Es ist ein Kasperlitheater vom Allerfeinsten: Das Curling-Duo Perret/Rios streitet sich in Pyeongchang von Sieg zu Sieg und holt letztlich Olympia-Silber. Es ist die erste Medaille für die Schweiz.
Alle vier Jahre mutiere ich zum Teilzeit-Curling-Fan. Dann nämlich, wenn die Schweiz an den Olympischen Spielen um die Medaillen kämpft – und das ist fast immer der Fall. Doch so amüsiert wie in diesem Jahr habe ich mich zuvor noch nie. An dieser Stelle ein grosses Dankeschön an Jenny Perret und Martin Rios für jede Menge «Comedy on Ice».
Man traute seinen Ohren kaum, wenn man den beiden zuhörte. Das war ein bisschen wie auf RTL2, wenn sich am frühen Nachmittag irgendwelche schlecht bezahlten Laien-Schauspieler ungefiltert alle Schande sagen. Gut, das ist jetzt ein bisschen übertrieben. Aber es ging dann schon in diese Richtung.
Denn auf dem Eis hielten die beiden definitiv nicht mit gegenseitiger Kritik zurück, aufbauende Worte gab es nie. Doch Perret/Rios brauchen das offenbar. Rios erklärt das später gegenüber der «NZZ» wie folgt: «Wenn ich einen Käse zusammenspiele und man mich aufmuntern will, der nächste Stein komme bestimmt besser, macht mich das rasend. Das ist Heuchelei.» Ja, Heuchelei kann man den beiden wahrlich nicht vorwerfen.
Im Final zu wenig gestritten?
Und so stritten sich Perret/Rios bei der Olmpischen Mixed-Curling-Premiere bis in den Final. Rios' Analyse nach der imposanten Aufholjagd (vom 2:7 zum 9:8) im Halbfinal gegen die Russen: «Es ist super, wenn Jenny nervös ist. Dann kann sie nicht denken.» Nicht gerade «gentlemanlike». Wären die beiden ein Paar, sie hätten danach wohl die eine oder andere Nacht in getrennten Betten geschlafen.
Ein Paar neben dem Rink, das waren sie einmal. Doch diese Zeiten sind vorbei. Umso erstaunlicher, dass sie gemeinsam einen solchen Erfolg feiern konnten. So richtig freuen mochten sich die beiden über Silber aber nicht, denn sie sind nach Pyeongchang gereist, um Gold zu gewinnen. Vielleicht haben sie im Final einfach zu wenig gestritten. Denn für einmal war fast schon ein Hauch von Harmonie zu spüren – wer sich auf wilde Wortgefechte gefreut hatte, der wurde enttäuscht. Bei diesem aussergewöhnlichen Curler-Paar sind das ganz offensichtlich keine guten Voraussetzungen.
Doch die nächste Chance wird kommen. Denn im März verkündeten die beiden, dass sie bis zu den Olympischen Winterspielen in Peking gemeinsam fortfahren. Und so freue ich mich schon auf das nächste Curling-Spiel, das ich schauen werde – im Jahr 2022.