Langzeit-Kritik2'000 Stunden Spielzeit und immer noch Durchschnitt
Martin Abgottspon
16.4.2019
Wenn man in eine Tätigkeit mehr als 2'000 Stunden investiert, sollte der Effekt doch eigentlich klar erkennbar sein. Bei mir und «League of Legends» ist das nicht so. Ans Aufhören denke ich trotzdem nicht.
Ich hätte 335 Bücher lesen können über die letzten Jahre. Oder 8'127 Kilomenter spazieren gehen. Das rechnet mir die Webseite «wol.gg» vor. Stattdessen verbrachte ich 2'032 Stunden mit dem MOBA-Spiel «League of Legends».
Zuvor hatte mich «World of Warcraft» fest in seinen Fängen. Total waren es wahrscheinlich ähnlich viele Stunden, die ich in Azeroth verbracht habe. Und trotzdem hat das Spiel mich überraschenderweise von einem Tag auf den anderen plötzlich kalt gelassen. Ich habe damals wohl eine Art «Game Over» erreicht, indem ich ein selbstdefiniertes Ziel endlich erreicht hatte.
Es steckt so viel dahinter
Leer machte ich mich danach auf die Suche nach einem Spiel, das mich ähnlich fesseln könnte. Alle fielen sie durch, bis einer aus unserer kleinen Zocker-Gruppe auf die Idee kam, einmal «League of Legends» auszuprobieren. Ich schaute mir einige Videos an, und alles was ich sah, war das komplette Chaos. Eine Art «Warcraft 3», aber nur mit einer Figur ... – wie soll das Spass machen?
Damals lief die dritte Saison in «League of Legends», und ich rang mich auch etwas aus dem Gruppendruck heraus durch, dem Spiel doch eine Chance zu geben. Der Einstieg war relativ simpel, und da man die ersten Matches nur gegen einfache Computergegner spielt, stellten sich auch im Handumdrehen die ersten Erfolge ein. Als wir dann ab Level 5 gegen menschliche Spieler in die Schlacht zogen, wurden wir aber ebenso schnell wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Ich stellte fest, dass sehr viel mehr hinter «League of Legends» steckt, als die vier Fähigkeiten seines Helden im richtigen Moment einzusetzen. Wie generiere ich möglichst viel Gold? Welche Items kaufe ich mir? Welche Beschwörerzauber nehme ich mit? Und was hat es überhaupt mit dem «Warding» auf sich, von dem alle sprechen?
Also ackerte ich mich durch zahlreiche Guides, schaute die Streams der Profis und teilte mein Wissen mit anderen Neulingen, indem wir eine eigene Webseite mit Tipps, Tricks und News lancierten.
Irgendwie masochistisch?
Ein Lernprozess, der bis heute anhält. Gewisse Leute halten es schon für verrückt, dass ich jeden der momentan 143 Champions im Spiel ausgehend von einem Bild benennen kann. Ich ärgere mich darüber, dass ich bis heute nicht alle Fähigkeiten dieser Helden kenne.
Doch genau das macht den Reiz von «League of Legends» auch irgendwie aus. Ständige Neuerungen, Änderungen und Balanceanpassungen geben dem Spiel immer wieder eine spezielle Frische und eine neue Herausforderung. Bis ich nur schon mit einem Helden einigermassen vertraut bin, vergehen Wochen. Und da ich jemand bin, der auch immer wieder gern neue Rollen und neue Champions ausprobiert und dabei gleichzeitig durch ein Tal der Tränen geht, habe ich es bis heute nie über die Gold-Elo hinausgeschafft.
Nicht bloss Unterhaltung
Erprobte «League of Legends»-Spieler mögen sich nun allmählich fragen, warum ich kein Wort über die «toxische» Community verliere. Nun gut. Auch ich bin während meinen 2'032 Stunden so manchem wirklich frustrierten Spieler begegnet. Ich musste Beleidigungen und Drohungen einstecken, die nicht druckreif sind und habe ab und an auch selber ausgeteilt. «Du bist nicht mehr du selbst, wenn du dieses Spiel spelst», musste ich mir sagen lassen, was mich immer wieder ein bisschen an den Typen aus der Snickers-Werbung erinnert und mich gleichzeitig nachdenklich gemacht hat.
Mein Ärger und Frust galt aber nie jemand anderem, sondern nur mir selbst oder unserer Gesamtleistung als Team. Ich kann guten Gewissens sagen, dass ich in all den Jahren nicht einmal jemanden beleidigt habe – und insofern doch das Gefühl habe, ich selber zu sein.
«League of Legends» ist eine Achterbahn der Gefühle. Im Positiven wie im Negativen. Und hier liegt wohl auch das Erfolgsrezept des eSports-Giganten. «League of Legends» spielt man nicht bloss, um ein wenig die Zeit totzuschlagen und sich zu verweilen. Hier ist stets die geballte Ladung Emotionen dabei.
Zu den besten Spielern werde ich trotz meines inzwischen ausgeprägten Theoriewissens wohl nie aufsteigen. Dass ich deswegen keine 335 Bücher gelesen habe, bereue ich aber nicht. Denn insbesondere die wöchentlichen Spieleabende mit Freunden, wo gealbert, gelacht und über Gott und die Welt philosophiert wird, möchte ich niemals missen.
Gaming der Superlative: Die schrägsten Spiele-Rekorde
Das «Guinness Buch der Rekorde» sammelt Jahr für Jahr die schrillsten Superlative. Ein eigener Sonderband widmet sich nun den Meisterleistungen und Verrücktheiten aus digitalen Spielwelten: «Guinness World Records Gamer's Edition 2019». Die überraschendsten und spektakulärsten Gaming-Rekorde sind in dieser Bildergalerie zu sehen.
Bild: Ravensburger/Guinness Book Of World Records
Beim Kampf um den Titel «Bester Fussballer des Planeten» sind Lionel Messi und Cristiano Ronaldo ewige Rivalen. In der virtuellen Welt ist die Sachlage eindeutiger: Da hat Messi die Nase vorn. Der Argentinier ziert die Cover von zehn Fussball-Simulationen der «FIFA»-Reihe und des Mitbewerbers «Pro Evolution Soccer». Rekord! Auf dem aktuellen «FIFA 19» ist jedoch CR7 verewigt ...
Bild: Clive Mason/Getty Images
Der Überraschungserfolg «Player Unknown's Battleground» findet sich gleich mehrmals im «Guinness Buch der Gaming-Rekorde» wieder. Das Ballerspiel schaffte, was zuvor keinem Early-Access-Titel gelang: Schon nach 16 Tagen knackte es die Bestmarke für die schnellsten 1-Million-Steam-Verkäufe. Ausserdem war es nach 79 Tagen das Steam-Early-Access-Spiel, das am schnellsten 100 Millionen Dollar umsetzte.
Bild: PUBG Corporation
Damit nicht genug: «Player Unknown's Battleground», kurz «PUBG», stellte schon während der Entwicklungsphase Rekorde auf: Mit 26,8 Millionen Verkäufen war es 2017 der erfolgreichste digital vertriebene PC-Titel. Zudem war «PUBG» das erste Spiel mit über drei Millionen gleichzeitig aktiven Spielern auf der Plattform Steam.
Bild: PUBG Corporation
Geld verdienen mit Daddeln - in Korea wurde dieser Spielertraum schon vor langer Zeit wahr, ehe der Westen beim eSport nachzog. Mittlerweile ist der Berliner Kuro «KuroKy» Salehi Takhasomi der bestverdienende Gaming-Profi der Welt. Er gewann bisher insgesamt über 3,3 Millionen Franken in «Dota 2» und dem Vorgänger «Defense Of The Ancients».
Bild: Valve
Rund 124.000 Follower sind eine Hausnummer. Insbesondere wenn der Twitter-Account keinem realen Menschen gehört, sondern einem fiktiven Charakter. Diese stolze Zahl macht den sympathischen Roboter Claptrap aus der «Borderlands»-Reihe zum Videospiel-Charakter mit den meisten Followern auf Twitter.
Bild: 2K Games
Im Herbst 2012 wandte sich «Wing Commander»-Erfinder Chris Roberts und sein Studio Cloud Imperium Games an die Zocker-Community - mit der Hoffnung auf finanzielle Unterstützung für das (über)ambitionierte Projekt «Star Citizen». Das Ergebnis ist Crowdfunding-Geschichte: Bis zum März 2018 sammelte die Weltraum-Simulation 170 Millionen Franken von fast zwei Millionen Fans ein. Das macht «Star Citizen» ...
Bild: Cloud Imperium Games
... nicht nur zum erfolgreichsten Crowdfunding-Videospiel, sondern auch zum erfolgreichsten Crowdfunding-Projekt überhaupt. Mittlerweile sind es übrigens fast 200 Millionen Dollar. Nur das Spiel ist noch weit von seiner Fertigstellung entfernt - und könnte bösen Zungen zufolge auch der grösste Flop der Gaming-Geschichte werden.
Bild: Cloud Imperium Games
Am 21. April 2018 schauten 667'000 Fans einem Twitch-Streamer bei neun «Fortnite Battle Royale»-Matches zu. Damit brach «Ninja» alias Richard Tyler Blevins seinen eigenen Rekord in der Kategorie «Die meisten gleichzeitigen Twitch-Stream-Zuschauer einer Einzelperson». Der überraschend gut sichtbare «Ninja» hält zudem einen weiteren wichtigen Gamer-Rekord: Sein Twitch-Kanal hat aktuell mit 5,1 Millionen die meisten Follower.
Bild: Epic Games
Kleiner Bildschirm, grosser Erfolg: Den Hype um «Pokémon GO» belegte am eindrucksvollsten ein Event im Grant Park in Chicago: Die Tickets für das «Pokémon GO»-Fest waren nach wenigen Minuten ausverkauft. Rund 20'000 Mobile Gamer versammelten sich schliesslich im Park. Das sicherte den Veranstaltern den Rekord in der Kategorie «Grösste Besucherzahl eines Mobile Game Events».
Bild: Treasured Moments Photography
Die im Februar 2016 erschienene «Spotlight Edition» des Zombie-Games «Dying Light» und seiner Erweiterung «The Following» kostete rekordträchtige 8,1 Millionen Euro. Neben vier vom Entwicklerteam signierten Spielen beinhaltete diese eine Nebenrolle in der geplanten Verfilmung - inklusive Schauspielunterricht und Stuntman-Training sowie Kino-Tour mit Flügen und Unterkunft.
Bild: Warner Games
Was Arnold Schwarzenegger («Conan») in einem Videospiel-Rekord zu suchen hat? Tatsächlich ist der österreichische Hollywood-Star der Schauspieler mit den meisten Auftritten in den Spieleumsetzungen von Filmen. Bis September 2017 wurden 13 von Arnies Filmcharakteren zu Gaming-Helden.
Bild: Concorde
Nicht nur im Kino tragen Soundtracks massgeblich zur Atmosphäre bei: Wenn man Spotify als Beliebtheits-Indikator heranzieht, ist «The Witcher 3: Wild Hunt» der populärste Soundtrack von allen. Keine andere Spiele-Musik wurde häufiger bei dem Streaming-Dienst gehört.
Bild: Bandai Namco Games
Der Informatiker Dr. Thomas Tilley (Mitte) erweckte 2017 seine Kindheitserinnerungen an die Nintendo Game & Watch auf skurrile Art zum Leben, indem er aus Bauteilen wie dem Familienfernseher und den goldenen Vorhängen seiner Schwiegermutter eine XXL-Version erschuf. Das Ergebnis ist ein Weltrekord - für die grösste spielbare Game & Watch-Konsole der Welt inklusive emulierten Spiel «Octopus».
Bild: Ravensburger/Guinness Book Of World Records
Eine beispiellose digitale Ikone ist die Nintendo-Figur Super Mario. Er hält den Rekord für die meisten Auftritte eines Spielcharakters: Bisher trat der schnauzbärtige Spring-ins-Feld in sage und schreibe in 215 Spielen auf - und dabei sind die Neuauflagen alter Titel noch nicht einmal mit eingerechnet!
Bild: Nintendo
First Person Shooter, kurz FPS, stehen unter erwachsenen Gamern hoch im Kurs. Der Klassenprimus ist die «Call Of Duty»-Reihe. Seit ihrem Debüt 2003 wurden die Ableger bis heute über 276,25 Millionen Mal verkauft. Auch unter den Top 10 der meistverkauften Shooter aller Zeiten sind sechs Titel aus der «CoD»-Reihe zu finden.
Bild: ActivisionBlizzard
Twitch, Facebook, Instagram, Twitter - Gamer Fernanfloo ist bei allen Social Media-Plattformen aktiv. Rekordhalter ist er allerdings bei YouTube: als Broadcaster des Gaming-Kanals mit den meisten Abonnenten. Über 27,4 Millionen User schauen dem Gamer gern beim Gamen zu.
Bild: Fernanfloo / Twitch
Es gibt zwar keinen offiziellen Rekord für die merkwürdigsten Rekorde, aber er wäre sicherlich der Spitzenreiter: Der Brite Dan White (auf YouTube bekannt als «Silentc0re») sammelt schräge Bestleistungen wie «Die meisten gefesselten NPCs in 'Red Dead Redemption' in drei Minuten» (16 Figuren per Lasso) sowie die schnellste Reitzeit von Dixon Crossing nach Gaptooth Ridge auf einem Maultier (11:07 Minuten).
Bild: Ravensburger/Guinness Book Of World Records
«User Generated Content» (UCG), also von Nutzern für Nutzer erzeugte Inhalte, sind eine Win-Win-Situation: Gamer dürfen sich kreativ austoben. Und die Hersteller sparen Entwicklungskosten. Ein Meilenstein war die Lebenssimulation «Spore», die den Spielern erlaubte, individuelle Fabelwesen zu erschaffen. 190'130'484 Kreaturen bastelte die Online-Community, was «Spore» zum Rekordhalter im UCG-Bereich macht.
Bild: EA
«Cuphead» wandelt spielerisch auf den Spuren von Baller-Klassikern wie «Contra» und «Mega Man» und wollte ursprünglich mit der höchsten Anzahl von Boss-Gegnern ins Guinness-Buch der Rekorde. Letztlich hats mit der Anzahl der handgezeichneten Animationen geklappt: Das Studio schätzt, für «Cuphead» rund 45'000 einzelne Bewegungsphasen angefertigt zu haben.
Bild: Studio MDHR Entertainment
Was ist die meistverkaufte Spielekonsole der Welt? Die PS2! Die im März 2000 zuerst in Japan erschienene Konsole verkaufte sich bislang 157,68 Millionen Mal. Auf Platz zwei folgt der Nintendo DS (154,9 Millionen) und auf Rang drei der Game Boy (118,69 Millionen).
Bild: Sony
Der rekordverdächtige Sonderband «Guinness World Records 2019 Gamer's Edition» (Ravensburger) ist am Puls der Zeit: Mobile Gaming, E-Sport, PC, Konsolen, Virtual Reality, Speedruns - kein Gaming-Thema und kein Genre werden vergessen in der 216 Seiten dicken Sammlung der digitalen Superlative. Neben den unglaublichsten Rekorden finden Gamer auch Insider-Infos, Retro-Wissen und Interviews mit Berühmtheiten aus der Szene.
Erstes Spiel: Monkey Island Ich spiele gerade: Anno 1800 ...und freue mich auf: Cyberpunk 2077 Lieblingszitat: «The right man in the wrong place can make all the difference in the world» (Halflife 2)