Spannungen um Pelosi-Besuch So wichtig ist Taiwan für die Tech-Branche

Von Dirk Jacquemien

2.8.2022

Geraten Taiwan und TSMC in Schwierigkeiten, wird wohl die gesamte Weltwirtschaft krank.
Geraten Taiwan und TSMC in Schwierigkeiten, wird wohl die gesamte Weltwirtschaft krank.
Getty Images

Ohne Taiwan gäbe es kaum ein modernes Smartphone. Das aktuelle Säbelrassel um die kleine Insel sorgt daher für Unruhe in der Tech-Branche.

Von Dirk Jacquemien

Ob im iPhone oder im Tesla-Auto – in fast allen modernen Produkten stecken Chips aus Taiwan. Die Insel ist unangefochtener Marktführer, wenn es um die Produktion der allgegenwärtigen Halbleiter geht. Vor allem hat Taiwan dies einem Unternehmen zu verdanken, der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC).

Nach einigen Schätzungen ist TSMC für 90 Prozent der Produktion der modernsten Chips verantwortlich. Entsprechend besorgt blickt die globale Tech-Branche auf die aktuellen Spannungen rund um den ankündigten Besuch von US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi auf der von Festland-China als abtrünnige Provinz angesehenen Insel. Zahlreiche führende Tech-Unternehmen, sei es Apple, AMD oder Sony, lassen ihre Chips von TSMC fertigen und vermarkten sie dann unter eigenem Namen.

USA und Europa wollen aufholen

Wenn es um die neuste Produktionstechnik geht, kann allenfalls Samsung noch mit Taiwan mithalten, produziert allerdings in viel geringeren Mengen. Westliche Chiproduktion hinkt dagegen technologisch fast Jahrzehnte zurück. Versuche dies zu ändern, gibt es zuhauf, allerdings mit ungewissem Ausgang.

Erst vergangene Woche unterschrieb US-Präsident Biden den Chips Act, der 52 Milliarden Dollar an Subventionen bereitstellt, mit denen die heimische Chip-Produktion angetrieben werden soll. Eines der erklärten Ziele ist dabei, die «Chip-Unabhängkeit» der USA zu sichern, sollte Taiwan aus irgendwelchen Gründen als Produzent ausfallen. TSMC und das in den letzten Jahren ins technologische Hintertreffen geratene Intel planen infolgedessen neue, State-of-the-Art-Produktionsstätten in den USA.

Im noch weiter hinterherhinkenden Europa sind die Aussichten auf eine baldige Chip-Unabhängigkeit noch düsterer. Ein ähnlich geartetes Subventionsprogramm namens European Chips Act befindet sich bei der EU-Kommission noch in der Planungsphase. Spanien will selbst 12,25 Milliarden Euro in die Hand nehmen, konnte bisher aber weder TSMC noch Samsung — die beiden Unternehmen mit der modernen Produktionstechnik — dafür begeistern, sich im Land anzusiedeln.

TSMC glaubt nicht an chinesische Invasion

Ausgerechnet China holt allerdings langsam aber sicher auf. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass der staatliche Hersteller SMIC erstmals Chips mit 7 nm-Bauweise produziert hat und dies, obwohl das Unternehmen unter US-Sanktionen steht, die den Technologietransfer verbieten.

Westliche Analyst*innen kamen zu dem Schluss, dass die SMIC-Chips fast eine Eins-zu-Eins-Kopie eines TSMC-Designs sind, das dieses seit 2018 herstellt. Verantwortlich für die Errungenschaft ist daher wohl eher Industriespionage statt wirklich eigener Technik-Kompetenz.

Und dass dieser Fortschritt es China nun erlaubt, den abtrünnigen Bruder zu überfallen, glaubt zumindest TSMC-Verwaltungsratschef Mark Liu nicht. Im CNN-Interview am Wochenende sagte er, dass eine chinesische Invasion Taiwans die Produktion seines Unternehmens völlig zum Erliegen bringen würde, auch in denen in Festland-China gelegenen Fabriken. Ein so komplexes Zusammenspiel zwischen Fachkräften, Zulieferungen und Rohstoffen könnte bei einer gewaltsamen Übernahme nicht weiter funktionieren.

Die TSMC-Fabrik in Nanjing in Festland-China sind angemessen futuristisch aus.
Die TSMC-Fabrik in Nanjing in Festland-China sind angemessen futuristisch aus.
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Hat Taiwan ein Silicium-Schutzschild?

Diese Annahme steckt auch hinter der These von «Silicon Shield», die in Taiwan und in westlichen Thinktanks verbreitet ist. Demnach wäre ein Angriff auf Taiwan ganz unabhängig von einer allfälligen westlichen Reaktion ein wirtschaftliches Desaster für China. Und ohne TSMC-Chips gäbe es auch keine Smartphones oder ähnliches mehr, die in Festland-China zusammengebaut werden können.

Die Produktion von High-Tech-Produkten, die das Rückenmark des chinesischen Aufschwungs der vergangenen Jahrzehnte war, würde zusammenbrechen, die gesamte Wirtschaft in eine schwere Rezession fallen. Das könne sich die Führung um Machthaber XI Jinping, die zudem noch mit den Corona-Auswirkungen und einer Immobilienkrise zu kämpfen hat, trotz aller martialischen Rhetorik zumindest derzeit nicht erlauben, so die These.

Anderseits hat der russische Angriff auf die Ukraine gezeigt, dass in autoritären Staaten nicht immer mit einer rationalen Entscheidungsfindung zu rechnen ist.