Von der grössten Arena für den gewaltigsten Sportanlass des Landes bis zu den wohl längsten Öffnungszeiten von Gastrobetrieben: Das am Freitag beginnende Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest in Pratteln BL reiht Superlative an Superlative.
Die Veranstalter des Festes empfehlen den Glücklichen, die einen der 50'900 begehrten Plätze im Stadion ergattern konnten, die Mitnahme eines Feldstechers. Der ist nötig, wenn man wirklich etwas von den Kämpfen auf den sieben mit 245 Kubikmeter Sägemehl bestreuten Plätzen auf der 15'000 Quadratmeter grossen Rasenfläche mitbekommen möchte.
Am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (Esaf) scheint alles grösser, weiter und früher zu sein als sonst überall im Land.
Wo sonst auf der Welt beginnt ein Sportanlass bereits vor 08.00 Uhr morgens? Das ist nötig, damit die 274 Schwinger über ihre Runden kommen. Das Publikum kann sich in den vielen riesigen Festzelten bereits ab 05.30 Uhr mit Speis und traditionsgemäss viel Trank auf den Wettkampftag einstimmen, der dann in ein Unterhaltungsprogramm bis 03.00 Uhr in der Früh des nächsten Tages münden wird. Am letzten Eidgenössischen im Jahr 2019 in Zug sollen 250'000 Liter Bier getrunken worden sein.
Sternchen des Schweizer Schlagerhimmels
Auf dem Festgelände Live zu geniessen sind die Vorzeigesternchen des Schweizer Schlagerhimmels unter anderem Francine Jordi (der Interpretin der Festhymne «Zäme ha, zäme stah") Beatrice Egli, Sarah Jane und der hitparadenstürmende Männerchor Heimweh. Zugang zu den Festbühnen haben alle Festbesucherinnen und -besucher, also nicht nur die zahlenden Zuschauerinnen und Zuschauer aus der Arena.
Erwartet werden in Anlehnung an das letzte Eidgenössische gut 400'000 Menschen.
Und weiter gehts mit den Superlativen: 42 Millionen Franken kostet der drei- oder genauer eigentlich zweieinhalbtägige Anlass. Fast die Hälfte wurde für Infrastrukturbauten benötigt: für die Arena, für deren Auf- und Abbau die Armee rund 4000 Diensttage beiträgt, für temporäre Brückenbauten über einen Bach und Bahngleise und für die Perronverlängerung am Bahnhof Pratteln.
Mit einem Gewicht von knapp einer Tonne dürfte auch die Siegesprämie ihresgleichen suchen. Es handelt sich traditionsgemäss um einen Muni, dieses Jahr einer mit Namen Magnus vom Schönenberg. Ob der Original-Magnus in die Arena einlaufen kann, ist aber noch ungewiss. Er hat sich wegen einer Verletzung am Huf eine Entzündung eingeholt. Aber es steht ein Ersatz-Magnus bereit, der mit vielen weiteren Lebendpreisen beim traditionellen Gabentempel zu bewundern ist.
Apropos Gewicht und Armee: Am Rand des Festgeländes sind massive Betonblöcke aufgereiht. Zehn Tonnen sollen die Blöcke einzeln wiegen. Sie sind nicht zur Terrorabwehr platziert worden. Es handelt sich um eine Panzersperre aus dem Zweiten Weltkrieg, die dem Festgelände Platz machen musste. Und die nach dem Fest wieder schön in Reih und Glied aufgestellt werden wird – handelt es sich doch um ein militärhistorisch wertvolles und erhaltenswertes Relikt.
Multikulti-Ort Pratteln
Der Austragungsort Pratteln entspricht so gar nicht dem Klischee der traditionell ländlichen Schweiz. Statt Alpen türmen sich Chemieanlagen im Hintergrund. 40 Prozent der 17'000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Gemeinde haben kein Schweizerkreuz auf ihrem Pass. Sie stammen aus rund 100 unterschiedlichen Nationen.
Eine Absicht, den urschweizerischen Traditionsanlass mit den Wesensmerkmalen der Gegenwartsschweiz zu konfrontieren, stand aber nicht dahinter. Ursprünglich war Pratteln nämlich gar nicht als Austragungsort für das erste Eidgenössische auf Baselbieter Boden vorgesehen gewesen.
Als Standort hatte der Kanton die Gemeinde Aesch ein paar Dutzend Kilometer südwestlich von Pratteln auserkoren gehabt. Dort sperrten sich aber die Landwirte und Grundeigentümer so vehement gegen den Anlass, dass dieser Ort schon 2016 fallengelassen wurde.
dosp, sda