Segeln Die Briten sehnen sich seit 173 Jahren nach der Silberkanne

hle, sda

12.10.2024 - 04:00

Die Briten heben ab: Sie wollen im America's Cup zum Sieg fliegen
Die Briten heben ab: Sie wollen im America's Cup zum Sieg fliegen
Keystone

Die längste Durststrecke in der Geschichte des Sports müssen die Briten erdulden. Nach 173 Jahren des Wartens könnte nun die älteste Sporttrophäe der Welt nach Grossbritannien zurückkehren.

Die Rückkehr der Silberkanne auf die Insel kommt zustande, sofern das Team Britannia im America's Cup ab Samstag das Team New Zealand entthront.

Die Briten schweben vor Barcelona im Hoch. Nach dem entscheidenden Sieg im Cup der Herausforderer fand die Feier noch auf dem Wasser statt. Jedes Crew-Mitglied stemmte den Pokal in die Höhe, und auch der Eigentümer der Jacht sprang an Bord. Der Milliardär Jim Ratcliffe, der Gründer des Chemieunternehmens Ineos, das in zahlreiche Sportarten investiert, wollte sich diesen Höhepunkt nicht entgehen lassen.

Der America's Cup 2024 soll aus Sicht der Briten zum historischen Ereignis werden. Erstmals seit 1964 winkt ab Samstagnachmittag wieder die Chance, den Cup nach Hause zu holen. Das Selbstvertrauen und der Siegeshunger sind gross, doch der letzte und schwierigste Schritt steht noch bevor.

Bei den Buchmachern haben die Neuseeländer den Bug (noch) vorne. Die Kiwis, die als Titelverteidiger das Regelwerk massgebend gestalten konnten, treten vor der spanischen Küste in der Best-of-13-Serie als Favorit an. Diesen Status untermauerten sie auch in der Gruppenphase im Cup der Herausforderer, bei dem sie Anfang September ausser Konkurrenz mitsegelten – und in der Regel davonsegelten.

Steigerungslauf

Die Britannia um den Skipper Ben Ainslie zeigte allerdings in den vergangen Wochen im Halbfinal gegen das Schweizer Team Alinghi Red Bull Racing und im Final gegen den italienischen Vertreter Luna Rossa eine steile Lernkurve. Die Zusammenarbeit mit dem Mercedes-Formel-1-Team ermöglicht es offenbar, das Boot auf die herrschenden Verhältnissen anzupassen und die Veränderungen auch schnell vorzunehmen.

Für die Briten sprechen könnte auch, dass sie der «Challenger of Record» sind. Das heisst: Als erster Herausforderer haben sie für die Austragung 2024 zusammen mit dem Team New Zealand das Cup-Protokoll ausgearbeitet und konnten so ihre Vorstellungen einbringen oder gar Einfluss nehmen.

Den Neuseeländern fehlt die Wettkampf-Praxis der vergangenen Wochen. Dafür hatten sie nun einen Monat Zeit, um die Daten aus den letzten Regatten zu analysieren und das Boot für den Hattrick zu optimieren. Seit über einem Jahrzehnt sind die Kiwis bei der Entwicklung der fliegenden Jachten vorne dabei. 2013 unterlagen sie den USA noch knapp 8:9, seit 2017 ist die Trophäe aber fest in ihren Händen.

Die Silberkanne «Auld Mug»

1851 fand die erste Regatta um den America's Cup vor der südenglischen Isle of Wight statt. Die Briten stellten bei diesem Wettkampf, der als Rahmenprogramm zur ersten Weltausstellung in London stattfand, 14 Boote. Und doch gewann kein einheimischer Skipper den «100 Guinea Cup» (so der ursprüngliche Name), sondern die Jacht «America», die von den Briten für das Kräftemessen eingeladen worden war.

Die Gäste aus den USA nahmen die Silberkanne mit dem heutigen Spitznamen «Auld Mug» (alter Becher) nach Hause, nannten den Wettkampf um die mittlerweile prestigeträchtigste Trophäe im Segelsport America's Cup, verfassten die Stiftungsurkunde und liessen sich bis 1983 nie verdrängen. Die Briten fanden bislang keinen einen Weg, um die Schmach von 1851 zu tilgen, obwohl sie nun zum 17. Mal als Herausforderer antreten, um die inzwischen älteste noch aktive internationale Sporttrophäe in Empfang zu nehmen.

Die Boote der AC75-Klasse sind 22,9 m lang (75 Fuss) und der Mast ragt über 25 m in die Höhe. Die Jachten im diesjährigen America's Cup tragen die Namen «Taihoro» (dieser Begriff der Maori steht auch für die Verbindung zwischen Meer und Himmel) und «Rita» (der Name steckt in Britannia). Die Begriffe Meer und Himmel sind für die Hightech-Geschosse treffend, denn die fliegenden Boote bewegen sich zwischen diesen Welten. Die Foils heben den Rumpf aus dem Wasser. Im Herausforderer-Final Ende September gegen Italien drückten die Briten den Geschwindigkeitsrekord auf 101,86 km/h hoch. Ein gutes Omen.

hle, sda