Horror-Szenario für Schiedsrichter Lionel Tschudi im Kybunpark: Angepeitscht von 18'000 heissblütigen Fans kämpfen St.Gallen und Basel um jeden Zentimeter Rasen. Eine hitzige Szene jagt dabei die nächste – das Schiri-Protokoll des Sonntagabends.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Der FC St.Gallen und der FC Basel liefern sich am Sonntagabend ein heiss umkämpftes 1:1-Remis im ausverkauften Kybunpark.
- Dabei kommt es zu mehreren umstrittenen Schiedsrichter-Entscheiden.
- Im Studio bei blue Sport analysiert Schiri-Experte Klossner die Leistung des Unparteiischen.
Der Handspiel-Assist von Cisse zur St.Galler Führung
Was ist passiert?
In der 38. Minute steht der Kybunpark ein erstes Mal Kopf: Nach einem Einwurf kommt St.Gallens Abwehrchef Vallci im Basler Strafraum an den Ball und haut die Kugel kompromisslos in die Maschen. 1:0 für das Heimteam.
Doch TV-Bilder zeigen, dass FCSG-Stürmer Cisse den Ball mit dem Arm spielt, bevor dieser Vallci vor die Füsse fällt. Zählt der Treffer trotzdem? Ja! Nach Funkkontakt mit dem VAR entscheidet Schiedsrichter Lionel Tschudi auf Tor.
Das sagt Schiri-Experte Klossner
Im Studio bei blue Sport wird die Szene in der Pause von Schiedsrichter-Experte Stephan Klossner analysiert. Und auch für ihn ist der Fall klar: «Der VAR hat hier alles richtig gemacht», sagt Klossner, obwohl er selbst zuerst dachte, der Treffer müsste annulliert werden.
«Ich dachte spontan, das ist ein klares Handspiel. Aber dann habe ich im Reglement nachgelesen und da steht: ‹Das Tor zählt nur dann nicht, wenn der Torschütze selbst unmittelbar vor dem Treffer ein Handspiel macht.›» Das war in dieser Szene nicht der Fall, erklärt Klossner: «Hier war es der Passgeber, der ein unabsichtliches Handspiel macht, das per se nicht zu bestrafen ist. Deshalb haben Schiedsrichter und VAR alles richtig gemacht.»
Avdullahus Tritt gegen Konietzke
Was ist passiert?
Kurz nach der Pause kommt es zu einer unschönen Szene in der St.Galler Hälfte. FCSG-Juwel Corsin Konietzke dreht sich mit dem Ball von Basels Leon Avdullahu ab, der ihm beim misslungenen Versuch eines Tacklings mit offener Sohle auf den Knöchel steht. Konietzke knickt mit dem Fuss weg und hat grosses Glück, dass er keine schwere Verletzung davonträgt.
Schiedsrichter Lionel Tschudi sieht die Situation und entscheidet auf Foul, zückt aber weder die Gelbe noch die Rote Karte.
Das sagt Schiri-Experte Klossner
«Für mich ist das eine klare Rote Karte. Die Verletzungsgefahr hier ist riesig. Avdullahu hat keine Chance, den Ball zu spielen. Er trifft den Gegner auf dem Knöchel, dieser knickt ab. Der Kontakt ist damit nicht mehr auf dem Fuss, sondern oberhalb. Dementsprechend ist es eine Rote Karte.»
Klossner kritisiert zudem, dass Tschudi in dieser Situation keine klaren Anweisungen des Videoschiedsrichters erhalten hat: «Die Tatsache, dass der Schiedsrichter nicht einmal Gelb gegeben hat, sagt eigentlich, dass er die Szene nicht beurteilt hat. Das müsste den VAR eigentlich noch mehr dazu bringen, den Schiedsrichter zu bitten, sich die Szene noch einmal anzuschauen.»
Basler Abseits-Tor zum vermeintlichen 1:1
Was ist passiert?
Nach einem Basler Angriff über die rechte Seite fällt Shaqiris Flanke Traoré vor die Füsse. Der Ivorer lässt sich nicht zweimal bitten und trifft zum 1:1. Weder Shaqiri noch Traoré stehen bei dem Angriff im Abseits und trotzdem hebt der Linienrichter die Fahne. Der Grund: Auf der Torlinie steht FCB-Stürmer Kevin Carlos direkt neben FCSG-Goalie Zigi.
Für Tschudi ist klar, dass der im Abseits stehende Carlos Zigi aktiv behindert. Der Treffer zählt nicht. Auch der VAR ist damit einverstanden.
Das sagt Schiri-Experte Klossner
«Der Assistent hat sofort und richtig auf Abseits entschieden. Carlos steht in Abseitsposition und stört Zigi. Er ist aktiv, indem er den Torhüter berührt und dieser seine Abwehrreaktion deshalb nicht gleich gut ausführen kann», so Klossners klare Meinung.
Fussball-Experte und Ex-Nati-Goalie Pascal Zuberbühler ist damit einverstanden: «Kevin Carlos hätte gar nicht zu Zigi hingehen müssen. Für mich war sofort klar, dass dieses Tor aberkannt werden muss», sagt Zubi im Studio bei blue Sport.
Rot statt Tor – der umstrittene Platzverweis gegen Traoré
Was ist passiert?
Es ist die Szene des Abends. In der 72. Minute wird dem FC Basel erneut das Ausgleichstor aberkannt. Dieses Mal trifft Assistgeber Traoré Gegenspieler Jordi Quintillà mit offener Sohle über dem Knöchel. Zuerst spielt er allerdings ganz klar den Ball und legt diesen für Kade auf, der zum vermeintlichen Ausgleich trifft.
In dieser Situation entscheidet Schiedsrichter Tschudi zuerst auf Tor. Dann wird er jedoch vom VAR an die Seitenlinie beordert – und ändert nach einem kurzen Blick auf den Video-Monitor den Entscheid: Rote Karte für Traoré, der Treffer zählt nicht.
Die Szene erinnert an einen Platzverweis gegen St.Gallen-Captain Görtler aus der letzten Saison. Damals sagte Schiri-Boss Wermelinger im Nachgang: «Wir werden mit der Uefa über die Regelauslegung reden.»
Das sagt Schiri-Experte Klossner
«Traoré nimmt viel Risiko, er springt mit hohem Tempo in diesen Ball rein. Viel Risiko plus hohes Tempo, das ist der Grund, weshalb der VAR hier sagt, dass er den Ball nicht fair gespielt hat. Und das Trefferbild ist dann halt Rot», analysiert Klossner, gibt aber selbst zu: «Das ist eine ganz schwierige Szene, die ich so als VAR oder Schiedsrichter nicht hätte treffen wollen.»
Dieses Mal widerspricht Zubi dem Schiri-Experten. «Quintillà stellt nachher den Fuss direkt nebendran hin. Aber du kannst ja dein Bein nicht mehr zurückziehen. Das ist so unglücklich, das ist brutal, dass man dafür eine Rote Karte bekommt.»
Klossner kann Zubis Einwand verstehen, verweist aber auf das aktuelle Regelbuch, laut dem so eine Szene schlicht die Rote Karte nach sich ziehe.