Alcaraz verzückt die Tennis-Welt «Er wird mehr Grand-Slams holen als Federer, Nadal und Djokovic»

Von Martin Abgottspon

30.5.2022

Carlos Alcaraz spielt sich auch an den French Open im Moment in einen Rausch.
Carlos Alcaraz spielt sich auch an den French Open im Moment in einen Rausch.
Getty Images

Carlos Alcaraz ist nicht bloss einer von vielen Shooting-Stars im Tennis. Der Spanier hat das Potenzial, den Sport in den nächsten Jahren zu dominieren. Einblicke eines spanischen Journalisten.

Von Martin Abgottspon

Carlos Alcaraz bringt definitiv alles mit, bereits in Paris seinen ersten Grand-Slam-Titel zu holen. Der erst 19-jährige Spanier befindet sich seit dieser Saison mit Vollgas auf der Überholspur. Branchen-Grössen wie Rafael Nadal oder Novak Djokovic hat er in Madrid in die Schranken gewiesen und das würde er in einem möglichen Halbfinal in Paris wohl nur zu gerne wiederholen.

Warum Alcaraz alles für eine Riesen-Karriere mitbringt, haben wir bereits ausführlich diskutiert. Alcaraz ist weit mehr als ein «Mini-Nadal». Er spielt aggressiver, sucht schneller den Punkt – und sieht sich deshalb auch eher in den Fussstapfen von Roger Federer. Alcaraz ist die nahezu perfekte Verschmelzung der besten Tennisspieler der Geschichte. Er vereint die Intensität und den unbändigen Willen von Nadal, das offensive, auch mal auf schnellere Punktgewinne ausgerichtete Spiel von Federer. Und von Djokovic scheint er sich das Talent abgeschaut zu haben, in den entscheidenden Momenten sein bestes Tennis zu spielen.

Unbeschwert, locker und fokussiert

Der junge Spanier tritt mit einer unbekümmerten Art auf, wie man sie in seinem Alter selten sieht. Er lässt sich von den grossen Namen seiner Gegner nicht beeindrucken. Auf dem Court ist er extrem fokussiert, hält zeitgleich aber auch das Publikum bei Laune, indem er bei einem Seitenwechsel einfach mal in die Laola-Welle miteinstimmt.

Ob all dies tatsächlich für einen ersten Grand-Slam-Sieg reicht, wird sich bis Sonntag zeigen. Der langjährige Tennis-Journalist Alejandro Ciriza traut dem jungen Aufsteiger auf jeden Fall eine Traum-Karriere zu: «Ich habe ihn erstmals im Jahr 2017 in Juan Carlo Ferreros Akademie in Villena besucht. Schon da war ich von der Art wie er den Ball trifft, wie er sich bewegt, einfach fasziniert. Sein steiler Aufstieg in diesem Jahr hat mich deshalb auch nicht wirklich überrascht, auch wenn er doch um einiges schneller voranging, als ich mir das je hätte vorstellen können», so der Journalist in einem Interview mit den Medienschaffenden von Roland Garros.

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Omnipräsent in allen Medien

«Wir haben zehn Jahre auf einen Spieler wie ihn gewartet, jetzt ist er endlich da», sagt Ciriza. Nicht nur er freue sich über die Auftritte von Alcaraz. Ganz Spanien sei bereits seinem Charme erlegen. Tatsächlich hat es der 19-Jährige bereits auf etliche Titelseiten der grossen Sport-Gazzetten geschafft. An Tagen, wo es im spanischen Fussball um den Titel ging und Real Madrid im Final der Champions League stand wohlgemerkt.

«Alcaraz ist momentan in aller Munde. Social Media trägt hier sicher auch einiges dazu bei. Als Nadal seinen Durchbruch hatte, gab es noch kein Twitter oder Instagram. Jetzt schon. Und da sind alle Timelines voll mit Alcaraz.»

Und wo bleibt die Konkurrenz?

Für einige geht der Hype um Alcaraz auch schon fast etwas zu weit. Alexander Zverev meinte in einem Interview mit «Eurosport», dass er es zwar schön fände, wenn Alcaraz nun als der neue Superstar gefeiert werde und dem Tennis zu mehr Aufsehen verhilft. Gleichzeitig ärgert er sich aber auch, dass der Spanier dadurch so viele Nightsessions bestreiten darf, während andere Aushängeschilder dadurch etwas untergehen.

Vielleicht hört man da etwas Neid raus, vielleicht aber auch Angst. Denn mittlerweile ist allen klar, dass Alcaraz das Potenzial hat, sogar die Rekorde der Grössten zu pulverisieren. Alejandro Ciriza: «Wie erfolgreich er sein wird, bestimmt allein er selbst. Er ist ein absoluter Ausnahmespieler. Ob er jetzt 20, 21 oder 35 Grand-Slam-Titel gewinnt, kann ich nicht sagen, aber er wird auf jeden Fall die neue Nummer 1 im Männertennis.»

Geraten die Rekorde der Top 3 in Zukunft also tatsächlich ins Wanken? Ciriza glaubt schon: «Alcaraz wird nicht die Konkurrenz haben wie die aktuellen Top-Spieler. Deshalb wird er auch mehr Grand-Slams holen wie Federer, Nadal und Djokovic.»

Das ist eine Ansage. Umso glaubwürdiger wäre sie, wenn Alcaraz am Sonntag tatsächlich seinen ersten Major-Pokal auf dem Court Philippe Chatrier in die Höhe stemmen würde.