Inzwischen haben sie alle eingesehen, dass die Adria Tour keine gute Idee war. Während sich die Beteiligten reumütig zeigen, hagelt es weiter Kritik. Selbst Roger Federer und Rafael Nadal werden nicht verschont.
Grigor Dimitrov war der erste Adria-Tour-Teilnehmer, der meldete, dass er positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Für Papa Djokovic ist deshalb klar: «Dimitrov hat unserer Familie grossen Schaden zugefügt. Warum ist das passiert? Der Mann ist wahrscheinlich mit einer Infektion angereist, von woher auch immer. Er hat sich hier nicht testen lassen und auch nicht anderswo.»
Möglich ist das natürlich. Es ist aber genauso gut möglich, dass Dimitrov nicht der Auslöser der Corona-Lawine ist. Und eigentlich macht es auch wenig Sinn, darüber zu rätseln. Denn eine Mitschuld tragen alle Teilnehmer der Adria Tour. Sie alle haben fahrlässig gehandelt, da sie den ganzen Spass scheinbar bedenkenlos mitgemacht haben.
Hat Djokovic die Spielregeln geändert?
Am Donnerstagvormittag meldete sich nun auch der nicht mit dem Coronavirus infizierte Dominic Thiem via Instagram zu Wort: «Unser Verhalten war ein Fehler, wir haben zu euphorisch gehandelt. Es tut mir extrem leid.» Entschuldigend fügt er an: «Wir haben den Corona-Regeln der serbischen Regierung vertraut, aber wir waren zu optimistisch.» Die anderen Spieler wählten in etwa die gleichen Worte.
Thiems Manager Hewig Straka legt in einem Interview mit «Standard» seine Hand allerdings schützend über seinen Zögling. Die Sache sei «in eine völlig falsche Richtung gegangen». Zwar gibt Straka zu, dass keiner der Spieler seine Vorbildfunktion erfüllt habe. Die Schuld schiebt er aber der Weltnummer 1 in die Schuhe: «Der Einzige, der sich entschuldigen muss, ist Djokovic, weil er alles inszeniert hat. Die anderen waren nur dabei, haben keinen umgebracht.»
Weiter stellt Straka klar, dass er seinen Schützling nur unter der Bedingung freigegeben habe, dass es klare Covid-19-Richtlinien gebe. Demnach hätten maximal 1’000 Zuschauer kommen dürfen und Social Distancing sei garantiert worden. Vor Ort habe Djokovic dann aber zugelassen, dass aus dem Event eine grosse Show werde.
«Ich würde gerne von Tsonga, Monfils, Federer, Nadal hören»
So hat jeder seine Meinung zum Thema. Jeder findet einen Schuldigen. So auch Jean-Francois Caujolle, Turnierdirektor des ATP-Tour-250-Events in Marseille. In einem Interview mit der «L´Équipe» teilt er ordentlich aus. In blumigen Worten erklärt er, was Djokovic alles falsch macht, driftet dann ins Biblische ab und kommt zum Schluss: «Djokovic hat eine messianische Seite. Für mich grenzt er an einen Guru.»
Auf die Frage, ob Djokovic als Vorsitzender des ATP-Spielerrats noch tragbar sei, antwortet Caujolle ausweichend: «Ich würde gerne von Tsonga, Monfils, Federer, Nadal hören. Ich würde diese Jungs jetzt gerne sagen hören: ‹Zu viel ist zu viel›.»
Ob es wirklich zielführend wäre, wenn sich nun die genannten Spieler in der ohnehin schon aufgeheizten Stimmung zu Wort melden, das sei dahingestellt. Viel mehr sollte jetzt das Ziel sein, die Tennis-Familie zu einen und nicht weiter zu spalten. Schuldzuweisungen gibt es schliesslich schon genug.