Darum ist der Schützi-Zauber vorbei 5 Gründe für den Winterthur-Absturz ans Tabellenende 

Michael Schifferle

30.10.2024

Letzte Saison stürmte Winterthur zeitweise durch die Super League, diese Saison herrscht Flaute.
Letzte Saison stürmte Winterthur zeitweise durch die Super League, diese Saison herrscht Flaute.
IMAGO

Letzte Saison war der FC Winterthur das Überraschungsteam der Super League, jetzt ist er Letzter, schiesst am wenigsten und kassiert am meisten Tore. blue Sport sagt, weshalb. 

Michael Schifferle

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Gerade eben hat der FC Winterthur noch die beste Saison seit 50 Jahren hingelegt, jetzt liegt er nach 11 Runden am Tabellenende.  
  • blue Sport nennt 5 Gründe für den Absturz. Da ist Ogjen Zaric (35), der Nachfolger von Patrick Rahmen, der bisher noch den Beweis schuldig geblieben ist, der Rolle gewachsen zu sein.
  • Es fehlt das Tempo von Ltaief (zu Twente) und Gantenbein (zu Schalke) und zwischen den Pfosten Keller (zurück zu YB). Zudem haben die Neuverpflichtungen (noch) nicht eingeschlagen. 

Der FC Winterthur war in den letzten drei Jahren das, was er zuvor über Jahrzehnte stilsicher vermied: erfolgreich. Er stieg in die Super League auf, er hielt die Klasse, und er qualifizierte sich mit der besten Saison seit 50 Jahren gar für die Championship Group und den Cup-Halbfinal. Er verlor im Frühjahr zwischendurch nur eines von 16 Spielen – und machte seinen Fans im fast immer vollen Stadion viel Freude. Mutig, offensiv, mit Tempo und Spiellust – so schwebte der FCW von Patrick Rahmen durch die ersten Monate des Jahres.

Naiv oder gutgläubig war gleichwohl keiner. Die meisten wussten bereits in den so schwerelosen Frühlingstagen rund um die Schützenwiese, dass man die schöne Zeit geniessen müsse, denn es gehe schnell wieder in die andere Richtung.

Brutal schnell gar, wie das 1:6 gegen den FC Basel am vergangenen Samstag den Winterthurern schmerzhaft vor Augen führte – auch wenn das Publikum das Team bis zum Schluss generös unterstützte. Sie sind das, was sie aufgrund ihres knappen Budgets (zwischen fünf und sechs Millionen für die 1. Mannschaft) immer gewesen sind: der Abstiegskandidat Nummer eins. Und doch gibt es durchaus auch andere Ursachen für den mühevollen Start. blue Sport nennt sie: 

1. Der Trainer

Zum dritten Mal in Serie musste der FCW einen Erfolgstrainer abgeben: Nach Alex Frei und Bruno Berner folgte auch Patrick Rahmen dem Ruf eines höher dotierten Klubs. Inzwischen ist allerdings auch er wieder arbeitslos. Nun durfte Ognjen Zaric, zarte 35 Jahre alt, seinem vormaligen Chef nachfolgen. Bislang ist er den Beweis schuldig geblieben, der Rolle gewachsen zu sein.

Mit Aufstellungsfehlern wie in Lausanne, als er den zweikampfschwachen Randy Schneider ins defensive Mittelfeld beorderte und bereits nach einer halben Stunde beim Stand von 0:2 wieder vom Platz nehmen musste, macht er sich angreifbar – auch intern. Zwar dürfte Zaric noch einigen Kredit geniessen. Trotzdem liegt der Schluss nicht fern, dass der erfolgreiche Sportchef Oliver Kaiser für einmal kein gutes Händchen in der Trainerwahl hatte.

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2. Die Abgänge – Stichwort: Tempo

Keiner kann was dafür, dass der FCW gleich drei seiner besten Spieler verlor: Sayfallah Ltaief, der flinke, freche, technisch herausragende Flügel, der ganze Abwehrreihen alleine aufriss und auch noch abschlussstark war – ihn zu halten, war unmöglich. Er spielt nun bei Twente in Holland. Ebenso musste damit gerechnet werden, dass Adrian Gantenbein den Klub verlässt. Den Aussenverteidiger, der mit seinen Tempoläufen, die er mehrfach mit einem Tor garnierte, zur Attraktion auf der Schützenwiese wurde. Er ging zu Schalke, und seither ist die Statik des Spiels eine andere. Das Winterthurer Spiel lebte offensiv von Ltaiefs und Gantenbeins Tempo. Zudem verlor der Klub erwartungsgemäss Goalietalent Marvin Keller an YB.

3. Die Verletzten

Die Statik des Spiels! Tempo! Das wollte Kaiser dem Team selbstverständlich wieder zuführen. Er holte Fabian Rohner vom FCZ – und der riss sich nach vier Spielen das Kreuzband. Und Nishan Burkart, der Flügel, der seinen Anteil an der starken letzten Saison hatte, kehrte erst im Oktober nach einem Ermüdungsbruch im Schienbein zurück; er kann noch gar nicht der draufgängerische, unerschrockene Sprinter und Zweikämpfer sein, der er bis vor der Verletzung war.

Luca Zuffi, das taktische Gewissen, im Mittelfeld, der ballsicherste von allen Winterthurern, fehlte auch in drei Partien. Und nicht nur das: Er ist aktuell weit von der Form der guten Tage entfernt. Das spürt der FCW sofort. Und der Mann, der als kongenialer Partner auf der Sechs neben Zuffi gedacht war und darum von YB zurückgeholt wurde, hat diese Saison noch kein Spiel gespielt: Alexandre Jankewitz ist seit Monaten am Fuss verletzt. Es mag edlere Fussballer geben als ihn – dank seiner Physis hat er für den FCW einen grossen Wert im Mittelfeld.

Ausserdem ist Roman Buess eben erst auf den Rasen zurückgekehrt. Anfang Jahr wurde bei ihm eine Thrombose im Hirn festgestellt – die zum Glück noch rechtzeitig behandelt worden ist. Als Leader und Persönlichkeit fehlt er noch weit mehr als sportlich.

4. Die Neuen

Wurde Kaiser zu Recht dafür gelobt, aus wenigen Mitteln womöglich gar das Optimum herausgeholt zu haben, so muss er nicht nur in der Trainerfrage damit leben, dass seine Arbeit kritischer gesehen wird als auch schon. Mit der Rückholaktion von Fabian Frei, dem einstigen Junior, gelang ihm ein Coup – der aber mehr mit Freis Lage beim FC Basel zu tun hatte als mit dem FCW selbst.

Mit Stefanos Kapino holte er einen Goalie von bestimmter Klasse – verärgerte aber Publikumsliebling Markus Kuster, der zum zweiten Mal degradiert wurde. Und offensiv hat der Klub schlicht nicht genug Qualität. Spieler wie Gomis, Lukembila oder Baroan, der schon im Winter kam, helfen substanziell zu wenig. An diesem Verdikt ändert auch Baroans Siegtor gegen GC nichts. Und Boubacar Fofana, der auch ebenso letzten Winter auf die Schützenwiese wechselte, gilt als im Klub als Talent, das jedoch nicht weiss, wie er ebendieses nutzen muss. Labinot Bajrami, der im Sommer vom FCZ kam, startete immerhin mit zwei Toren.

In dieser Saison gab es für den FCW noch nicht viel zu jubeln. Acht von elf Spielen gingen verloren.
In dieser Saison gab es für den FCW noch nicht viel zu jubeln. Acht von elf Spielen gingen verloren.
Keystone

Der neue Innenverteidiger Lukas Mühl bringt Routine aus Wien und Nürnberg mit – gegen den FCB ging er jedoch wie der Rest des Teams unter. Was tun? Kaiser hat kaum Geld und kann nicht zaubern. Bessere Offensivkräfte hätte sich mancher trotzdem gewünscht.

5. Matteo Di Giusto

Er war die Lebensversicherung in den ersten eineinhalb Super-League-Jahren – fintenreich, raffiniert, schussstark, mit einem guten Auge. Seit dem Herbst 2023 allerdings müht er sich, wieder richtig Tritt zu fassen. Er ist noch immer von unschätzbar hohem Wert – wie er mit seinen drei Toren in den ersten beiden Spielen der neuen Saison bewies. Der Schuss Genialität, der Spielwitz, das Unbeschwerte fehlen ihm aber seit geraumer Zeit, auch wenn sich noch immer viele wundern, wie ein Spieler von seinem Format auch im dritten Jahr noch in Winterthur spielt.

Im Herbst 2023 ereilte Di Giustos Familie ein schwerer Schicksalsschlag, als die Mutter überraschend starb. Einen Zusammenhang zwischen diesem Verlust und dem Sportlichen herzustellen, wäre jedoch keinesfalls opportun. Vielmehr schadet es Di Giusto, wenn er von Zaric immer wieder auf der Seite eingesetzt wird statt im Zentrum, wo er am besten aufgehoben ist.

Fazit: Öffnet das Besitzer-Duo um Präsident Mike Keller und dessen Bruder Tobias im Winter nicht noch mal das Portemonnaie oder schaffen es die beiden nicht, die finanziellen Möglichkeiten zu erhöhen – durch Herbeischaffen von frischen Geldern und neue Investoren – dürfte die Winterthurer Super-League-Herrlichkeit im nächsten Sommer vorbei sein. Und Indizien, dass investiert wird, sind derzeit nicht erkennbar.

Der FCW braucht dringend ein Erfolgserlebnis, um den Anschluss nicht zu verlieren. Am Mittwochabend gastiert das Team von Ognjen Zaric in St.Gallen. blue Sport überträgt das Spiel live, Anpfiff ist um 20.30 Uhr.


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