Nationaltrainer Andy Schmid zieht nach dem 33:25-Sieg gegen Italien im abschliessenden WM-Spiel im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA Bilanz.
Andy Schmid, Sie sprachen vor dem Spiel gegen Italien davon, dass es gelte, die letzten Zentiliter, die noch im Tank seien, auf den Platz zu bringen. Es war anscheinend noch einiges im Tank.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich selber überrascht bin, wie viel Leidenschaft nochmals alle aufs Feld brachten, wie sie in der Abwehr kämpften, wie sie sich gegenseitig halfen. Lenny (Rubin) ist vorne nochmals vorangegangen, allerdings möchte ich niemanden hervorheben. Das Spiel fasst das ganze Turnier zusammen.
Für Sie war es die erste WM als Trainer. Wie viel Energie hat Sie das Turnier gekostet?
Extrem viel. Es war auch für mich ungewiss, was passiert. Im Zweitages-Rhythmus eine Partie vor- und nachbereiten war für mich eine psychische Belastung, wobei mich die beiden Assistenten enorm unterstützen. Es ist eine ganz andere Beanspruchung wie als Spieler. Ich machte mir 24/7 Gedanken. Von daher bin ich auch mit mir zufrieden, im Wissen, dass ich ein paar Dinge verbessern muss. Ich habe mich vor der WM vielleicht etwas zu stark auf ein Spielkonzept versteift und während den Partien ein, zwei falsche Entscheide getroffen mit Auswechslungen, mit Spielzügen. Jedoch gelang uns definitiv ein grosser Schritt vorwärts mit der Mannschaft, das freut mich extrem. Die Platzierung ist mir ehrlich gesagt nicht so wichtig, sondern der Gesamteindruck, das Leistungsvermögen, die Spielfreude, der Einsatz. Das begeistert mich.
Hand aufs Herz hatten Sie dem Team eine Top-12-Platzierung zugetraut?
Ich machte mir keine grossen Gedanken über die Platzierung, wir wollten einfach unbedingt die Hauptrunde erreichen. Das war für uns ein enorm wichtiger Schritt, umso mehr, als wir nur dank einer Wildcard dabei waren. Ich traue dieser Mannschaft extrem viel zu, aber nur, wenn die Spieler das machen, was sie können und sie auszeichnet und ich ebenfalls meinen Teil dazu beitrage.
Was hat Sie am meisten stolz gemacht?
Die Konstanz über sechs Partien. Wir verbesserten in jedem Spiel gewisse Sachen. Vor dem Turnier redeten wir enorm viel über technische Fehler, von denen wir am Yellow Cup viel zu viele gemacht hatten. Ich sehe, dass das eine Rädchen ins andere greift. Wir sind in unserem Angriffsspiel flexibel und variabel. In der Deckung definieren wir Zielspieler, wo wir die Abschlüsse wollen. Das funktionierte sehr gut, auch weil wir während allen sechs Spielen einen guten Goalie hatten.
Erstaunlich war, wie reif die Mannschaft, notabene die jüngste des Turniers, aufgetreten ist. Das hatte in dieser Form nicht erwartet werden können.
Im Handball passiert enorm viel im Kopf, über das Selbstverständnis, das man hat, wie man mit Fehlern, wie man mit negativen Aktionen umgeht. Wir führen viele Gespräche, um zu spüren, wie sich die Spieler fühlen, in welchen Aktionen sie sich wohlfühlen. Ich versuche ihnen in jeder Situation, ob auf oder neben dem Spielfeld, zur Seite zu stehen, sie zu unterstützen.
Welche Bedeutung hat die grossartige WM für den Schweizer Handball?
Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Es wird nun nicht alles rund laufen in den nächsten Jahren. Doch es ist ein Zeichen, dass wir auf diesem Niveau mithalten können, dass wir mit Mannschaften mithalten können, die weit vor uns klassiert sind. Wir verloren einzig gegen den Olympiasieger (Dänemark/28:39) und den Olympia-Zweiten (Deutschland/29:31). Gegen letzteren waren wir das bessere Team. Es ist fast etwas surreal. Doch wenn ein Hochspringer eine gewisse Höhe überquert, dann wird er immer daran gemessen, das gilt nun auch für uns. Mir ist wichtig, dass wir nun mit beiden Füssen auf dem Boden bleiben.