Effekt der SanktionenRussland will Chips wie 2003 produzieren
Dirk Jacquemien
20.4.2022
Russland will nach den allumfassenden Sanktionen gegen das Land nun auch selbst Chips produzieren. Es gibt allerdings einiges aufzuholen.
Dirk Jacquemien
20.04.2022, 18:05
20.04.2022, 19:41
Dirk Jacquemien
Die nach dem von Russland gegen die Ukraine entfesselten Angriffskrieg verhängten westlichen Sanktionen haben das Land fest vollständig von moderner Technologie abgeschnitten. Selbst chinesische Tech-Unternehmen wie Huawei oder ZTE schränken ihre Lieferungen nach Russland stark ein, aus Angst, selbst von den Sanktionen getroffen zu werden.
Daher versucht Russland jetzt autark bei Produktion von Halbleitern oder Chips zu werden, die für quasi jedes technisierte Produkt benötigt werden. Die Chip-Produktion wird von amerikanischen, südkoreanischen und taiwanischen Firmen dominiert, mit vereinzelten Herstellern in der zweiten Reihe, die in Japan, China und Europa sitzen.
Eine Chip-Produktion von Grund auf hochzuziehen ist eine monumental schwere Aufgabe. Der neueste Stand der Technik ist dabei der 5 Nanometer-Prozess, den etwa Marktführer TSMC bei der Fertigung der A15-Chips fürs Apples iPhone verwendet.
Russland plant nun, bis Ende Jahr mit der Fertigung im 90-Nanometer-Prozess zu beginnen. Die ersten Chips mit dieser Bauweise kamen 2003 auf den Markt, Russland wäre damit also fast zwanzig Jahre hinter der aktuellen Technik.
International konkurrenzfähige Computer oder Smartphones wird Russland damit natürlich nicht herstellen können. Doch Halbleiter werden auch in vielen anderen Geräten verwendet, wie beispielsweise Waffen. Zur Steuerung eines Lenkflugkörpers wären auch solche veraltete Chips wohl ausreichend.
Sicherzustellen selbst zukünftig noch Waffen herstellen zu können, dürfte denn auch die Hauptmotivation für die Verfolgung einer eigenen Halbleiterfertigung sein. Bis 2030 will Russland dann in den 28-Nanometer-Prozess (Technik von 2011) einsteigen. 3,19 Billionen Rubel (derzeit 37 Milliarden Franken) sollen dafür investiert werden.
Ob selbst diese bescheidenen Ambitionen realisiert werden, ist derzeit noch völlig offen. Russland wird zweifellos Probleme mit dem Import von für die Produktion notwendigen Gerätschaften sowie der Gewinnung der nötigen Fachkräfte Probleme bekommen.
Mariupol ist zentral für die Chip-Industrie
Problematisch ist der russische Angriffskrieg allerdings auch für die Chipproduktion im Rest der Welt. Denn die bei der Fertigung von Halbleitern verwendeten Laser benötigen das Edelgas Neon.
Dieses wird hauptsächlich als Nebenprodukt bei der Herstellung von Stahl gewonnen. Knapp die Hälfte des weltweiten Neons wurden bisher in der Ukraine produziert, grösstenteils im gefährlich nahe an der Frontlinie liegenden Odessa sowie im nun von russischem Bomben völlig zerstörten Mariupol.