Pirmin Zurbriggen blickt zurück «Ich habe zum Schluss katastrophale Fehler gemacht»

Von Peter Staub

4.2.2023

Pirmin Zurbriggen gilt als bester Schweizer Skifahrer aller Zeiten. Am Samstag wird er 60.
Pirmin Zurbriggen gilt als bester Schweizer Skifahrer aller Zeiten. Am Samstag wird er 60.
Keystone

Pirmin Zurbriggen feiert heute Samstag seinen 60. Geburtstag. Im Gespräch mit blue Sport blickt er auf seine aussergewöhnliche Karriere zurück.

Von Peter Staub

4.2.2023

Pirmin Zurbriggen war in den 1980er Jahren der überragende Skirennfahrer, er verzückte die Schweizer Fans mit seinen grossen Erfolgen und seiner Bodenständigkeit. Heute Samstag wird er 60 Jahre alt. Ein Gespräch mit dem Zermatter Hotelier über seine Karriere und seine Verbundenheit zum Rennsport.

Pirmin Zurbriggen, wie verbringen Sie Ihren 60. Geburtstag?

Ich bin nie ein grosser Geburtstags- und Festbruder gewesen. Das ändert sich auch diesmal nicht, es wird ein normaler Tag. Wenn sich am Samstag am späteren Nachmittag die ganze Familie zu Kaffee und Kuchen trifft, ist mein grösster Wunsch bereits in Erfüllung gegangen. Irgendwann später werden wir dann als Familie alle zusammen etwas Spezielles unternehmen. Was und wann genau, ist offen.

Welche Beziehung haben Sie heute noch zum Skirennsport?

Als ehemaliger Präsident des Walliser Skiverbandes und als Vizepräsident von Swiss Ski habe ich mich lange intensiv um den Nachwuchs gekümmert. Von daher gibt es noch starke Verbindungen. So bekomme ich Nachrichten von Loïc Meillard, Justin Murisier oder Marco Odermatt, und wir tauschen uns kurz aus. Dazu bin ich Botschafter der Weltcup-Abfahrt von Zermatt, den «Matterhorn Cervino World Cup Races». Aber aktiv im eigentlichen Sinn bin ich nicht mehr. Irgendwann wird man müde, hat man genug gemacht.

Und privat? Sieht man Sie noch oft auf den Pisten?

Leonie, unsere jüngste Tochter. ist 14-jährig, sie fährt wieder Rennen. Sie bekam mit 12 Jahren Pfeiffersches Drüsenfieber, konnte nichts mehr machen und fiel über eine Saison aus. Jetzt steigen wir langsam wieder ein. Ich präpariere ihre Skier. So bleibe ich mit dem Sport in Verbindung. Die Begeisterung ist ungebrochen, ich fahre noch heute sehr gerne Ski.

Denken Sie oft an Ihre Karriere zurück?

Die Vergangenheit holt mich immer wieder ein. Je mehr ich reflektiere und studiere, wie dies und jenes im Detail gewesen ist. Ich denke nicht, dass ich heute grundlegend etwas anderes machen würde, könnte ich nochmals beginnen. Im Grossen und Ganzen ist meine Karriere nicht so schlecht gewesen.

Die grössten Erfolge von Pirmin Zurbriggen

  • Olympiasieger in der Abfahrt, 1988 in Calgary
  • Weltmeister in der Abfahrt, 1985 in Bormio
  • Weltmeister in der Kombination, 1985 in Bormio
  • Weltmeister im Super-G, 1987 in Crans-Montana
  • Weltmeister im Riesenslalom, 1987 in Crans-Montana
  • Insgesamt neun WM- und zwei Olympia-Medaillen
  • 40 Weltcupsiege
  • Vierfacher Sieger des Gesamtweltcups
  • Elf Siege in diversen Disziplinenwertungen

Sie untertreiben massiv …

Für mich war immer die Freude am Sport das Wichtigste. Vielleicht hätte ich nicht mit 27 Jahren aufgehört, wenn die Rahmenbedingungen wie heute gewesen wären. Vielleicht hätte ich bis 35 weitergemacht.

Wie meinen Sie das?

Zu meiner Zeit kamen Fahrer wie der Vorarlberger Christian Orlainsky mit 16 oder mein Teamkollege Joël Gaspoz mit 17 Jahren in den Weltcup – beide gewannen 19-jährig ihr erstes Rennen. Heute ist so etwas kaum mehr möglich. Der Aufbau ist langfristiger ausgelegt, die Athletik hat sich um ein Vielfaches verbessert, dem Muskelaufbau wird mehr Beachtung geschenkt.

Ich habe zum Schluss, in den letzten beiden Jahren, katastrophale Fehler gemacht. Wäre ich nicht zurückgetreten, hätte mein Körper wohl eine einjährige Pause zur Erholung gebraucht. Ein Beispiel: Wir hatten damals das Stehvermögen mit Velosprints trainiert. Einmal bin ich vom Velo gefallen, weil meine Muskeln so übersäuert waren.

Pirmin Zurbriggen bei den Olympischen Spielen 1984 in Sarajevo.
Pirmin Zurbriggen bei den Olympischen Spielen 1984 in Sarajevo.
Keystone

Schauen wir noch auf einige besondere Momente zurück. Was fällt Ihnen zum 7. Dezember 1980 ein?

Das sagt mir was … (überlegt). Mein erstes Weltcup-Rennen, die Abfahrt von Val d-I’sère. Oben war ich einer der langsamsten, bis zum Carrousel verlor ich schon viereinhalb Sekunden. Unten war ich dafür einer der Schnellsten. Aber ich habe noch eine ganz andere Erinnerung an Val d’Isère: 1986 bin ich im ersten Training mit Nummer 1 an der Bosse à Collombin fürchterlich gestürzt und brutal auf den Rücken geknallt. Die Folgen dieses Sturzes spürte ich noch lange.

4. Januar 1981?

Weiss ich nicht mehr …

Schweiz, Toggenburg.

Ah, Weltcup-Riesenslalom in Ebnat-Kappel. Heute unvorstellbar, auch wegen des Klimawandels. Im ersten Lauf etwa auf Rang 30 gefahren, im zweiten auf den 20. Platz verbessert. Zusammen mit der Abfahrt von Val d’Isère wurde eine Kombination ausgetragen – als Fünfter holte ich so meine ersten Weltcuppunkte.

24. März 1982?

San Sicario – mein erster Weltcupsieg in einem Einzelrennen, in einem Riesenslalom. Es war der Durchbruch. Da habe ich gewusst, die anderen kochen auch nur mit Wasser. Wenn Du einmal ein Rennen gewinnst, bekommst Du eine andere Sicherheit, eine andere Überzeugung.

Haben Sie noch Kontakt zu den Konkurrenten von früher?

Nicht mehr viel. Aber wenn man sich sieht, haben wir es gut miteinander. Kürzlich war Franz Klammer in Zermatt, wir haben uns getroffen und geplaudert. Auch Marc Girardelli, mein grosser Rivale. Unglaublich, was Marc alles geleistet hat, denn er hat es als Einzelsportler und für Luxemburg startend nie einfach gehabt. Ständig mit dem Vater allein unterwegs … Ich habe ihn einmal gefragt, wie er das ausgehalten hat.

Und, was hat er geantwortet?

Es habe alles im Leben zwei Seiten. Er kannte die Qualitäten seines Vaters als Trainer und als Teamchef. Die andere Seite musste er für sich ganz allein selber finden.