Daniel Yule ist mit 27 Jahren bereits der erfolgreichste Schweizer Slalom-Fahrer der Geschichte – auch wenn lange nur wenig darauf hindeutet. Sein Weg an die Weltspitze ist beachtlich.
Lange gilt der Slalom als die Schweizer Sorgendisziplin im alpinen Skisport. In 25 Jahren setzt es für die erfolgreiche Skination nur vier Siege ab – eingefahren von Didier Plaschy (2x), Marc Berthold und Marc Gini. Und auch als Daniel Yule 2008 sein Weltcup-Debüt feiert, spricht wenig für einen Schweizer Slalom-Aufschwung. Denn die Hoffnungen in den Walliser sind überschaubar.
Yule, Sohn einer Schottin und eines Engländers, kommt nicht aus einer klassischen Skifamilie. «Es ist heute noch so, dass ich ab und zu etwas übers Material oder so erzähle – und sie sagen: Aha, wirklich, ist das so im Skisport?», verrät Yule im vergangenen Jahr in Adelboden. Zudem gilt er als kleiner Junge nicht wirklich als besonders begabter Skifahrer, sticht nie heraus. «Mein Talent war nicht auf den Ski», sagt der 27-Jährige noch heute.
«Wenn es um die Ehre geht, kann ich mich steigern»
Seine Stärken liegen eher im mentalen Bereich, damals wie heute. Besonders seine Nervenstärke zeichnet ihn stets aus. «Wenn es um die Ehre geht, kann ich mein Niveau steigern», gibt Yule im Interview mit der NZZ preis. So habe er im vergangenen Winter wohl mehr Rennen gewonnen als Trainingsläufe. Auch als Nachwuchsfahrer erfüllt er die Kriterien oft nur knapp, hangelt sich von Niveau zu Niveau – bis er schliesslich im Weltcup landet.
Dort kriegt er seine Chance aber nur, weil es im schwach besetzten Slalom-Team überhaupt Platz hat, erzählt Yule. Die Europacup-Resultate, die Yule zu diesem Zeitpunkt vorweisen kann, würden heute niemals für Weltcup-Einsätze reichen. So sei er – genau wie Luca Aerni und Ramon Zenhäusern – nachgezogen worden. Oder wie es Yule in einer französischen Redewendung formuliert: Sie seien «appel d’air» gewesen – also quasi hochgespült worden.
Der Sprung in die Weltspitze
Am 22. Januar absolviert Yule in Kitzbühel sein erstes Weltcup-Rennen – und klammert sich ab da fest. Jahr für Jahr tastet er sich an die Weltspitze heran, ohne viel Aufsehen zu erregen. «Ich hatte den Vorteil, dass bei mir die Erfolge etwas später kamen. Ich musste einige Jahre im Weltcup herumreisen», sagt er selbst.
Im Dezember 2018 triumphiert Yule in Madonna di Campiglio schliesslich zum ersten Mal im Weltcup und braucht ab da bloss 401 Tage, um gleich viele Rennen zu gewinnen wie all seine Landsmänner in 25 Jahren. Die vergangene Saison schliesst er zum zweiten Mal in Folge als drittbester Slalomfahrer der Welt ab und gehört definitiv zur absoluten Weltspitze.
Am 21. Dezember will Yule beim ersten Slalom der laufenden Saison in Alta Badia wieder angreifen, der Erfolgshunger ist längst nicht gestillt. Und trotzdem ist für den Schweizer klar: «Wenn mir mit zwölf jemand gesagt hätte, ich würde meine Karriere mit vier Siegen beenden – ich hätte gesagt: Du spinnst.»