Tiktok geht es in Washington an den Kragen. Nun sollen Influencer*innen die Gerontokratie im US-Kongress von einem Verbot der chinesischen Video-App abhalten.
Von Dirk Jacquemien
20.03.2023, 17:33
Dirk Jacquemien
Diese Woche wird es ernst für Tiktok. Am Donnerstag wird CEO Shou Zi Chew vor einem Ausschuss des US-Repräsentantenhauses aussagen. In der Anhörung dürfte Chew ordentlich unter Beschuss geraten. Tiktok hat kaum Freund*innen im Kongress, Bestrebungen für ein gesetzliches Verbot der chinesischen App schreiten voran.
Also setzt Tiktok auf Lobbyismus. Vergangenes Jahr gab es dafür rund 13,5 Millionen Dollar aus, offenbar ohne durchschlagenden Erfolg. Daher sollen nun statt Anwält*innen oder Spin Doctors eine neue Art von Lobbyist*innen den Ruf und das Geschäft retten: Influencer*innen.
Knapp ein Dutzend Tiktok-«Creators», wie alle Social-Media-Firmen ihre profiliertesten Nutzer*innen gern nennen, werden sich auf Unternehmenskosten in Washington breitmachen. Am Mittwoch sollen sie gar eine Medienkonferenz im Kapitol abhalten, berichtet «Politico».
Inwiefern die Influencer*innen die meist schon deutlich angejahrten Abgeordneten direkt beeinflussen können, sei dahingestellt. Vor allem hofft Tiktok aber wohl, auch die Öffentlichkeit zumindest teilweise auf seine Seite ziehen können.
Allein in den USA hat Tiktok inzwischen knapp 150 Millionen Nutzer*innen, also fast die Hälfte der Bevölkerung, wie «NBC News» vermeldet. Tiktok ist damit längst nicht mehr nur eine App für Teenager, wobei der Altersschnitt freilich immer noch deutlich unter dem Bevölkerungsmittel liegt.
Das könnte ein Tiktok-Verbot vor allem für Präsident Biden und seine Demokraten verkomplizieren. Jüngere Menschen wählen eher demokratisch, und einer 19-jährigen College-Studentin zu erzählen, ihre Lieblingsapp sei verboten worden, weil man sie vor chinesisch-kommunistischer Spionage und Propaganda schützen wolle, dürfte auf wenig Verständnis stossen.
Obwohl es also in der politischen Klasse der USA einen breiten Konsens gegen Tiktok gibt, ist für den chinesischen Anbieter noch nicht alles verloren. Wenn es den Influencer*innen dann noch gelingt, darzulegen, welchen Beitrag der neueste Tiktok-Trend zum Bruttoinlandprodukt leistet, könnte sich die App noch einmal retten.