Stan Wawrinka «Der Körper hat das entscheidende Wort über das Ende meiner Karriere»

sda

8.7.2023 - 13:08

Ein Abschied, aber ohne bittere Gefühle: Stan Wawrinka freute sich sehr über die grosse Fanunterstützung in Wimbledon
Ein Abschied, aber ohne bittere Gefühle: Stan Wawrinka freute sich sehr über die grosse Fanunterstützung in Wimbledon
Keystone

In Wimbledon spielt Stan Wawrinka trotz der Niederlage gegen Novak Djokovic so gut wie wohl seit seinen Knieoperationen nicht mehr. Der 38-jährige Waadtländer zieht eine positive Bilanz.

Keystone-SDA, sda

Gibt es kurz nach dem Match etwas, das Sie bedauern?

Stan Wawrinka: Wenn man verliert, ist man nie zufrieden. Man sucht immer Sachen, die man gerne besser gemacht hätte. Ich wusste natürlich, dass das schwierig würde. Er spielt auf einem derart hohen Niveau, mit so viel Selbstvertrauen, während ich seit 15 Monaten darum kämpfe, Erstrunden-Matches zu gewinnen. Ich bin aber zufrieden mit meinem Weg, wie ich es im dritten Satz geschafft habe, etwas lockerer zu werden und weiter in den Platz zu gehen. Klar, ich führe im Tiebreak 5:3 und mache dann drei Fehler, aber das liegt auch am Druck, unter den er einen setzt. Ich weiss, er wird keinen Fehler machen, deshalb zögere ich ein wenig. Eine Enttäuschung ist immer da, aber er war einfach zu stark für mich.

Djokovic war unheimlich fokussiert. Nehmen Sie das als Kompliment? Er hat Sie nicht auf die leichte Schulter genommen.

Natürlich. Man sieht das ja auch im dritten Satz. Er weiss genau, dass ich fähig bin, sehr gutes Tennis zu spielen.

Bedauern Sie, dass es Ihnen nicht früher gelungen ist, lockerer aufzuspielen?

Ja. Aber man muss auch sehen, warum ich es in den ersten beiden Sätzen nicht konnte. Er spielte einfach auf einem unheimlich hohen Niveau. In der aktuellen Situation gibt es kein echtes Match zwischen uns. Aber es gibt auch Positives. Es ist mir gelungen, ihn am Ende doch unter Druck zu setzen und für Spannung zu sorgen.

Die Unterstützung der Zuschauer auf dem Centre Court war gross. Haben Sie das mitbekommen?

Absolut. Ich habe sie schreien gehört nach einem schönen Punkt von mir, stöhnen wenn ich einen Fehler machte. Das berührt mich sehr. Ich sage es immer wieder, es ist vor allem diese Unterstützung der Fans, wegen denen ich immer noch sehr hart arbeite und weiter spiele. Zum Glück konnte ich mich im dritten Satz steigern, sonst wäre es wesentlich schwieriger gewesen, diese tolle Atmosphäre richtig zu schätzen. Ich konnte daraus viel Energie schöpfen.

Sie haben einige Zeit nicht mehr gegen Djokovic gespielt. Waren Sie von seinem Niveau überrascht?

Nein. Wir wissen alle, wie gut er ist und dass er sein Niveau noch steigern kann, wenn es drauf ankommt. Man hat das in Paris, in Australien gesehen. Wenn ich ein klein wenig unter dem Maximum bin, nützt er jede Chance anzugreifen. Er ist definitiv der beste Spieler im Moment.

Gibt es jemanden, der ihn hier schlagen kann?

Natürlich, in einem Match gibt es ein paar, die das an einem bestimmten Tag können. Ich glaube aber nicht, dass das hier passieren wird.

Sie haben Djokovic bei verschiedenen Glanzpunkten seiner Karriere erlebt. Können Sie den Djokovic dieser Zeiten mit dem von heute vergleichen?

Vergleiche sind schwierig, er hat so viele Höhepunkte gehabt. Klar ist, dass er in den letzten Monaten an Muskelmasse zugenommen hat. Er macht Dinge, die er früher nicht machte. Er schlägt härter auf und dominiert die Ballwechsel mehr als früher. Ich trainiere oft mit ihm und ich liebe das. Er macht alles, um noch besser zu werden, sucht die Perfektion. Das ist auch für mich eine grosse Motivation.

Was können Sie aus einem Match wie diesem für die nächsten Monate oder Jahre...

(lacht) Jahre werden es wohl nicht mehr.

Aber was nehmen Sie aus diesen Matches gegen die Besten mit?

Ich nehme vor allem ein sehr positives Gefühl mit. Ich komme auf meinem Weg Schritt für Schritt voran. Ich habe diese Woche zwei sehr gute Spiele gewonnen, das gibt mir mehr Vertrauen in den Match-Situationen. Werde ich wieder einmal Spieler wie Djokovic schlagen können? Ich weiss es nicht, aber das ist auch nicht die Frage, die ich mir stelle. Ich folge meiner Linie und komme meinem Ziel näher.

Geben Ihnen solche Leistungen Motivation für ein, zwei Jahre mehr am Ende Ihrer Karriere?

Leider hängt das Ende meiner Karriere nicht vom Kopf und der Motivation ab. Da hat der Körper das entscheidende Wort.