Die Grasshoppers trennen sich von Geschäftsführer Jimmy Berisha und Sportchef Seyi Olofinjana. Lässt sich aus dem Palmarès der Eigentümer herauslesen, welchen Weg die Grasshoppers in Zukunft einschlagen?
«Nach den offenen Gesprächen und angesichts der unterschiedlichen Auffassungen über die zukünftige Ausrichtung des Clubs, wurde einvernehmlich festgestellt, dass ein Wechsel im Führungsteam unumgänglich wurde», sagte GC-Präsident Sky Sun am Montag. In einer Medienmitteilung haben die Grasshoppers mitgeteilt, dass der Klub künftig auf die Dienste von Geschäftsführer Jimmy Berisha und Sportchef Seyi Olofinjana verzichtet.
Aber wer fällt im schwierig zu durchschauenden Geflecht des Rekordmeisters eigentlich die Entscheidungen?
Vor etwas mehr als zwei Jahren verkündete der Grasshopper Club Zürich die Übernahme des Vereins durch chinesische Investoren. In Person handle es sich dabei um die Eigentümerin der Champion Union HK Holdings Limited, Jenny Wang Jinyuan, hiess es damals. Sie sei eine der einflussreichsten und bedeutendsten Persönlichkeiten der Wirtschaft, Kunst und Kultur Asiens, schrieb der Grasshopper Club. Mit Fussball hatte die Kunstliebhaberin und ehemalige Journalistin aber nicht viel am Hut.
Doch der erste Blick trügt. Jenny Wang Jinyuan ist zufälligerweise auch die Gattin des chinesischen Investoren Guo Guangchang, dessen Unternehmen «Fosun International» ein eindrückliches und vielfältiges Portfolio aufweist. Und neben Banken, Hotelketten, und Pharmaherstellern gehört auch der englische Premier-League-Verein Wolverhampton Wanderers zu dem mit über 10 Milliarden Dollar bewerteten Konglomerat. Wie E-Mails aus der «Football-Leaks-Affäre» zeigten, sind die Herren von «Fosun International» Experten beim Umgehen von Regulierungen und Auffinden von Schlupflöchern.
Aber alles der Reihe nach. Wie «Reuters» 2019 berichtet, taucht «Fosun International» zum ersten Mal Mitte der Zehnerjahre im europäischen Fussballgeschäft auf. Das Unternehmen ist auf der Suche nach einer neuen Investition und erkennt, dass mit dem Kauf und Wiederverkauf von Fussballspielern in kurzer Zeit sehr viel Geld generiert werden kann. Interne E-Mails beschreiben das Transfergeschäft als «lukrativsten Teil des Fussballgeschäfts».
Die Verbindung zu Superagent Jorge Mendes
Dasselbe erkennt der portugiesische Spielerberater Jorge Mendes bereits Jahre zuvor. Ähnlich wie ein Börsenmakler fängt er an, Spieler nicht nur zu beraten, sondern Anteile ihrer Transferrechte zu erwerben. Damit lässt sich nicht nur richtig gutes Geld verdienen, die Anteile garantierten Mendes auch ein Mitspracherecht bei künftigen Transfers.
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Ein gutes Beispiel ist der portugiesische Nationalspieler Diogo Jota. 2014 spielt der 17-Jährige für einen kleinen portugiesischen Klub namens Pacos de Ferreira. Mendes erwirbt 40 Prozent der Transferrechte des Angreifers und bezahlt dafür 35'000 Euro. Zwei Jahre später wechselt der Angreifer für 6,4 Millionen Euro zum spanischen Erstligisten Atlético Madrid. Mendes' Anteile sind plötzlich 2,56 Millionen wert. Und weil ein anderer Berater auch noch einmal 20 Prozent der Transferrechte besitzt, fliessen schlussendlich nur 40 Prozent des Verkaufserlöses in die Kassen von Pacos de Ferreira. Es ist zudem anzuzweifeln, dass der Klub ein allzu grosses Mitspracherecht beim Verkaufsentscheid hat. Geschieht das nun auch bei GC?
Begeistert von diesem Geschäftsmodell, entscheidet sich Guo Guangchang 2015 mit «Fosun International» in Jorge Mendes zu investieren und kauft 15 Prozent von dessen Unternehmen «Start SGPS», mit einer Aussicht auf 37,5 Prozent. Wie aus dem Verkaufsvertrag herausgeht, besitzt Mendes zu diesem Zeitpunkt Transferrechte von 54 Spielern in ganz Europa. Dazu gehören neben Jota auch Ederson Moraes (später Manchester City) und Fabinho (später Liverpool). Wie verbreitet diese Methode ist, kann nicht genau gesagt werden, weil solche Käufe in keinem öffentlichen Register landen.
Der Kauf der Wolverhampton Wanderers
Die FIFA macht der Sache aber kurz darauf einen Strich durch die Rechnung. Aus Angst, dass durch solche Dritteigentümer dem Sport – und vor allem den kleineren Klubs – viel Geld verloren geht, wird die Praktik verboten. Ab sofort dürfen nur noch Fussballklubs Transferrechte von Spielern besitzen. Kein Problem für «Fosun International». Auf Empfehlung von Mendes' Neffen Luis Correia kauft der Konzern kurzerhand den englischen Zweitligisten Wolverhampton Wanderers. Als Vizepräsident wird Sky Sun eingestellt.
Der englische Verband befürchtet daraufhin, dass die enge Verbindung zwischen «Fosun International» und Jorge Mendes zu einer Wettbewerbsverzerrung führen könnte. Gemäss Vorschriften dürfen Spielerberater in England keine wichtigen Funktionen für Fussballklubs übernehmen und auch nicht ihre Strategien lenken. Nach einer Untersuchung kommt der Verband trotz scharfer Kritik aber zu dem Schluss, dass Mendes «keine Rolle im Verein trägt».
Die Suche nach «weniger Regulierungen»
Aus weiteren geleakten E-Mails geht hervor, dass «Fosun International» und Mendes im Jahr 2016 die Übernahme von Jugendakademien planen, um so die Spieler noch früher an sich binden zu können. Zudem wollen sie einen weiteren, kleineren Verein übernehmen. Portugal sei dafür der «perfekte Ort», weil es «weniger Regulierungen» gebe. Konkret hat man es auf Rio Ave abgesehen, der Deal fällt aber aus unbekannten Gründen ins Wasser.
Dafür klappt vier Jahre später die Übernahme des Schweizer Rekordmeisters Grasshopper Club Zürich. Als Präsident wird Sky Sun eingestellt – wie damals bei Wolverhampton übernimmt er eine wichtige Rolle im Verein. Gibt es hierzulande etwa auch «weniger Regulierungen»?
Es dauert 341 Tage bis sich der Chinese ein erstes Mal in Zürich blicken lässt. Stirnrunzeln verursacht auch die Anstellung von Jimmy Berisha. Ab April 2020 übernimmt damit ein ehemaliger Spielervermittler die operative Führung. Ihm wird vorgeworfen, er soll Junioren zu einem Beraterwechsel gezwungen haben. Der Klub dementiert.
Seit Montag ist Berisha wieder Geschichte. Mit ihm auch der ehemalige nigerianische Internationale Olofinjana, der im Mai 2021 zu den Grasshoppers stiess. Die personelle Instabilität beim Rekordmeister setzt sich damit fort.