Mit einem Griff in die Portokasse wurde Elon Musk zum grössten Einzelaktionär von Twitter. Was hat der profilierteste Nutzer des sozialen Netzwerkes nun mit ihm vor?
Von Dirk Jacquemien
05.04.2022, 12:51
05.04.2022, 15:13
Dirk Jacquemien
Der reichste Mann der Welt hat knapp 1 Prozent seines Vermögens ausgegeben, um 9,2 Prozent der Anteile an Twitter zu kaufen. Damit ist Elon Musk nun der grösste Einzelaktionär einer Plattform, deren – spätestens seit der Verbannung von Donald Trump – profiliertester Nutzer er ist.
Und so glaubt fast niemand, dass Musk mit dem Einstieg bei Twitter die typischen Ziele eines Aktieninvestors – das eigene Geld zu vermehren – verfolgt. Musk hat schliesslich bereits 300 Milliarden Dollar, ein paar Hundert Milliönchen hier oder da machen da auch keinen Unterschied. Was also will er?
Bekannt wurde die Investition erst durch eine bei der Höhe des Anteilskaufs gesetzlich verpflichteten Börsenmitteilung. In dieser teilt Musk allerdings mit, dass er ein «passiver Investor» sein werde, der weder einen Sitz im Verwaltungsrat von Twitter anstrebe noch den Kurs des Unternehmens beeinflusse wolle.
Nun passen die Wörter «passiv» und «Musk» schlicht nicht zusammen. Und auch seine Äusserungen vor und nach dem Anteilskauf deuten darauf hin, dass er sich unmittelbar ins Geschäft von Twitter involvieren und dieses nach seinen Vorstellungen prägen möchte.
So lässt er derzeit seine Follower darüber abstimmen, ob sich Tweets auch nachträglich bearbeiten lassen sollen. Dieses Feature wird seit Jahren von einer breiten Mehrheit der Nutzerschaft verlangt, entsprechend eindeutig sind die Ergebnisse der Umfrage.
Deutlich einflussreicher für den künftigen Kurs könnte eine Twitter-Umfrage von Musk vom 25. März sein – bevor das Investment publik wurde, aber als er bereits mit dem Aktienkauf begonnen hatte. Ob Twitter sich noch den Prinzipien der Meinungsfreiheit verschrieben habe, wollte Musk wissen. 70 Prozent seiner Follower sagten nein. Die Konsequenzen dieser Umfrage seien «wichtig», ergänzte Musk noch ominös.
The consequences of this poll will be important. Please vote carefully.
Musk verkauft sich gern als Meinungsfreiheits-Absolutist, agitiert gegen die vermeintliche Cancel Culture und gegen das, was er als Zensur auf sozialen Medien empfindet. Geht es um Kritik an seinem Unternehmen Tesla, ist es mit Musks Absolutismus allerdings schnell vorbei. Mitarbeiter*innen, die Missstände aufdecken, werden gefeuert, externen Kritiker*innen wird Klage angedroht.
Trend geht zu mehr Moderation
Mit seinen mutmasslichen Ansichten über Meinungsfreiheit auf Twitter stellt sich Musk gegen einen Trend bei sozialen Medien. Plattformen wie Twitter oder Facebook haben in jüngster Zeit ihre Moderation von Inhalten eher verstärkt, nachdem sie zuvor jahrelang kritisiert wurden, weil Fake News oder Hassrede Wildwuchs betrieben.
Ein gewisses Mass an Moderation auf Social-Media-Plattformen ist notwendig für deren wirtschaftlichen Erfolg. Eine Plattform, auf der Nazis an jeder Ecke abhängen, schreckt schliesslich normale Nutzer*innen und Werbekunden ab.
Folgt die komplette Übernahme?
Sollte Musk nun also auf eine Lockerung der Moderationsrichtlinien bei Twitter drängen, dürfte das die anderen Aktionär*innen nicht in Begeisterungstürme versetzen. Denn sie wollen wahrscheinlich mit ihrer Investition vor allem Geld verdienen.
Für tiefgreifende Änderungen an Twitter müsste Musk seine Anteile also deutlich aufstocken. Die Mittel dazu hat er freilich, eine Komplettübernahme Twitters würde Musk finanziell in etwa so belasten wie den Durchschnittsmenschen den Kauf einer Modelleisenbahn-Anlage.