur die halbe Wahrheit.
Zwar war 2022 generell ein schlechtes Jahr für die Aktienmärkte, Teslas Absturz ist allerdings einzigartig unter Grossunternehmen. Der S&P 500-Index der grössten amerikanischen Unternehmen gab dieses Jahr etwa nur rund 20 Prozent ab.
Investor*innen verlangen Klarheit
Tesla hat tatsächlich einige Probleme, die nicht direkt auf Musk zurückzuführen sind. So herrscht in der Gigafactory in Shanghai seit Heiligabend ein Produktionsstopp — zu viele Mitarbeiter*innen sind an Covid-19 erkrankt. Das gab dem Kurs vor allem in den letzten Tagen noch zusätzlich auf den Deckel.
Aber gerade in solchen Zeiten verlangen Investor*innen nun, dass Musk entweder seiner Aufmerksamkeit wieder voll und ganz Tesla widmet und seine Twitter-Ausbrüche einstellt oder sich alternativ aus der aktiven Unternehmensführung zurückzieht, um Schaden von der Marke abzuwenden.
«Musk erscheint so, als würde am Steuer eingeschlafen sein […] Investor*innen brauchen einen CEO, der uns durch den Wirbelsturm navigiert», schreibt etwa der Analyst Dan Ives der Investmentfirma Wedbush. Und Tech-Investor Gene Muster von Loop Ventures fügte hinzu: «Historisch schwing Musk zwischen Genie und Wahnsinn hin und her. Jetzt ist er bei Wahnsinn, bei mehr als Wahnsinn.»