Vor Jahresfrist hat Gregor Deschwanden nach einem guten Saisonstart an der Vierschanzentournee abgebaut. Diesmal wird die Nummer 5 im Gesamtweltcup durchziehen, ist Trainer Martin Künzle überzeugt.
«Dieses Jahr ist Gregor stabiler», betont Künzle, der schon seit Jahrzehnten bei Swiss-Ski unter Vertrag steht und den 33-jährigen Deschwanden seit dessen ersten Flügen als Skispringer kennt. «Vor einem Jahr war es ein Auf und Ab, diesmal ist er immer vorne dabei.» Die Resultate dieser Saison bestätigen die Aussage: Zehn Springen, immer in den Top 11, drei Podestplätze, 5. Zwischenrang im Gesamtweltcup.
Diese Konstanz, so glaubt Künzle, werde Deschwanden vor einem Einbruch an der Tournee bewahren. Vor einem Jahr sei man in den Trainings oft schlecht gestartet und habe es dann auf den Wettkampf hin gerade noch geschafft, die Abstimmung zu finden. «Heuer ist Gregor vom ersten Sprung an vorne dabei», sagt Künzle.
Diesmal keine Weihnachtspause
Der Wettkampf-Kalender mit der Weihnachtspause von bloss drei Tagen spricht ebenfalls für Deschwanden. «Bis und mit der Tournee läuft der normale Wettkampf-Rhythmus. Das erleichtert es, den Drive mitzunehmen», meint Künzle.
Bei längeren Unterbrüchen wie im Vorjahr würden Trainingsblocks eingeschoben, die den Flow unterbrechen. Der nahtlose Übergang erschwert jenen, die noch auf der Formsuche sind, die Aufgabe für die Tournee. Und jene die in Form sind, finden gar nicht die Zeit, um ins Grübeln zu kommen.
Künzle sieht Deschwanden als einen Sportler, der sich hochgearbeitet hat. Auch dieser Fakt spricht für die Beständigkeit in den kommenden Wochen. Erst in der vergangenen Saison ging bei dem in Einsiedeln wohnhaften Luzerner endlich der Knopf auf. «Körperlich war Gregor immer topfit, das Gewicht kein Problem. Technisch und koordinativ hingegen brauchte er einen Reifeprozess», erzählt Künzle und erwähnt auch den Einfluss des Cheftrainers Rune Velta, der im Sommer 2023 die Nachfolge von Ronny Hornschuh antrat.
Velta galt zu seiner Aktivkarriere als Fliegertyp – obwohl er 2015 zu WM-Gold von der Normalschanze in Falun flog. Der Norweger, das sagen sowohl Künzle als auch Deschwanden, habe im Flugteil nochmals Akzente setzen können. Auch dank Sessions im Windkanal erreicht Deschwanden nun in der Flugphase eine leicht höhere Geschwindigkeit. Und dieses Plus trägt ihn eben die entscheidenden paar Meter weiter nach unten.
Auf diese Saison hin hat die FIS für die Sprunganzüge ein neues, umfassendes Reglement eingeführt. Dabei geht es nicht nur um die Grössenmasse, sondern auch um die Anzahl der Anzüge, die Zulassung für den Wettkampf und vieles mehr. Der Effekt: Kleinere Nationen mit einem kleinen Budget sind weniger in Nachteil und es kann auch weniger getrickst werden. «Das neue Reglement hilft uns», betont Künzle.
Karten werden oft neu gemischt
Lange Weihnachtspause oder kurze Pause, in Form oder nicht in Form: Der Blick in die Statistiken zeigt, dass an der Vierschanzentournee die Karten oft neu gemischt werden. Die Liste des Favoritensterbens oder jener der Emporkömmlinge, die kaum einer auf der Rechnung hatte, ist lang. Das weiss auch Künzle, der Simon Ammann in dessen zweiten Hausse trainierte, ihn zu Olympia-Doppelgold führte, an der Tournee aber vergeblich nach dem Gesamtsieg griff.
Nun verfügt das Schweizer Team mit Deschwanden im Vorfeld der Vierschanzentournee über eine derart hohe Trumpfkarte wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Künzle ist überzeugt, dass der Luzerner im Rahmen seiner Möglichkeiten sticht. «Dass Gregor ein sehr guter Skispringer ist, wissen wir Trainer schon lange», sagt Künzle. «Aber Gregor selber hatte manchmal Probleme, daran zu glauben. Jetzt sieht er seit Saisonbeginn, dass er dran ist. Das tut ihm gut.»
Oder wie Deschwanden sagt: «Letztes Jahr war ich etwas verkopft. Dieses Jahr läuft es und ich will jetzt gar nicht zu stark hinterfragen, wieso es läuft.» Klar träume jeder von einem Tourneesieg, meint der Sportler, entschärft die Aussage aber gleich wieder: «Als Nummer 5 bin ich ein Aussenseiter.»