Herzschmerz pur Die 7 schlimmsten Momente der Schweizer Sport-Geschichte

Syl Battistuzzi

9.7.2024

Roger Federer muss am 14. Juli 2019 gegen Novak Djokovic eine herbe Pleite einstecken.
Roger Federer muss am 14. Juli 2019 gegen Novak Djokovic eine herbe Pleite einstecken.
imago images / AFLOSPORT

Der EM-Traum ist am Samstagabend jäh geplatzt für die Nati. Akanjis verschossener Penalty wird noch lange im nationalen Gedächtnis bleiben und ergänzt leider die grössten Schweizer Sport-Pleiten.

Syl Battistuzzi

EM-Viertelfinal 2024: Akanjis Déjà-vu 

Mit Manuel Akanji war es ausgerechnet einer der besten Spieler der EM, der blieb mit dem ersten Penalty-Versuch an Goalie Jordan Pickford hängen und besiegelte damit das Aus gegen England im EM-Viertelfinal. Der ManCity-Star kennt das Gefühl. Schon vor drei Jahren scheiterte der Abwehrchef im Penaltyschiessen mit seinem Schuss am spanischen Goalie. Immerhin konnte Akanji damals das Leid teilen – auch Schär und Vargas versagten im EM-Viertelfinal die Nerven.

Wimbledon-Final 2019: Federer verliert trotz Matchbällen gegen Djokovic

Fünf Sätze überdauert das spektakuläre Endspiel, bevor im letzten Umgang beim Stand von 12:12 das neu eingeführte Tiebreak die Entscheidung zugunsten Djokovics bringt. Als es 8:7 steht, vergibt Federer zwei Matchbälle. Die serbische Weltnummer 1 lässt sich vom Publikum, das in grosser Mehrheit hinter Federer steht, nicht beeindrucken. Im Gegenteil: Djokovic sagt, er habe die vielen «Roger-Rufe» in seinem Kopf als «Novak-Rufe» empfangen. «Ich habe eine unglaubliche Chance verpasst», meinte Federer nach seiner wohl bittersten Niederlage in der Karriere. Dem Maestro gelang es nachher nicht mehr, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen.


Hockey-WM 2018: Genoni tragischer Held

Gegen die beiden Eishockey-Grossmächte Finnland und Kanada setzt es im Viertel- und Halbfinal dank beherzter Teamleistungen und einem starken Goalie Leonardo Genoni überraschend zwei Siege ab. Im Final wartet Schweden: Die Nati kann gegen den Titelverteidiger zweimal in Führung gehen, doch die Schweden können den Rückstand beide mal egalisieren. Sicherer Rückhalt der Eisgenossen gegen die starken Skandinavier ist Genoni. In der Verlängerung bietet sich dann Kevin Fiala vier Minuten vor Ende die grosse Chance, den Sack zuzumachen. Der NHL-Star lässt aber die Kaltblütigkeit vermissen. Im Penaltyschiessen trifft nur Sven Andrighetto, während die Schweden zweimal Genoni bezwingen können. 

Wie bereits 2013 gewinnen die Schweden Gold und den Schweizer Fans blieb nur die getrübte Freude über die Silbermedaille.


WM 2006: Die Penaltys zum Vergessen und ein makeloser Zubi

Bei einer Weltmeisterschaft wartet die SFV-Auswahl seit 1954 auf einen Vorstoss in die Viertelfinals. 2006 war das Team unter Köbi Kuhn ganz nahe dran und gleichzeitig auch sehr weit davon entfernt. Das Penalty-Out gegen die Ukraine provozierte vor allem Kopfschütteln.

Aus Schweizer Sicht blieb nichts Positives aus diesem Spiel in Köln. Die 120 Minuten bis zum Penaltyschiessen waren von so schwacher Qualität, dass hinterher vom schlechtesten WM-Match der Geschichte geschrieben wurde. Kein Schweizer machte eine gute Figur, nicht Nationalcoach Kuhn, der drei Minuten vor dem Penaltyschiessen seinen besten Schützen Alex Frei vom Platz nahm, und nicht die drei Spieler, die sich vom Elfmeterpunkt versuchen konnten und alle scheiterten.

Dabei hielt Pascal Zuberbühler, der im ganzen Turnier keinen Treffer aus dem Spiel heraus kassiert hatte, den ersten Penalty von Andrej Schewtschenko. Dann scheiterten aber der Reihe nach der sichtlich nervöse Marco Streller, Tranquillo Barnetta und Ricardo Cabanas. Es war das unrühmliche Ende eines bis dahin starken Turniers mit sicheren Siegen gegen Südkorea und Togo sowie einem Unentschieden gegen den späteren Finalisten Frankreich.


French-Open-Final 1999: Hingis verliert gegen Graf die Nerven

Es ist das Duell des jungen, aufstrebenden Talents gegen die alte Tennis-Königin. Die Deutsche dominierte 1995 und 1996 die Konkurrenz und holte sich jeweils 3 von 4 Grand Slams. 1997 nutzt die Teenagerin aus Trübbach die Gunst der Stunde – bei Graf tauchen immer mehr Verletzungssorgen auf – und klettert im Eil-Tempo an die Tennis-Spitze. Die «Swiss-Miss» holt sich 1997 mit ihrem facettenreichen Spiel ebenfalls 3 von 4 Majors, 1998 sowie 1999 startet sie mit Triumphen bei den Australian Open.  

Kein Wunder, ist sie vor dem French-Open-Final gegen Steffi Graf selbstbewusst. In einem Interview sprach sie von einem Generationenwechsel und meinte, Grafs Zeit sei vorbei. Am Ende wurde es ihre grösste Niederlage.

Als sie nach einem Ballwechsel das No-Go begangen hatte und auf die andere Platzseite gestürmt war, um einen Abdruck zu kontrollieren, pfiff sie das französische Publikum gnadenlos aus. Sie erholte sich nicht mehr von diesem Nackenschlag und verlor das Match in drei Sätzen. Es ist der einzige grosse Titel, der ihr in ihrer Tennis-Vita fehlen wird. Ein weiterer Triumph bei einem Grand Slam bleibt ihr verwehrt.


Olympische Spiele 1994: Bindungsbruch statt Medaille für Franz Heinzer 

An den Olympischen Spielen in Lillehammer will Franz Heinzer 1994 die einzige verbleibende Lücke in seinem Palmarès schliessen. Sonst hätte Heinzer wohl seine Karriere schon nach der Olympiasaison 1992 beendet. Jetzt brennt er aber auf diese Chance: «Dreimal habe ich an Olympischen Spielen schlecht abgeschnitten, hoffentlich klappt es im vierten Anlauf mit einer Medaille.»

Der Weltmeister von 1991 und Gewinner von drei Abfahrts-Kristallkugeln hat eine klare Renntaktik: «Sieg oder Sturz war klar mein Motto», so Heinzer. Als dann die grosse Show des Schwyzers steigen soll, ist sie schon nach einigen Sekunden vorbei. Wenige Meter nach dem Start scheidet er wegen eines Bindungsdefekts aus.

Während der US-Amerikaner Tommy Moe überraschen über Olympia-Gold in der Abfahrt jubelnd darf, erlebten die Schweizer das grösste Olympia-Debakel der bisherigen Geschichte: Daniel Mahrer wird als bester Swiss-Ski-Fahrer 14. 


WM 2014: Der Kopfball von Dzemaili

Es wäre einer der grössten Exploits in der Schweizer WM-Geschichte gewesen, vielleicht sogar der grösste überhaupt. Bis zur 118. Minute hielt die Mannschaft von Ottmar Hitzfeld bei dessen Derniere als Nationalcoach im Achtelfinal gegen Argentinien in São Paulo das 0:0. «In den letzten drei Minuten habe ich nochmals alles erlebt, was einem während eines ganzen Trainerlebens passieren kann», umschrieb der Deutsche die Schlussphase in der Corinthians-Arena.

Lionel Messi mit einem Sprint über das halbe Feld und Angel di Maria zerstörten den Schweizer Traum mit einer brillanten Aktion – eine von ganz wenigen, die die Defensive der Nati gegen den späteren Finalisten an diesem frühen Nachmittag in Brasilien zuliess. Wie gross die Entschlossenheit von Hitzfelds Truppe war, zeigte sich aber speziell in den Sekunden nach dem Rückschlag: Vehement suchten Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka, Stefan Lichtsteiner, Gökhan Inler und Co. noch den Ausgleich.

Fast wäre er gefallen. Zentimeter entschieden dagegen. In der wilden Schlussphase setzte der kurz zuvor eingewechselte Blerim Dzemaili einen Kopfball aus kurzer Distanz an den Pfosten. In seiner letzten Medienkonferenz als Trainer sprach Hitzfeld von einem «Schock» und verglich die Niederlage mit jener von 1999, als er mit Bayern München den Champions-League-Final gegen Manchester United in der Nachspielzeit verlor.