Berni Schär kennt den Skisport aus dem Effeff. Mit blue Sport spricht der langjährige Sportredaktor über das Comeback von Marcel Hirscher, die umstrittene Wildcard und einen Schweizer, der Odermatt in Sachen Gesamtweltcup ganz nahe kommen könnte.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Berni Schär begleitete den alpinen Skiweltcup als Sportredaktor über Jahre hinweg.
- Schär erlebte unter anderem Marcel Hirscher während dessen Primetime hautnah.
- Dass Hirscher Marco Odermatt zur Gefahr werden kann, glaubt Schär – Stand jetzt – nicht. Derweil traut er einem anderen Schweizer den grossen Coup zu.
Er hat eine der wohl bekanntesten Stimmen der Schweiz: Berni Schär. Der Berner war über 30 Jahre lang Redaktor Sport beim SRF und berichtete unter anderem von 15 Olympischen Spielen, 16 Skiweltmeisterschaften und 70 Grand-Slam-Turnieren im Tennis, ehe er im April 2021 in Pension ging. Auch als Pensionär ist der 68-Jährige viel unterwegs. Er hält Referate, führt Talks und moderiert Veranstaltungen aller Art. Der Sport ist nach wie vor seine grosse Leidenschaft. Wenige Wochen vor dem Start in die neue Ski-Saison hat blue Sport mit Schär über das Comeback von Marcel Hirscher und mehr gesprochen.
Berni Schär, Marcel Hirscher kehrt nach fünf Jahren in den Ski-Weltcup zurück. Was halten Sie davon?
Ich respektiere diesen Entscheid. Als achtfacher Gesamtweltcupsieger ist und bleibt er ein Ausnahmeathlet und geniesst meine volle Hochachtung. Mir als Journalist gegenüber war er stets kommunikativ, konzentriert, aussagekräftig und respektvoll. Ich gehe davon aus, dass er nochmals die Herausforderung sucht, aber auch aus Freude zum Skisport zurückkommt und auch die Wettkampfatmosphäre nochmals spüren will. Die Rückkehr wird weit über den Skisport hinaus auf grosses Interesse stossen. Gut so. Der alpine Skirennsport hat eine grosse Beachtung verdient.
Das weiss wohl auch Hirscher selbst. Ist sein Comeback ein PR-Stunt oder ist es ihm ernst?
Wenn Marcel Hirscher tatsächlich auf die Skipiste zurückkehrt, gehe ich davon aus, dass er dies zielgerichtet und ehrgeizig tut. Und ohne Zweifel geht es zu einem hohen Grad um die Werbung für seine Skimarke. Völlig klar und logisch. Er ist mittlerweile auch ein erfolgreicher und cleverer Geschäftsmann.
Wie erfolgreich wird Hirscher bei der Rückkehr auf die Piste sein?
Er war zu seiner Aktivzeit ein brillanter Techniker, ausgestattet mit einem feinen Gefühl für das Gelände und einem ausgeprägten Renninstinkt. Ein fokussierter Wettkampftyp, der im entscheidenden Moment seine Leistung abrufen konnte. Solche Qualitäten wird er nicht gänzlich verloren haben. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass er körperlich fünf Jahre älter ist. Ist er topfit genug für Spitzenresultate? Ist die Abstimmung von Ski, Bindung und Schuh bereits optimal? Es geht um Details und in den Rennen um Hundertstel. Klar, es ist nie etwas unmöglich. Aber ich denke, es dürfte für Hirscher doch sehr, sehr, sehr schwierig werden, nochmals aufs Podest zu fahren. Wenn doch, dann wäre das echt genial.
Kann Hirscher ein ernstzunehmender Konkurrent für Marco Odermatt werden?
Ich kann mir das zum aktuellen Zeitpunkt nicht vorstellen. Zu grandios fährt Odermatt. Ein Vergleich zwischen einem Hirscher früher in seinen besten Jahren und dem heutigen Odermatt wäre hingegen sicher ein hochinteressanter und spannender Vergleich gewesen.
Wenn nicht Hirscher, wer sonst könnte Odermatt in Sachen Gesamtweltcup einen Strich durch die Rechnung machen?
Ein Konkurrent von Odermatt könnte Loïc Meillard sein. Er ist technisch ein Ästhet und mit seinem flüssigen Stil stark in anspruchsvollen Passagen. Er ist vielseitig, fährt alle Disziplinen und als Perfektionist analysiert er gründlich.
Zurück zu Marcel Hirscher: Er würde aufgrund seiner Erfolge von der neu geschaffenen Wildcard profitieren. Was halten Sie davon?
Eine attraktive Neuerung. Die Messlatte für die Wildcard liegt sehr hoch (Sieg Gesamtweltcup, Disziplinenwertung, Olympische Spielen oder Weltmeisterschaften, über zwei Jahre inaktiv, d.Red.). Das ist gut so. Im Tennis zum Beispiel sind Wildcards für ehemalige Grand-Slam-Sieger gang und gäbe. Es zeugt von Anerkennung und Dankbarkeit für die gezeigten Leistungen. Ein aktuelles Beispiel ist Stan Wawrinka. Hirscher erfüllt sämtliche Kriterien der Wildcard-Vergabe und soll somit mit der Nummer 31 an den Start gehen dürfen.
Wie blicken Sie auf die neue Saison?
Ich freue mich auf spannende, spektakuläre und emotionale Rennen. Der alpine Skirennsport gehört zum Attraktivsten, was der Wintersport bieten kann. Die Spitze wird immer breiter, der Konkurrenzkampf härter und die Anzahl der möglichen Podestfahrerinnen und Podestfahrer grösser. Prima und wertvoll so. Dazu steht im Februar die Weltmeisterschaft in Saalbach auf dem Programm.