Bärendienst des US-PräsidentenKostet Bidens «Müll»-Äusserung Harris den Sieg?
AFP/SDA/dpa/tpfi
30.10.2024
Hat Präsident Biden Anhänger Trumps als Müll bezeichnet? Das Weisse Haus betont, der Präsident sei falsch verstanden worden. Auf der Trump-Seite baut sich derweil Empörung auf.
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30.10.2024, 23:21
30.10.2024, 23:55
Philipp Fischer
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Zeitweise schien es, als könne der geschmacklose Scherz eines Gastredners Donald Trump den Wahlkampf-Endspurt vermiesen.
Dann reagiert Joe Biden darauf – und plötzlich ist die Geschichte eine andere.
Biden versucht seine Aussage zu beschwichtigen – Kamala Harris deutlich auf Distanz zu Biden
Joe Biden ist für seine rhetorischen Fehltritte berüchtigt – wenige Tage vor der US-Präsidentschaftswahl hat sich der 81-jährige Präsident einen weiteren Fauxpas geleistet, indem er die Anhänger Donald Trumps anscheinend als «Müll» bezeichnete. Der Kampagne seiner Vizepräsidentin Kamala Harris hat er damit einen Bärendienst erwiesen. Das Trump-Lager schlachtete die Äusserungen des scheidenden Amtsinhabers sofort genüsslich aus.
Dem offiziellen Transkript des Weissen Hauses zufolge bezeichnete Biden aber nicht die Anhänger selbst als Müll, sondern die «Dämonisierung von Latinos» durch die Anhänger. Auch Biden selbst teilte wenig später auf der Online-Plattform X mit, er habe die Rhetorik gemeint. «Seine Dämonisierung von Latinos ist skrupellos. Das ist alles, was ich sagen wollte.» Der Trump-Vertraute, Tech-Milliardäre Elon Musk, schrieb dennoch, Biden habe halb Amerika «Müll» genannt.
Earlier today I referred to the hateful rhetoric about Puerto Rico spewed by Trump's supporter at his Madison Square Garden rally as garbage—which is the only word I can think of to describe it. His demonization of Latinos is unconscionable. That's all I meant to say. The…
Dabei war Rechtspopulist Trump eigentlich in der Defensive, nachdem ein Comedian auf seiner New Yorker Kundgebung Puerto Rico als «Insel aus Müll» verhöhnt hatte. Die Empörung in der Latino-Gemeinde war gross. Dann kam Biden und nahm in einem Gespräch mit der Organisation VotoLatino Bezug auf die rassistische Entgleisung: «Der einzige Müll, den ich da draussen sehe, sind seine Unterstützer.»
Beschwichtigung aus dem Weissen Haus
Das Weisse Haus versuchte umgehend, die Wahlkampfbombe aus der Welt zu schaffen, und erklärte, der Präsident habe sich ausschliesslich auf die «hasserfüllte Rhetorik» des Comedian bezogen – keinesfalls auf Trumps Anhänger.
US-Wahlen 2024 im Fokus
Amerika wählt am 05. November einen neuen Präsidenten. Aber nicht nur der Präsident, sondern auch 35 Senatssitze, das komplette Repräsentantenhaus sowie elf Gouverneure werden neu gewählt. blue News begleitet die heisse Phase des Duells um das Weisse Haus nicht nur mit dem Blick aus der Schweiz, sondern auch mit Berichten direkt aus den USA.
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Aber da hatte der Bumerang-Effekt schon eingesetzt: «Schrecklich, schrecklich – schrecklich, so eine Sache zu sagen», sagte Trump. Der Ex-Präsident verglich die Äusserung mit dem berüchtigten Kommentar von Hillary Clinton, die bei der Wahl 2016 gegen ihn verloren hatte. Clinton hatte damals gesagt, die Hälfte der Unterstützer Trumps seien «deplorables» (Beklagenswerte). «Müll ist schlimmer, denke ich, oder?», sagte Trump.
Gefundenes Fressen
Auch Vizekandidat J.D. Vance sprang sofort darauf an: «Kamala Harris und Joe Biden sollten sich schämen», schrieb Vance auf X. Für Trump und sein Wahlkampfteam dürfte der Eklat ein gefundenes Fressen sein – denn sie könnten damit einer Geschichte einen neuen Dreh geben, mit der sie gerade selbst ein Problem haben.
One of Kamala Harris's biggest donors is doubling down on calling half the country "garbage."
Will Kamala and her campaign return his contributions? Or will they continue to insult half of the country for the sin of thinking Kamala Harris isn't good at her job? https://t.co/Fv4g4EANOc
Clintons Äusserung ist im demokratischen Lager in schlechter Erinnerung – es galt als einer der grossen Fehler ihrer Kampagne, der damals zur Niederlage gegen Trump beigetragen hatte.
Harris sah sich am Mittwoch gezwungen, deutlich auf Distanz zu Biden zu gehen. Sie lehne «jede Kritik an Menschen ab, die darauf beruht, wen sie wählen», sagte sie.
"Let me be clear: I strongly disagree with any criticism of people based on who they vote for," Kamala Harris said on Wednesday, trying to separate herself from President Biden after he made remarks that appeared to call Donald Trump's supporters "garbage."https://t.co/XAGuoZNTDh
Auch Demokraten distanzierten sich von Bidens Aussagen. So sagte der Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, dem Fernsehsender CNN, er würde «niemals die guten Menschen von Pennsylvania oder andere Amerikaner beleidigen, selbst wenn sie einen Kandidaten unterstützten, den ich nicht unterstütze».
Der Wirbel um Bidens Äusserung kam für Harris sehr ungelegen – hatte sie sich doch noch am Vorabend auf einer Kundgebung in Washington als künftige Präsidentin aller US-Bürger präsentiert, die das Land einen und die Zerwürfnisse der Vergangenheit überwinden wolle.
Donald Trump has spent a decade trying to keep people divided and afraid of each other. That is who he is.
Der Politikwissenschaftler John Hansen von der Universität Chicago schliesst nicht aus, dass der Biden-Fehltritt Stimmen kosten wird. «Es ist derart eng, dass alles von Bedeutung sein kann», sagte er.
Harris geht auf Abstand zu Biden
Biden, der Trump vor vier Jahren geschlagen hatte, wollte ursprünglich selbst noch einmal gegen den Republikaner antreten. Nach einem desaströsen Auftritt im TV-Duell gegen Trump und zunehmender Kritik aus den eigenen Reihen hatte er Ende Juli schliesslich seine Kandidatur aufgegeben, Harris war für ihn ins Rennen eingestiegen.
Anfang der Woche berichteten US-Medien, das Harris-Team gehe angesichts der Risiken mehr und mehr auf Abstand zu Biden. Die Idee, mehr gemeinsame Auftritte zu absolvieren, sei freundlich abgelehnt worden. Bis die Wahl vorüber ist, solle Kamala Harris gemeinsame Auftritte mit Biden vermeiden, sagte der Politikwissenschaftler Larry Sabato von der Universität Virginia. «Biden ist ziemlich unpopulär und ausserdem eingerostet und nicht in Form.»
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