Gewichtheberin Laurel Hubbard aus Neuseeland hat sich als erste Trans-Sportlerin für die Olympischen Spiele qualifiziert. Und damit eine grosse Kontroverse ausgelöst: Sie erfährt Unterstützung, wird aber auch angefeindet.
Laurel Hubbard wird in diesem Sommer Geschichte schreiben, indem sie die erste Transgender-Athletin sein wird, die an den Olympischen Spielen (23. Juli – 8. August in Tokio) antritt.
Nach ihrer sportlichen Qualifikation im Frühling hat das Nationale Olympische Komitee von Neuseeland die Nomination der Gewichtheberin nun am Montag offiziell bestätigt. «Ich bin dankbar und demütig ob der Güte und Unterstützung, die mir so viele im Land entgegengebracht haben», sagte Hubbard in einem offiziellen Statement.
Sie erfüllt die Regeln des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) für Transgender-Athletinnen aus dem Jahr 2015, wonach das Testosteron-Level über zwölf Monate unter dem Grenzwert von 10 Nanomol pro Liter Blut liegen muss.
Der Normwert von Cis-Frauen (so werden biologische Frauen bezeichnet) liegt zwischen 0,5 und 2 Nanomol pro Liter Blut. Mit der Neuregelung wollte das IOC Diskriminierungen vorbeugen. Diese gilt auch, wenn (noch) keine geschlechtsangleichende Operation durchgeführt wurde.
Seit 2012 lebt Laurel Hubbard als Frau
Hubbard ist 43-jährig und lebt seit 2012 als Frau. Als männlicher Gewichtheber war sie zuvor zwar ebenfalls aktiv, aber nur mässig erfolgreich. Das hat sich als Frau geändert. Sie gewann Silber an den Weltmeisterschaften 2017 in den USA und holte 2019 an den Pazifikspielen in Samoa zwei Goldmedaillen.
Dass Hubbard bereits seit Jahren gegen Frauen antreten darf und somit eine aktive Rolle als Vorreiterin der Trans-Sportlerinnen einnimmt, sorgt einerseits für Zuspruch. Vor allem von der LGBT-Community wird sie als Frau, die endlich für Gerechtigkeit sorgt, gefeiert.
Aber es gibt auch massive Kritik. Tuilaepa Sailele Malielegaoi, der Aussenminister von Samoa, sorgte am Rande der Pazifikspiele 2019 etwa mit einer heftigen Aussage für Aufsehen. «Egal, wie wir es betrachten, es handelt sich um einen Mann. Und es ist schockierend, dass dies überhaupt erlaubt wurde», erzürnte sich der Politiker.
Mit der Belgierin Anna Vanbellinghen hat sich auch eine direkte Konkurrentin zu Wort gemeldet. Sie wolle weder Hubbard noch die Transgender-Gemeinschaft kritisieren, aber diese Situation sei «unfair gegenüber dem Sport und den Athletinnen. Das Ganze fühlt sich wie ein schlechter Scherz an».
«Uns Frauen wird die Gleichberechtigung weggenommen»
Auch in Neuseeland selbst sind nicht alle begeistert. «Ich bin enttäuscht, vor allem für die Cis-Frauen, die deshalb keinen Startplatz bei Olympia bekommen», sagt Tracey Lambrechs, selbst ehemalige Gewichtheberin und Olympia-Teilnehmerin, im heimischen Fernsehen. Und stiess dabei eine zusätzliche Diskussion an: «Wir fordern immer Gleichberechtigung für Frauen im Sport. Aber momentan wird uns die Gleichberechtigung weggenommen.»
Für Lambrechs ist klar: Hubbard hat durch ihre Trans-Identität einen klaren Vorteil gegenüber Cis-Frauen. Aktuelle Studien belegen, dass Trans-Frauen beispielsweise auch noch nach der Hormontherapie etwa 17 Prozent mehr Griffkraft besitzen als Cis-Frauen. Das würde bedeuten, dass Trans-Frauen nach der Geschlechtsangleichung in diesem Bereich nur zwei Drittel ihres Vorteils gegenüber Cis-Frauen verlieren.
Die Rolle und die Rechte von Transgender-Sportlerinnen wurden in den letzten Monaten vor allem zum prominenten Thema, als die intersexuelle 800-Meter-Läuferin Caster Semenya aus Südafrika dazu gezwungen wurde, ihren natürlich hohen Testosteronspiegel zu senken. Semenya weigerte sich – und wurde für internationale Wettkämpfe über Rennen von 400 Meter bis zu einer Meile gesperrt.
Nur auf längeren Distanzen liess man sie noch laufen, weil da ihr biologischer Vorteil geringer sei. Beim Versuch, sich über die für Semenya ungewohnten 5000 m für Tokio zu qualifizieren, scheiterte die zweifache Olympiasiegerin und dreifache Weltmeisterin dann prompt kläglich.
Hubbard erwartet in Tokio ein Medien-Feuerwerk
Hubbard wird in Tokio im Gegensatz zu Semenya an den Start gehen, dabei voraussichtlich auch die älteste Teilnehmerin im Gewichtheben sein und dennoch zu den Mitfavoritinnen auf die Goldmedaille gehören. Sie wird sich aber vor allem auch darauf einstellen müssen, dass sie während der Spiele ein mediales Dauerthema sein wird, es für sie daher nicht einfach sein wird, den Fokus auf ihren Wettkampf zu legen, und die ganze Kontroverse um das Thema neuerlich angeheizt wird.
Ob das grösste Sportereignis der Welt mit all seinen TV- und Foto-Kameras wirklich die richtige Bühne für Hubbard ist, wird sich weisen. Denn die Neuseeländerin gilt als scheu und gibt auch kaum Interviews. In einem ihrer wenigen Statements, die in den internationalen Medien zu finden sind, äusserte sie sogar selbst gewisse Bedenken: «Ich denke, vor zehn Jahren war die Welt noch nicht bereit für eine Athletin wie mich – und vielleicht ist sie es auch jetzt noch nicht.»
Ob Trans-Athletinnen auch nach den Olympischen Spielen in Tokio weiter bei den Frauen starten dürfen, ist noch offen. Das IOC hat bereits angekündigt, die Kriterien für Trans-Personen überarbeiten zu wollen. Offenbar ist es die Idee, dass für jede Sportart spezifische Richtwerte festgelegt werden. So könnte das IOC das heikle Thema an die Verbände der einzelnen Sportarten abschieben und müsste sich in Zukunft daran nicht mehr selbst die Finger verbrennen.
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