Am US Open in New York ist aufgrund der Coronavirus-Pandemie fast alles anders als gewohnt. Erstmals seit 1989 fehlt an einem Grand-Slam-Turnier ein Schweizer im Männer-Tableau.
Wenn in zwei Wochen die neuen Champions am US Open gekürt werden, wird das Arthur-Ashe-Stadion in Flushing Meadows, diese imposante Betonschüssel, die rund 24'000 Zuschauern Platz bietet, leer sein. Zuschauer sind aufgrund der Coronavirus-Pandemie während des Turniers keine zugelassen, nachdem im letzten Jahr noch knapp 750'000 Zuschauer den Event besucht hatten.
Die Veranstalter haben alles unternommen, um eine Verschiebung wie beim French Open in Paris oder eine Absage wie in Wimbledon zu vermeiden. Die Spieler wohnen abgeschottet in zwei Hotels oder privaten Häusern auf Long Island. Die Überwachung der Unterkünfte, regelmässige Tests und Maskenpflicht sind ebenso Teil des rigorosen Sicherheits- und Hygienekonzepts wie virtuelle Pressekonferenzen für die Medien.
Die Coronavirus-Pandemie, welche die Tennis-Welt fünf Monate praktisch lahmgelegt hatte, wirkt sich auch auf die sportliche Ausgangslage aus. Die Vorbereitungsturniere in Nordamerika fielen mit Ausnahme des nach New York verlegten Turniers von Cincinnati aus, für einmal reisten die Spieler ausgeruht in den «Big Apple», bei vielen ist der Formstand ungewiss. «Die Situation ist neu und speziell – aber für alle gleich», sagt Viktorija Golubic stellvertretend für die 256 Teilnehmer in den Einzel-Konkurrenzen.
Bei den Männern fehlen mit dem nach seinen beiden Kniearthroskopien rekonvaleszenten Roger Federer, dem letztjährigen Champion Rafael Nadal und Stan Wawrinka die Sieger von 42 der letzten 67 Grand-Slam-Turniere, bei den Frauen sind von den Top 8 des Rankings nur die Tschechin Karolina Pliskova und die Australian-Open-Siegerin Sofia Kenin aus den USA am Start. Neben der Vorjahressiegerin Bianca Andreescu verzichtete auch die letztjährige Halbfinalistin Belinda Bencic aus persönlichen Gründen auf eine Teilnahme.
Djokovic – wer sonst?
Obwohl fast alles anders ist, etwas bleibt gleich: Der grosse Favorit bei den Männern heisst Novak Djokovic. Der 33-jährige Serbe ist in diesem Jahr noch ungeschlagen und gewann am Samstag auch das nach New York verlegte Turnier von Cincinnati. 2011, 2015 und 2018 gewann die Weltnummer 1 den Titel in New York, fünf weitere Male stand er im Final. Mit seinem 18. Major-Triumph könnte Djokovic seinen grossen Zielen näher rücken: Noch haben Federer (20) und Nadal (19) mehr Grand-Slam-Siege als er, noch stand der Baselbieter 27 Wochen länger an der Spitze des Rankings. Da Djokovic im Vorjahr im Achtelfinal an Wawrinka gescheitert ist, könnte er seinen Vorsprung in der Weltrangliste aber weiter ausbauen.
Die ersten Herausforderer sind Dominic Thiem, der im Australian-Open-Final dem Serben erst in fünf Sätzen unterlag, und Vorjahresfinalist Daniil Medwedew. Alexander Zverev, Stefanos Tsitsipas, Andrej Rublew, Denis Shapovalov oder Felix Auger-Aliassime sind weitere Vertreter der jungen Generation, der zugetraut wird, einmal das Erbe von Federer, Nadal und Djokovic anzutreten.
Einmalige Chance für Serena Williams
Im Turnier der Frauen stehen Serena Williams und Naomi Osaka im Fokus. In dem an der Spitze stark gelichteten Feld bietet sich der bald 39-jährigen Williams wohl eine der letzten Gelegenheiten, mit ihrem 24. Grand-Slam-Titel, dem ersten seit dem Australian Open 2017, den Rekord von Margaret Court zu egalisieren. Ihre vier Grand-Slam-Finals als Mutter hat Williams alle verloren.
Osaka hat ihre Stärke auf dem Court mit zwei Grand-Slam-Siegen und dem Aufstieg an die Spitze der Weltrangliste 2019 bereits zur Genüge unter Beweis gestellt. Laut Forbes war die in den USA aufgewachsene Japanerin im letzten Jahr mit 37,4 Millionen Dollar die bestbezahlte Sportlerin der Welt. Auch politisch hat die Stimme der 22-Jährigen Gewicht. Osaka exponierte sich im Zuge der «Black-Lives-Matter»-Bewegung und verzichtete am Donnerstag aus Protest auf ihren Halbfinal des Turniers von Cincinnati, worauf die Partien um einen Tag verschoben wurden. Auf das Antreten im Final musste die Japanerin wegen Problemen mit der Achillessehne verzichten.
Schweizer Trio hofft auf Lucky Punch
Das Schweizer Trio Jil Teichmann, Stefanie Vögele und Viktorija Golubic hofft wie so viele der Konkurrentinnen auf einen Lucky Punch. Golubic (WTA 123) trifft am Montag in der 1. Runde auf die Weissrussin Vera Lapko, die Nummer 352 der Welt. Teichmann (WTA 54/gegen Aliona Bolsova) und Vögele (WTA 113/gegen Maria Sakkari) starten erst am Dienstag in das Turnier.
Zusammen haben die drei Schweizerinnen zwar erst zwei Partien im Hauptfeld in Flushing Meadows gewonnen, die vielen Absagen und die günstige Auslosung lassen aber alle drei von einer Äufnung des Punkte- und Bankkontos träumen. Denn zumindest auf das Preisgeld hat die Coronakrise keine Auswirkung. Allein das Antreten wird mit 61'000 Dollar belohnt, die Turniersieger kassieren einen Check über drei Millionen – für einmal aber in einem leeren Stadion.
SDA