Google Maps und TinderSo wird Putins Zensurwand überwunden
Von Dirk Jacquemien
2.3.2022
Um den suboptimalen Kriegsverlauf vor der eigenen Bevölkerung zu verbergen, arbeitet Putins Zensurapparat auf Volllast. Doch es gibt bereits kreative Ansätze, die staatliche Kontrolle zu umgehen.
Von Dirk Jacquemien
02.03.2022, 18:04
02.03.2022, 22:01
Dirk Jacquemien
Der russische Zensurapparat wurde in der letzten Woche massiv ausgebaut und das aus gutem Grund. Denn während die Staatsmedien weiterhin über «Sonderoperationen» mit gezielten Angriffen auf militärische Ziele reden, wird bei den wenigen verbliebenen unabhängigen Medien und auf Social Media das wahre Gesicht des Krieges deutlich.
Dort sieht man die Bilder von bombardierten Wohnhäusern, toten Zivilisten und verlassenen oder zerstörten russischen Panzern, die Wladimir Putin seiner eigenen Bevölkerung gerne vorenthalten möchte. Daher wurden etwa die unabhängigen Sender Ekho Moskvy und TV Dozhd gesperrt, und Facebook und Twitter so verlangsamt, dass die Nutzung quasi unmöglich ist.
Dennoch ist das Zensurregime in Russland rein technisch bei weitem nicht so elaboriert und fähig wie etwa in China. Und so gibt es einige Mittel und Wege, um die staatliche Kontrolle zu umgehen. Damit sollen vor allem Russ*innen erreicht werden, die sich vielleicht nicht selbstständig auf der Suche nach unabhängigen Informationen machen. Und so gibt plötzlich Nachrichten über den Krieg auf Google Maps und Tinder.
Die Idee verbreitete sich auf Twitter und im Ukraine-Forum auf Reddit: Bewertungen von russischen Restaurants, Regierungsbehörden und Sehenswürdigen auf Google Maps sollten mit Hinweisen zum Krieg versehen werden. «Das Essen ist toll, aber Ihr Anführer tötet unschuldige Menschen in der Ukraine. Stoppt den Krieg» heisst es etwa in einer Restaurant-«Kritik», wie «Mashable» berichtet.
Die Restaurants werden dabei immer mit fünf Sternen bewertet, die Behörden entsprechend nur mit einem Stern. Auch auf der Reiseplattform TripAdvisor wurde die Methode angewandt. Inzwischen zeigen sich allerdings erste Probleme. So wurden viele der Bewertungen von Google und TripAdvisor wieder gelöscht – mutmasslich, weil sie gegen die Bestimmungen über inauthentische Bewertungen verstossen.
Um diese automatischen Löschungen zu umgehen, sollen die Anti-Kriegs-Botschaften in einer Bilddatei eingebaut werden, um den Algorithmen die Arbeit zu erschweren, heisst es auf Reddit. Ausserdem wird dazu aufgerufen, verstärkt auf Yandex Maps, dem heimischen russischen Äquivalent, zu kommentieren.
Auch Dating-Apps wie Tinder werden bereits zweckentfremdet. Zahlenden Nutzer*innen ist es hier möglich, ihren Standort an jeden Ort der Welt zu verlegen und dort nach potenziellen Partner*innen zu suchen. Statt eines Profilbildes solle man hier eine Anti-Kriegs-Botschaft anzeigen.
‼to all @Tinder Gold-Members!Change your location to Moscow or St. Petersburg and load up this pic as your main one!Translation in the comments!Let's tell them the truth about Putin and let's tell them they are brave for protesting against him!‼#tinder#putin#ukraine#russiapic.twitter.com/EznSVjElu5
«Mache dich nicht mitschuldig für diesen Horror. Schweigen ist ein Zeichen für Einverständnis. Ein Präsident ohne Volk ist nichts», heisst es etwa in einer Nachricht, die ein deutscher Nutzer seinen Tinder-Matches mitteilt.