«Sports Awards» Farce oder Fairness? Hingis nicht für die grössten Schweizer Sportlerinnen nominiert 

Von Syl Battistuzzi

3.12.2020

Tennis-Legende Martina Hingis hat einen schwierigen Stand in der Schweizer Sportwelt.
Tennis-Legende Martina Hingis hat einen schwierigen Stand in der Schweizer Sportwelt.
Bild: Keystone

Martina Hingis ist nicht nominiert für «die Besten aus 70 Jahren». Darum machte die «Sports Awards Academy» einen Bogen um die Tennis-Legende.

Aufgrund der Corona-Pandemie kann die Wahl der besten Schweizer Sportler des Jahres nicht wie gewohnt stattfinden. Stattdessen wird am 13. Dezember beim auf SRF übertragenen Gross-Event ein anderer Schwerpunkt gewählt und die Gewinner der Vergangenheit ins Rampenlicht gerückt. Die Idee: Man will die Crème de la Crème der bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger gegeneinander antreten lassen. Da die Verleihung erstmals 1950 durchgeführt wurde, kommen zwangsläufig viele Kandidaten zusammen.

Um die jeweils sechs Nominierten bei den Frauen und Männern herauszufiltern, wurde ein Gremium namens «Sports Awards Academy» gegründet, das 120 Preistragende aus der Vergangenheit umfasst. Diese machten dann die Vorauswahl.

Bei den Männern schafften es Roger Federer, Simon Ammann, Dario Cologna, Werner Günthör, Bernhard Russi und Pirmin Zurbriggen auf die exklusive Liste. Bei den Frauen sind Denise Biellmann, Ariella Kaeslin, Simone Niggli-Luder, Lise-Marie Morerod, Erika Reymond-Hess und Vreni Schneider nominiert.



Die grosse Abwesende

Auch ohne grosses Sportwissen fällt auf, dass bei den Damen doch jemand fehlt: Martina Hingis. Im Alter von 16 Jahren und 9 Monaten gewann sie ihren ersten Grand-Slam-Titel (Wimbledon), vier weitere Major-Triumphe kamen in ihrer erfolgreichen Karriere noch dazu. Die Ostschweizerin mit slowakischen Wurzeln war die jüngste Nummer 1 im Frauentennis und insgesamt 209 Wochen an der Spitze. Dazu holte sie noch dreizehn Grand-Slam-Titel im Doppel und sieben im Mixed – schlicht eine ausserordentliche Leistung in der Weltsportart-Tennis. 

Warum hat also diese Bilanz nicht für eine Nomination gereicht? Ein vierköpfiges Gremium, bestehend aus Vertretern von SRG, Swiss Olympic, der «Athlete’s Commission» von Swiss Olympic und des Verbands der Schweizer Sportjournalisten (Sportpress), hat den (umstrittenen) Entscheid gefällt. Zum Verhängnis wird Hingis eine alte Dopingsperre. 2007 wurde sie positiv auf Kokain getestet, eine zweijährige Sperre war die Folge. Erst 2013 kehrte sie in den Tennis-Zirkus zurück und stellte dort noch bis 2017 ihr grosses Talent unter Beweis.

Martina Hingis hat Tennis-Geschichte geschrieben.
Martina Hingis hat Tennis-Geschichte geschrieben.
Bild: Keystone

Ralph Stöckli, der Schweizer Olympiachef und Mitglied in jenem vierköpfigen Gremium, erklärt gegenüber dem «Tages Anzeiger», warum die frühere Weltsportlerin keinen Platz fand in der Schweizer Bestenliste: «Wir haben 2018 einen Ethikzusatz ins Wahlreglement der Sports Awards aufgenommen. Für die besondere Wahl dieses Jahres wandten wir diesen so an, dass Sportlerinnen und Sportler nicht zur Auswahl stehen, die in ihrer Karriere wegen Dopingvergehen gesperrt wurden. Schweren Herzens, was Martina Hingis betrifft. Im Wissen darum, was sie alles erreicht hat für den Schweizer Sport.»

Trotz grossen Erfolgen in der Schweiz stets aussen vor

René Stammbach, der Präsident von Swiss Tennis, kann diese Haltung gegenüber der Zeitung nicht verstehen: «Hingis wurde in den letzten Jahren mehrmals nominiert, schon längst nach ihrem Dopingfall. Und jetzt wird sie plötzlich wieder geächtet. Das ist völlig inkonsequent.» Es spreche auch gegen die Grundsätze des Schweizer Rechtssystems, wonach man für eine verbüsste Strafe nicht ein zweites Mal bestraft werden solle, hält Stammbach fest.

Martina Hingis, welche im Sommer ihren 40. Geburtstag feierte und inzwischen Mutter einer Tochter wurde, wurde über ihre Nicht-Nomination informiert, will sich aber offenbar nicht weiter dazu äussern.

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Vielleicht weil das einstige Wunderkind schon lange schmerzlich damit leben muss, dass der Prophet im eigenen Land nichts wert ist. Stets schwang bei vielen Schweizer Bürgern – und auch zahlreichen Sportfans – bei ihr eine Skepsis mit, die sich nicht alleine mit ihren sportlichen Leistungen erklären liess. Im Ausland bekam sie nicht nur für ihre kreative Spielweise Respekt, sondern auch weil sie ihre Passion fürs Tennis stets vorlebte und sich nie zu schade war, für ihren Sport rund um den Globus aufzutreten.

Die öffentliche Anerkennung hierzulande fiel hingegen häufig unverständlicherweise sehr spärlich aus: Ein einziges Mal (2007) wurde sie Schweizer Sportlerin des Jahres. An einheimische Magerkost ist «unsere Grösste aller Zeiten» (Blick) also inzwischen sicher gewohnt.

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