Winti-Denkmal Dario Zuffi (59) redet mit blue Sport über Trainerrauswürfe, die Entlassung von Patrick Rahmen, das Berner Boccia-Häuschen, Basler Badis und verrät, weshalb er nie Cheftrainer werden wollte.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Seit 26 Jahren ist Ex-Fussballstar Dario Zuffi beim FC Winterthur, viele Jahre davon als Assistenztrainer.
- Mit blue Sport redet die Fussballlegende über Patrick Rahmen, Bruno Berner und Alex Frei, die als Trainer beim FC Winterthur alle top waren und nun mittlerweile alle klublos sind.
- «Ich glaube nicht, dass es in Winterthur einfach ist als Trainer», sagt Zuffi. Mit Rahmen, der vor einigen Tagen bei YB entlassen wurde, hat er Mitleid. «Wir hatten hier eine super Zeit, und mir tuts für ‹Pätti› sehr leid, dass es so gelaufen ist. Da kann ich voll mitfühlen.»
Dario Zuffi, ist es derart einfach, Trainer in Winterthur zu sein?
Zuffi: Warum sollte es einfach sein?
Weil Patrick Rahmen bei YB entlassen wurde. Er war der dritte Trainer binnen zweier Jahre, der den FCW nach kurzer, erfolgreicher Zeit schon wieder verliess. Und nun wie Alex Frei und Bruno Berner arbeitslos ist.
Das sind alles unterschiedliche Fälle, da habe ich nirgendwo einen genauen Einblick. Generell kann es schon sein, dass der eine Trainer besser an einen bestimmten Ort passt als an einen anderen. Aber dass es in Winterthur einfach sein soll? Nein, das glaube ich nicht. Natürlich ist der Druck in Basel oder Bern vielleicht grösser, aber dafür musst du hier mit dem kleinsten Budget der Liga arbeiten. Das kann gar nicht einfach sein.
Aber einen Grund wird es doch geben, dass der FCW seit 2017 nur einen Trainer entliess – Ralf Loose nach dreieinhalb Jahren.
Sagen wir es so: Die Verantwortlichen beim FCW verlieren sicher nicht allzu schnell die Nerven.
Haben Sie Mitleid mit Patrick Rahmen?
Klar habe ich das. Wir hatten hier eine super Zeit, und mir tuts für «Pätti» sehr leid, dass es so gelaufen ist. Da kann ich voll mitfühlen.
Er war einer von insgesamt zehn Cheftrainern, denen Sie assistierten. Daneben waren Sie sehr erfolgreich als Nachwuchstrainer. Warum haben Sie's nie als Chef der ersten Mannschaft versucht?
Dario Zuffi
Dario Zuffi wird im Dezember 60 Jahre alt. Der Winterthurer spielte für den FCW, YB, Lugano und Basel. Er war Meister und Cupsieger mit YB; auch mit Lugano holte er den Cup. 1991 war Torschützenkönig und Fussballer des Jahres. Seit bald 25 Jahren trainiert Zuffi beim FCW: im Nachwuchs, als Assistent und auch als Interimstrainer. Seine Söhne Sandro, Luca und Nico waren und sind ebenfalls Fussballprofis.
Bis ich 34 war, wollte ich ohnehin nie Trainer werden. Sich vor eine Mannschaft stellen, sie motivieren, Tag für Tag. Ich dachte nicht, dass ich das kann. Erst als ich vor der Frage stand, was ich nach meiner Karriere machen soll, und mit den ersten Trainerkursen begonnen hatte, dachte ich, dass es zumindest im Nachwuchs passen könnte. Aber Profi-Cheftrainer zu werden? Nein, das wollte ich nicht.
Warum nicht?
Unterm Strich hatte ich auch zu wenig Selbstvertrauen. Als Cheftrainer ist man Manager, man muss mit 30, 35 unterschiedlichen Charakteren kommunizieren können. Und wenn ich unsere Cheftrainer hier in Winterthur sehe – ob Loose, Frei, Berner, Rahmen oder jetzt Ogi Zaric – die können alle «schnorre»! Ich kann das nicht so gut.
Als Trainer der U16 oder der U21 gingen spätere Nationalspieler durch ihre Schule: Fabian Frei, Remo Freuler, Ihr Sohn Luca und, und, und. Mit denen gings ja auch.
Ich habe mich immer über die Trainingsarbeit definiert. Ich wollte, dass die Jungs profitieren, besser werden. Und natürlich habe ich ihnen erklärt, was ich will. Aber das ist mit der Kommunikationsarbeit nicht zu vergleichen, die ein Cheftrainer heutzutage im Profibereich leisten muss.
Wissen die heutigen Winti-Spieler eigentlich, wer Sie als Spieler waren? Sie waren Meister, Cupsieger, Torschützenkönig, Nati-Spieler und Fussballer des Jahres.
Viele schon. Die googlen halt oder informieren sich über ihren Berater oder Kollegen, mit wem sie es zu tun bekommen. Den Respekt der Spieler habe ich immer gespürt. Kürzlich hat Ogi Zaric einen Neuen scherzhaft gefragt: Weisst du, wer Zuffi ist? Und der Spieler hat geantwortet: Ja, klar, eine Legende (lacht). Aber das Wort mag ich überhaupt nicht.
Unverdient ists aber nicht. 1984 gehörten Sie als junger Spieler zur Winterthurer Aufstiegsmannschaft. Und 1985 wechselten sie mit 20 Jahren zu YB. Ein Jahr später wart ihr Meister.
Ja, verrückt. Wir sind schlecht gestartet, und nach einem Steigerungslauf waren wir plötzlich Meister. Kein Mensch hatte damit gerechnet. Es gab nach dem entscheidenden Sieg in Neuchâtel auch keine geplante Feier. Die einen feierten im Boccia-Häuschen, die anderen in einem Club. Fans hatte es praktisch keine.
Sie schossen 15 Tore.
Ja, damit habe ich mir den Respekt der Spieler verdient. Es war zu Beginn schon hart. Als Junger hast du damals Bälle gepumpt, Tore getragen, Ballsäcke geschleppt. Trainer Alexander Mandziara war alte Schule. Das hiess: «Seckle, seckle, seckle.» Und einer wie Georges Bregy konnte einen Jungen auch mal zusammenfalten (schmunzelt). Aber das hat mir alles gutgetan.
Danach gabs im Meistercup ein Duell mit Real Madrid. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Nur schöne. Daheim gewannen wir sogar 1:0. Und auswärts lief einer von uns beim Stand von 0:0 allein aufs Tor. Nach dem ersten Gegentor war es dann halt schwer und wir verloren 0:5. Aber das Bernabéu war einmalig. Der Rasen war damals schon ein Teppich und mit nichts zu vergleichen, auf dem ich bis dahin gespielt hatte.
1991 wechselten Sie. Warum? In Bern hatten Sie doch alles: Erfolg, Anerkennung. Sie wurden auch Nationalspieler.
Eines hatte ich aber ehrlich gesagt nie: einen wirklich guten Lohn. Ich wollte den nächsten Schritt machen und dachte, dass das als Nationalspieler auch legitim sei. Eigentlich war mit Xamax alles klar. Roy Hodgson war Trainer. Dann aber fiel ich durch den Medizincheck. Ich hatte Adduktorenprobleme. Gespielt hatte ich zwar immer. Trotzdem wollte mich Xamax nicht mehr.
Sie unterschrieben dann in Lugano. Warum?
Ich verdiente gut. Und Lugano war auch eine schöne Stadt. Es kam einem vor, als wäre man in den Ferien (lacht). Es war eine erfolgreiche Zeit mit zwei Cupfinal-Teilnahmen, wobei wir den einen gegen GC 1993 auch gewannen.
Warum gingen Sie dann nach diesem Cup-Triumph nach Basel?
Unser ältester Sohn wurde eingeschult. Und darum wollten wir in die Deutschschweiz zurück. Ausserdem spielte auch das Transfersystem eine Rolle.
Inwiefern?
Zu der Zeit wurde folgendermassen gerechnet: Das bisherige Gehalt mal einen bestimmten Faktor – je nach Klub. Und weil ich in Lugano gut verdiente, war ich für die meisten Nati-A-Klubs zu teuer. Der FCB als damaliger Nati-B-Klub musste nur die Hälfte zahlen.
In Basel erlebten Sie den Aufstieg 1994 und grosse Euphorie.
Ich konnte tatsächlich keine zehn Meter laufen in der Stadt, ohne dass nicht irgendwer etwas gerufen hätte. Als wir das erste Mal in der Badi waren, merkte ich irgendwann, dass die Schlange, die hinter mir stand, meinetwegen da war (lacht). Das war zwar für die Familie nicht so toll. Aber letztlich war es eine wunderschöne Zeit.
Die endete 1998 eher überraschend. Sie gingen zurück zum FCW, der gerade in die 1. Liga abgestiegen war. Warum das?
Mein Vertrag lief aus, und als ich im März, April zum damaligen FCB-Sportchef Heinz Hermann ging, um zu fragen, wie der Klub plane, hiess es bloss: Kein Vertrag wird verlängert, bevor nicht klar ist, wo wir spielen …
... der FCB war trotz Bundesliga-Strategie und Zugängen wie Trainer Jörg Berger, Oliver Kreuzer oder Maurizio Gaudino in die Auf-/Abstiegsrunde gestürzt …
... genau. Und ich war damals beleidigt, dass man nicht vorzeitig mit mir verlängern wollte. Ich dachte: Sorry, ich bin 33 und kein Junior mehr. Ausserdem hatte ich das Gefühl, dass mich Trainer Guy Matthez nicht mag. Und dann machte mir Winti ein Superangebot. Also ging ich zurück. Zwischendurch habe ich es aber schon bereut, den FCB verlassen zu haben.
Weshalb?
Wie gesagt: Ich war betupft. Aber hätte ich gewusst, dass nur ein Jahr später unter Christian Gross der Aufstieg des Klubs beginnt, hätte ich wahrscheinlich mehr Geduld gehabt.
Nun sind Sie seit 26 Jahren auf der Schützenwiese. Anfang der Jahrtausendwende arbeiteten Sie parallel zum Trainerjob bei der Firma Ihres Klubbesitzers Hannes W. Keller. Warum das?
Der Klub hatte damals finanzielle Probleme, darum kam der damalige Nachwuchschef Peter Knäbel auf mich zu und machte den Vorschlag, dass ich zwar weiterhin als Trainer vorgesehen sei – 70 Prozent meines Verdiensts aber bei der Keller AG verdienen könne. Und von da an war ich etwa sieben Jahre zu 70 Prozent als Lohnbuchhalter angestellt. Danach wurde ich wieder Profitrainer.
Wollten Sie nie was anderes machen?
Alex Frei hat mir vor seinem Wechsel zu Basel vor zwei Jahren gesagt, dass er mich und Davide Callà als Assistenten mitnehmen wolle. Ich habe es mir tatsächlich überlegt, aber letztlich war das nichts für mich. Wäre ich jünger gewesen, hätte ich es vielleicht gemacht. Aber es ist gut, wie es ist. Wahrscheinlich hat die Geschichte für mich vorgesehen, dass ich hier bleibe. Und wohl habe ich mich in Winterthur immer gefühlt.