Mit seinem Nationenwechsel ist Neo-Brasilianer Lucas Braathen im alpinen Skizirkus nicht alleine. Seit jeher gab es immer wieder spektakuläre Abgänge. blue Sport hat fünf solche Fälle zusammengetragen.
Urs Imboden
Der grösste Erfolg des Slalomspezialisten Urs Imboden war ein 5. Platz bei den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City 2002. Im Weltcup fährt er nie aufs Podest, deshalb wird es für ihn eng im Schweizer Kader. Nach seinem Rauswurf erlangt er zusammen mit dem ebenfalls zuvor ausgemusterten Teamkollegen Christophe Roux erfolgreich die Staatsbürgerschaft des mausarmen Moldawiens. Dort muss Imboden sämtliche administrativen und service-technischen Aufgaben selber bewältigen. Er fährt fünf weitere Jahre, sammelt fleissig Weltcuppunkte und nach einem 7. Platz in Adelboden als bester «Schweizer» wird er gar zu Moldawiens Sportler des Monats gekürt.
Marc Girardelli
Marc Girardelli ist im österreichischen Lustenau, einen Steinwurf entfernt von der Schweizer Grenze, geboren. Man stelle sich vor, Pirmin Zurbriggens grösster Rivale wäre auf der Schweizer Seite des Rheins geboren. Bereits als Knirps erkennt sein Vater Helmut Marcs Talent, ist jedoch unzufrieden mit der Förderung des ÖSV. 1976 ziehen die Girardellis nach Luxemburg und trainieren auf eigene Faust. Zu Weltcupzeiten nicht selten alleine in Neuseeland. Sportlich folgt ein Skimärchen sondergleichen. Unter der Flagge Luxemburgs wird er zu einem der grössten Skirennfahrer aller Zeiten. Trotz Erfolgen besteht sein grösster Fanclub aus gerade mal zwei Frauen – eine davon ist seine Coiffeuse.
Christa «Kinsi» Kinshofer
«Kinsi» ist bereits als Teenager eine Riesennummer. In der Saison 78/79 gewinnt sie mit 18 Jahren fünf Slalom-Weltcuprennen in Folge – bis heute Rekord für eine deutsche Skirennfahrerin. Der sportliche Erfolg ist ihr jedoch nicht genug. Ihr Slogan lautet «Ich bin sexy und selbstbewusst». Sie macht Werbespots, eröffnet eine Kleiderboutique und verscherzt es sich so mit ihrem Trainer. So startet sie ab 1982 für die Niederlande – deren höchster Berg 300 Meter hoch ist. Fünf Jahre später gewinnt sie als Niederländerin die deutschen Meisterschaften. Die Deutschen haben einen neuen Trainer und werben ihre «verlorene Tochter» wieder ab – für eine Ablösesumme von umgerechnet 20'000 Franken. «Kinsi» dankt es dem Verband im Folgejahr mit Doppel-Edelmetall an den Olympischen Spielen von Calgary. Ein Hollywood-Märchen.
Elfriede «Elfi» Eder
Die Österreicherin startet ab 1998 für Grenada. Ihr langjähriger Trainer Gottfried Trinkl wird vom ÖSV entlassen. Aus Protest und Trotz engagiert sie ihn als «Privattrainer», wird Staatsbürgerin des Karibikstaates Grenada, wo kurzfristig ein Skiverband gegründet wird. An frühere Erfolge – u.a. der Gewinn des Slalomweltcups – kann die Technik-Spezialistin nicht anknüpfen. Trinkl verlässt sie per Telefonat. Ein Jahr nach ihrem Wechsel tritt sie verletzt zurück. Auf Grenada hat sie bis heute keinen Fuss gesetzt.
Alexander John «AJ» Ginnis
Der US-Amerikaner startet seit 2020 für Griechenland. Der in Athen geborene und in Österreich und den USA aufgewachsene Ginnis steht bereits im Alter von 2 Jahren auf den Brettern. Das zahlt sich aus. Als 16-Jähriger gewinnt der Techniker seine ersten FIS-Rennen, 2015 gewinnt er für die USA WM-Bronze im Slalom. Dann ein Schicksalsschlag: Er reisst sich gleich zweimal das Kreuzband, verpasst deswegen 2014 die Olympischen Spiele und wird vom US-Verband aussortiert. So kommt Ginnis 2020 beim Skiverband Griechenlands unter. Trotz mickrigem Budget etabliert er sich im Weltcup, ehe er 2023 die Sensation schafft und für Griechenland WM-Silber absahnt.