Zweiter FrühlingVom Charmeur zum Charakterdarsteller: Hugh Grant wird 60
Philip Dethlefs, dpa
9.9.2020
Lange wurde Hugh Grant auf den sympathischen Junggesellen in romantischen Komödien reduziert. Jetzt, mit 60 Jahren, erlebt der britische Schauspieler einen zweiten Karrierefrühling.
In der zynischen Gangsterkomödie «The Gentlemen» ist Hugh Grant kaum wiederzuerkennen. Als schmieriger und skrupelloser Privatdetektiv Fletcher – mit Henriquatre-Bart, Rollkragenpulli und Lederjacke – versucht er einen Drogenbaron zu erpressen und droht, dessen Privatleben an die Presse zu geben.
Grant brilliert in der Rolle, die nichts mehr gemein hat mit dem sympathischen Typen, den er in seinen grossen Kinoerfolgen spielte. Von diesem Image hat sich der britische Schauspieler, der heute 60 Jahre alt wird, verabschiedet.
Die erste Wahl für Romanzen
Wenn in den 90er- und 2000er-Jahren ein gut aussehender Darsteller für eine romantische Komödie gesucht wurde, war Grant erste Wahl. «Four Weddings and a Funeral», «Notting Hill» oder «Bridget Jones» waren Kassenschlager, in denen der Brite mit charmantem Lächeln und prächtigem Haar die Frauenherzen eroberte.
Dass er anders kann, zeigte er im gefloppten Thriller «Extrem... mit allen Mitteln» oder der hochgelobten Verfilmung des Nick-Hornby-Romans «About A Boy». Doch die breite Anerkennung als Schauspieler blieb aus.
Hugh John Mungo Grant wurde am 9. September 1960 im Londoner Stadtteil Hammersmith geboren. In seiner Schulzeit spielte er Rugby, Cricket und Fussball. Die Schauspielerei kam erst später. Mit einem Stipendium ging es an die renommierte Universität Oxford, wo Grant Anglistik studierte. An der Uni spielte er Theater, zunächst nur als Hobby. Das brachte ihm 1982 seine erste Filmrolle ein.
«Ich hatte kein Interesse mehr an der Schauspielerei»
Danach schlug sich Grant mit verschiedenen Jobs durch. Er arbeitete als Platzwart-Assistent beim Fussballverein FC Fulham, dessen Fan er bist heute ist, schrieb Sketche für TV-Sendungen und produzierte Radio-Werbung. «Ich war sehr glücklich damit, ich hatte kein Interesse mehr an der Schauspielerei», verriet er 2018 im Interview des «GQ»-Magazins. Als ein Angebot für das Drama «Maurice» (1987) kam, musste ihn sein älterer Bruder zu der Rolle überreden.
Es folgten mehrere unbedeutende und einige namhaftere Filme, darunter Roman Polanskis «Bitter Moon» und James Ivorys «Was vom Tage übrig blieb», in dem Grant neben Anthony Hopkins und Emma Thompson zu sehen war. Der Durchbruch kam 1994. «Vier Hochzeiten und ein Todesfall» machte den Briten über Nacht zum Star – mit allen Schattenseiten.
Dass er das Image aus dem Überraschungshit nicht loswerden konnte und die Leute ihn auch privat für diese Person hielten, sei zum Teil auch seine eigene Schuld, räumte Grant ein. «Als der Film ein Erfolg war, hab ich das wohl unterschwellig in andere Rollen einfliessen lassen», sagte er im «GQ»-Interview. «Und das war ein grosser Fehler.»
Viel schlimmer war, dass sein Privatleben nun in der berüchtigten britischen Klatschpresse breitgetreten wurde. Nach einem Einbruch bei Grant landeten Fotos aus seinem Zuhause in der Zeitung. Obendrein war er eines der Opfer des britischen Abhörskandals, der 2011 das Ende der Zeitung «News Of The World» besiegelte. Jahrelang hatten Reporter die Mobiltelefone von Prominenten, Royals und Politikern abgehört. Grant, der mehrfach gegen die Presse vor Gericht zog, engagiert sich heute aktiv für Privatsphäre und eine faire Berichterstattung.
Peinlicher Fehltritt
Seine Kollegin Elizabeth Hurley und er galten lange als britisches Glamourpaar. 13 Jahre waren die beiden liiert, noch heute sind sie eng befreundet. Hurley vergab Grant auch seinen peinlichen Fehltritt. 1995 wurde er in Los Angeles verhaftet, als ihn die Polizei mit einer Prostituierten im Auto erwischte. Kurz darauf gab sich der Brite in der US-Talkshow von Jay Leno reuig. «Man weiss im Leben, was gut und was schlecht ist», sagte er, «und ich hab etwas Schlechtes getan.»
Sein Privatleben bot der Presse auch später genug Stoff. Mit 51 wurde Grant zum ersten Mal Vater. Aus der Beziehung mit der 19 Jahre jüngeren Hotelfachfrau Tinglan Hong ging 2011 seine erste Tochter hervor. Im Jahr darauf bekam er einen Sohn mit der schwedischen Fernsehproduzentin Anna Eberstein. Nur drei Monate später brachte wiederum Hong Grants drittes Kind zur Welt. Auch Eberstein bekam noch zwei weitere Kinder von ihm, seit 2018 ist er mit ihr verheiratet.
Die Kinder hätten ihn zu einem angenehmeren Menschen gemacht, sagte Grant dem US-Magazin «Vanity Fair». Es sei sogar möglich, «dass ich durch die Kinder als Schauspieler besser geworden bin». Zumindest erlebte seine Filmkarriere seitdem eine erstaunliche Renaissance.
Mehr als nur romantische Komödien
Zu verdanken hat er das auch Regisseur Stephen Frears («Die Queen»), der ihn für die Komödie «Florence Foster Jenkins» rekrutierte. Darin glänzte Hugh Grant – und das muss man erstmal schaffen – an der Seite von Meryl Streep. In «Paddington 2» mimte er selbstironisch einen abgehalfterten Schauspieler, der nun mit Werbung sein Geld verdienen muss. Kritiker, die früher kein gutes Haar an Grant liessen, äusserten sich auf einmal begeistert.
Dann gab ihm Frears die Hauptrolle in «A Very British Scandal». In der TV-Miniserie nach einem wahren Fall aus den 1970er-Jahren überzeugte er als homosexueller Politiker Jeremy Thorpe, der seinen heimlichen Ex-Liebhaber ermorden lassen wollte. Das brachte Grant Nominierungen für den Emmy und den Golden Globe ein. Auf romantische Komödien wird er heute nicht mehr reduziert. Hugh Grant ist ein Charakterdarsteller geworden, dem man jede Rolle zutraut.