Freud und Leid An diese emotionalen Sport-Momente erinnern wir uns für immer 

Von Martin Abgottspon

2.2.2022

Roger Federer sorgte für den einen oder anderen emotionalen, denkwürdigen Moment.
Roger Federer sorgte für den einen oder anderen emotionalen, denkwürdigen Moment.
Bild: Keystone

Max Eberl hat mit seinem Rücktritt zuletzt für Tränen gesorgt. Rafael Nadal hat nach seinem Final-Einzug in Melbourne selber geweint. Doch welche Sport-Momente haben unsere Redaktor*innen so richtig berührt? Neun Geschichten, wie sie nur der Sport schreibt.

Von Martin Abgottspon




«Für mich ein Moment, der mich noch immer mit Stolz erfüllt»
Jan Arnet

Ein Grand Slam für die Ewigkeit

  • «Der 20. Grand-Slam-Titel von Roger Federer – und ich war live vor Ort. So etwas vergisst du dein ganzes Leben nicht mehr. Umso mehr, weil Cilic im Final sackstark spielte und man sogar damit rechnen musste, dass es mit dem Schweizer Titel doch nicht klappt. Als Federer dann doch den ersehnten Matchball verwertete, folgten noch bange Sekunden des Wartens, weil Cilic eine Challenge einberief. Drama bis zur letzten Sekunde und dann brachen alle Dämme. Es ist für mich bis heute ein Moment, der mich auch mit Stolz erfüllt. Ich fühle mich selber ein bisschen wie ein Sieger und werde von diesem Event auch meinen Kindern und Enkeln noch mit Freuden erzählen. Erst recht, wenn es tatsächlich sein letzter Grand-Slam-Titel bleiben sollte.»
Prost auf Federers 20. Grand-Slam-Titel

Prost auf Federers 20. Grand-Slam-Titel

Jan Arnet war bei Roger Federers 20. Grand-Slam-Titel vor Ort in Melbourne. Zum Titelgewinn gabs dann auch noch ein Gläschen Champagner mit dem «Maestro».

01.02.2022


«Das Ende einer Ära, das Ende eines Mythos»
Syl Battistuzzi

 

Messis tränenreicher Abschied von Barcelona

  • «Ich war schon immer ein Bewunderer von Lionel Messi und für mich ist er ganz klar der beste Fussballer, den wir je gesehen haben. Ich erlebte seine Karriere immer hautnah mit, litt mit ihm bei Niederlagen und freute mich mit ihm über unzählige Titel. Für mich gehörten Messi und Barça einfach zusammen. Entsprechend schmerzhaft war sein Abschied im letzten Jahr, als er unter Tränen zu PSG wechselte. Es war das Ende einer Ära, das Ende eines Mythos, das Ende einer Fussballgeschichte, wie wir sie vielleicht nie mehr erleben werden.»
Messi und der FC Barcelona trennen sich

Messi und der FC Barcelona trennen sich

Lionel Messis Klub in der beginnenden Saison wird nicht mehr der FC Barcelona sein. Der 34-jährige argentinische Superstar und Barça trennen sich nach mehr als 20 Jahren.

05.08.2021


«Ganz alleine stand er da, seiner Krankheit ausgeliefert»
René Weder

Muhammad Ali entzündet das Olympische Feuer 1996 in Atlanta

  • «Für mich gibt es so viele emotionale und faszinierende Momente in der Sportgeschichte. Es ist alles eine Frage der Dramaturgie. Ich liebe einzigartige Geschichten, grosse Comebacks, Cinderella Storys und magische Marken. Wie etwa die acht Goldmedaillen von Michael Phelps an den Spielen in Peking 2008. Oder die vielen Spiele von Roger Federer, die ich live in Wimbledon miterleben konnte. Aber über all den sportlichen Glanzpunkten ragt ein ganz spezieller Moment. Als Muhammad Ali 1996 in Atlanta das olympische Feuer entfachte, zitternd und gezeichnet von seiner Parkinson-Erkrankung, übermannten mich die Gefühle. Ganz alleine stand er da, seiner Krankheit ausgeliefert. Er war verletzlich und menschlich. Aber er beklagte sich nie und trug die Krankheit mit Würde. Dennoch strahlte er etwas aus, das mich tief beeindruckte und mein Interesse für seine Geschichte erst recht weckte. Zahllose Bücher, Biografien und TV-Dokumentationen später wird mich kein Mensch mehr davon überzeugen können, dass Ali nicht der Grösste war, den die Sportwelt je gesehen hat.»


«Franzi weinte, das Publikum heulte, meine Tränen kullerten»
Marcel Allemann

Franzi Van Almsicks legendäre Antwort

  • «Franziska van Almsick hatte es während Jahren wirklich nicht einfach. Vom gefeierten Schwimm-Darling und Olympia-Star fiel sie vor allem in den Boulevard-Medien rasch in Ungnade, als die Top-Resultate plötzlich ausblieben. Es nahm absurde und unmenschliche Züge an, wie verbal auf sie einprügelt wurde, vor allem in Bezug auf ihr Gewicht. Doch dann lieferte sie bei der Heim-EM in Berlin 2002 eine Antwort im Becken, die mir bis heute unter die Haut geht. In Weltrekord-Zeit schwamm der gefallene Star über 200-Meter-Freistil zum Titel. Diese Emotionen, diese elektrisierende Stimmung, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Franzi heulte, ihr Berliner Publikum weinte und auch ich, doch eigentlich so neutraler Schweizer, konnte die Tränen auf meinem Medienplatz nicht mehr zurückhalten. Wenn ich Franziska van Almsick heute mal sehe – sei es im TV oder in einer Illustrierten beim Coiffeur – der Gedanke an diesen magischen Sport-Moment, bei dem ich live dabei war, ist sogleich wieder da. Dafür, dass ich an diesem teilhaben durfte, werde ich ihr für immer dankbar sein.»
Nach Jahren der Pein hat es Franzi van Almsick bei der Heim-EM in Berlin nochmal allen gezeigt.
Nach Jahren der Pein hat es Franzi van Almsick bei der Heim-EM in Berlin nochmal allen gezeigt.
Getty Images
«Am liebsten hätte ich die Spieler einfach nur getröstet»
Martina Baltisberger

Das bittere Out der Eisgenossen 2019

  • «Das Viertelfinal-Out der Schweizer Eishockey-Nati an der WM 2019 war wohl einer meiner tragischsten und denkwürdigsten Sport-Momente. Ich stand damals schon für die Sieger-Interviews bereit, doch dazu ist es nie gekommen. 0,4 Sekunden vor Spielende glich Kanada die Partie noch aus und zog später in den WM-Halbfinal ein. Die Interviews musste ich später trotzdem führen, doch das war die Hölle. Die Spieler weinten. Die Enttäuschung war riesig und eigentlich hätte ich sie am liebsten nur getröstet. Ich wollte sie in Ruhe lassen, musste aber trotzdem meinen Job machen. Ein sehr harter und emotionaler Moment.»


«Wäre ich nicht beruflich dort gewesen, wäre ich wohl komplett durchgedreht»
Nicolò Forni

Stan Wawrinkas Triumph in New York 2016

  • «Ich bin ein Fan der Underdogs und Aussenseiter. Aus diesem Grund bin ich auch schon lange ein Sympathisant von Stan Wawrinka. Seinen dritten Grand-Slam-Titel in New York live mitzuerleben war die Krönung einer Karriere, die auch von vielen Tiefs begleitet wurde und für mich ein unvergesslicher Moment. Wir hatten damals sogar die besten Plätze im Stadion und konnten ihm quasi bei jedem Seitenwechsel in die Augen schauen. Wäre ich nicht beruflich dort gewesen, wäre ich nach dem Spiel wahrscheinlich komplett durchgedreht. So konnte ich meine Emotionen irgendwie noch unter Kontrolle halten.»


«Bis zur letzten Sekunde litt ich vor dem Fernseher mit»
Patrick Lämmle

Das tragische WM-Out gegen Argentinien

  • «Bei Nati-Spielen habe ich immer einen leicht erhöhten Puls, aber so mitgelitten wie im WM-Achtelfinal 2014 gegen Argentinien habe ich noch selten. Die Schweiz war absolut auf Augenhöhe mit den hoch favorisierten Stars um Messi & Co. Wer hätte das vor der Partie gedacht? Als Angel di Maria in der 118. Minute das 1:0 erzielte, hätte ich fast weinen können. Doch dann, ein letzter Angriff für die Schweiz. Goalie Diego Benaglio ist mit im gegnerischen Sechzehner, sein Fallrückzieher landet bei Shaqiri, der findet mit seiner Flanke Dzemaili, der aus kürzester Distanz an den Pfosten köpft. Von dort springt der Ball zurück an sein Schienbein und dann knapp am Tor vorbei. Was für ein bitteres Ende. Aber am Ende geht es im Sport um Emotionen und davon bot dieses Spiel jede Menge. Noch heute kann ich es kaum glauben, wie dieser Ball einfach am Tor vorbeikullert.»


«An diesem Tag starb ein Mythos, mit welchem jeder Walliser aufgewachsen ist»
Fréderic Ruffiner

Sions Niederlage im Cup-Final 2017

  • «Eigentlich gibt es zwei Sport-Momente, die mich emotional sehr berührt haben. Zum Positiven der Champions-League-Titel der Bayern 2013, ein Jahr nach dem Final-Desaster gegen Chelsea. Mit diesem haben sie der ganzen Fussball-Welt einfach den Mittelfinger gezeigt, nachdem man soviel Häme ertragen musste. Ein schöner Moment der Revanche. Das andere, eher tragische Ereignis als Sion-Fan war der Cup-Final von 2017. An diesem Tag starb ein Mythos, mit welchem jeder Walliser aufgewachsen ist. Sion verlor erstmals einen Cup-Final und wir waren am Boden zerstört. An diesem Tag hat einfach nichts zusammengepasst, im Stadion war es schon mucksmäuschenstill und die anschliessende Heimfahrt war ein Wechselbad zwischen Wut und Enttäuschung. Ein Tag zum Vergessen, den ich trotzdem nie vergessen konnte.»


«Ich fiel damals wildfremden Fans in der Rod Laver Arena um den Hals»
Martin Abgottspon

Federers Australian-Open-Sieg 2017

  • «Roger Federer hat mir in all den Jahren etliche emotionale Momente beschert, die ich nie vergessen werde. Der denkwürdigste war aber 2017 in Australien. Nach einer längeren Verletzungspause rechneten damals nur die wenigsten mit einem Exploit von Federer. Einmal mehr strafte er alle Kritiker mit einem unvergesslichen Turnier, das mit einem absoluten Krimi im Traum-Final gegen Rafael Nadal sein Ende fand. Ich fiel damals wildfremden Fans in der Rod Laver Arena um den Hals, ehe ich wie völlig benebelt in die Presseräume zurückkehrte. Obwohl ich seit 2009 an verschiedenen Grand Slams dabei war, war dies der erste Triumph, den ich live miterleben durfte und deshalb auch einer der schönsten Sport-Momente überhaupt.