30 Jahre danach Ulli Maiers Todesabfahrt und die Folgen der Tragödie

Von Peter Staub

27.1.2024

Streckenposten und Ärzte bergen Ulrike Maier während der Weltcup-Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen. Maier verstarb an der Unfallstelle an den Folgen eines Genickbruches.
Streckenposten und Ärzte bergen Ulrike Maier während der Weltcup-Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen. Maier verstarb an der Unfallstelle an den Folgen eines Genickbruches.
Keystone

Wenn Marco Odermatt und Co. an diesem Wochenende, und eine Woche später die weltbesten Abfahrerinnen, über die Kandahar-Strecke in Garmisch-Partenkirchen rasen, kommen unweigerlich Erinnerungen auf. An den Todessturz von Ulli Maier vor 30 Jahren.

Von Peter Staub

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Am 29. Januar 1994 verunfallte Ulrike «Ulli» Maier bei der Weltcup-Abfahrt von Garmisch-Partenkirchen tödlich. Die einzige Mutter im Ski-Weltcup war das erste Todesopfer während eines alpinen Weltcup-Rennens.
  • Immer Ende Januar, diesmal morgen Sonntag, gedenkt man in der kleinen Marktgemeinde Rauris im Salzburger Pinzgau mit einer Heiligen Messe an die berühmteste Sportlerin des Tales.
  • Der tragische Unfall löste ein riesiges mediales Echo aus und trug den beiden Renndirektoren des internationalen Skiverbandes ein gerichtliches Nachspiel ein. Sie wurden schliesslich freigesprochen.

Eigentlich ist die FIS-Schneise, so heisst der Abschnitt kurz vor dem Ziel, nicht besonders anspruchsvoll, aber die Passage ist eng und schnell. Als die 26-jährige Österreicherin an diesem trüben Januar-Samstag um 13.58 Uhr mit Startnummer 32 auf die Piste ging, waren die Favoritinnen längst im Ziel. Ulli Maier gehörte nicht dazu. Sie zählte nicht zu den wilden Draufgängerinnen und hatte in ihrer Karriere keine Dutzend Abfahrten bestritten. Ende Saison wollte sie zurücktreten, um mehr Zeit für ihre 4-jährige Tochter Melanie zu haben.

Auch die Super-G-Doppelweltmeisterin war auf der eisigen Piste schnell unterwegs, mit knapp 105 km/h raste sie in Richtung Ausfahrt FIS-Schneise. Als sie mit dem rechten Ski verkantete, blieb dieser im Schnee hängen. Entgegen aller damals vermuteten Szenarien stürzte sie bergauf und prallte mit heftiger Wucht auf die pickelharte Unterlage. Sie schlitterte ausserhalb der mit Tannenreisig begrenzten Rennpiste auf einen mit einem Strohballen abgedeckten Schneekeil. Dieser sollte den angesägten Pfosten für die Zeitmessanlage sichern.

Der verhängnisvolle Verschneider von Ulli Maier.
Der verhängnisvolle Verschneider von Ulli Maier.
Keystone

Durch die Wucht des Aufpralls und die Körperrotation wurde ihre Halswirbelsäule um vier Zentimeter verschoben, das Rückenmark war durchtrennt und die beiden Nackenarterien zerrissen. Ulli Maier hatte keine Überlebenschance – sie war auf der Stelle tot. Zweieinhalb Stunden nach dem Unfall wurde in der Unfallklinik in Murnau ihr Hirntod festgestellt.

Schwangere Weltmeisterin

«Es gab gegen unten genug Sturzraum, die Aufwärts-Rotation war so nicht vorhersehbar. Jedenfalls damals nicht», erinnert sich Monika Maierhofer, verheiratete Exenberger. Die Slalomspezialistin aus der Steiermark war gleich alt wie Ulli Maier und lange Zimmerkollegin der Salzburgerin. Was Monika Maierhofer damit anspricht: Die taillierten Ski waren noch neu im Weltcup, und mit solchen Risiken beziehungsweise Sturz-Folgen hatte niemand gerechnet.

Das Drama von Garmisch stand in einem scharfen Kontrast zur Karriere von Ulrike Maier. Als Slalom-Spezialistin einst an die Weltspitze gekommen, erreichte sie ihre besten Resultate bald im Riesenslalom und im Super-G. Im Februar 1989 wurde sie in Vail Weltmeisterin. Bei der Siegesfahrt war sie, wie sie wenige Tage später verriet, im dritten Monat schwanger.

Vier Jahre später, an der «Sonnen-WM» in Saalbach, nur dreiviertel Autostunden von zu Hause entfernt, schrieb die Salzburgerin die vielleicht schönste Geschichte, die nicht einmal Hollywood besser hätte inszenieren können. Vor den Augen ihrer kleinen Tochter Melanie, ihres Lebensgefährten Hubert Schweighofer und ihrer Eltern wurde sie zum zweiten Mal Super-G-Weltmeisterin. Die Bilder einer strahlenden Siegerin mit Tochter auf dem Arm gingen um die Welt. Es war der 29. Januar 1991.

Am 29. Januar 1991 wurde Ulrike Maier in Saalbach zum zweiten Mal Super-G-Weltmeisterin.
Am 29. Januar 1991 wurde Ulrike Maier in Saalbach zum zweiten Mal Super-G-Weltmeisterin.
imago

Auf den Tag genau drei Jahre später zerstörte der folgenschwere Sturz in Garmisch das grosse Glück. Während die Ski-Welt trauerte, ging Hubert Schweighofer medienwirksam in die Offensive, klagte Veranstalter und Renndirektoren öffentlich an. Mit seinen vorschnell geäusserten Anschuldigungen und Forderungen schuf er ein vergiftetes Klima. In der aufgeheizten Stimmung war eine sachliche Diskussion, ob sich der Unfall überhaupt hätte verhindern lassen können, kaum mehr möglich. Wunden entstanden, auch familiäre, die nie mehr richtig verheilten.

600'000 Franken Entschädigung für Maiers Tochter

Die beiden Renndirektoren des Internationalen Skiverbandes, der Österreicher Kurt Hoch und der Zürcher Jan Tischhauser, wurden von der Staatsanwaltschaft München in einem ersten Verfahren freigesprochen, in einem Berufungsverfahren jedoch wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.

Zu einem Urteil vor dem Landesgericht München kam es im April 1995 allerdings nicht. Der Internationale Skiverband (FIS) erklärte sich am zweiten Prozesstag bereit, Ulrike Maiers Tochter mit 600'000 Franken zu entschädigen. Das Verfahren wurde eingestellt.

Am 3. Februar 1994 wird Ulli Maier in ihrer Heimatgemeinde Rauris zu Grabe getragen.
Am 3. Februar 1994 wird Ulli Maier in ihrer Heimatgemeinde Rauris zu Grabe getragen.
Keystone

Es dauerte danach lange, bis in Garmisch wieder eine Frauen-Abfahrt durchgeführt wurde. Erst nachdem die Strecke modernisiert und im Bereich der FIS-Schneise deutlich verbreitert worden war, kam wieder eine Abfahrt ins Programm – im Januar 2010!

«Sie wird immer in unseren Herzen bleiben»

Der Unfall geht Monika Maierhofer in diesen Tagen des Öftern durch den Kopf. Sie erinnert sich «an eine aufgestellte Teamkollegin, die immer in unseren Herzen bleiben wird». Und Zufall oder nicht, am 3./4. Februar heisst es für die österreichischen Skistars von einst «Willkommen zurück – Saalbach 1991!»

Nur zwei Goldmedaillengewinner von damals, Petra Kronberger und Stephan Eberharter, werden beim «Klassentreffen» noch mit dabei sein. Ulli Maier und Rudi Niederlich (Autounfall, vier Monate nach WM-Titel) wurden viel zu jung auf tragische Weise aus dem Leben gerissen. «Wir werden den beiden bei unserer Zusammenkunft gedenken», sagt Monika Maierhofer.

Monika Maierhofer war lange Zimmerkollegin von Ulrike Maier.
Monika Maierhofer war lange Zimmerkollegin von Ulrike Maier.
imago

Saalbach – ein Ort mit besonderer Symbolkraft: Am Zwölferkogel, wo Ulli Maier den Super-G-WM-Titel gewonnen hat, wurde die neue Frauen-Strecke nach Ulli Maier benannt. Auf dieser werden die Frauen-Wettbewerbe beim Weltcupfinal 2024 und bei der WM 2025 ausgetragen. Ulli Maiers Tochter Melanie ist mittlerweile zweifache Mutter und lebt in Mühlbach am Hochkönig und will sich genauso wie ihr Vater nicht mehr öffentlich äussern.