Ghana stand an der WM 2010 in Südafrika kurz davor, als erstes afrikanisches Team in den Halbfinal einzuziehen. Doch in der Nachspielzeit der Verlängerung fehlte Asamoah Gyan die nötige Abgeklärtheit. Heute kommt es zur grossen Revanche gegen Uruguay.
Die Ghanaer waren untröstlich. Viele lagen auf dem Boden, das Gesicht in den Händen, und weigerten sich aufzustehen. Soeben hatten sie es verpasst, Geschichte zu schreiben. Als erstes afrikanisches Team hätte Ghana den WM-Halbfinal erreichen können – dazu noch, als das Turnier in Südafrika und damit erstmals auf afrikanischem Boden stattfand. Doch gegen Uruguay scheiterten die «Black Stars» im Penaltyschiessen.
Die besondere Tragik: So weit hätte es gar nicht kommen sollen. In der Nachspielzeit der Verlängerung bot sich Asamoah Gyan die grosse Chance, sein Team in die Halbfinals zu schiessen. Eine Minute davor hatte Uruguays Topstürmer Luis Suarez die Rolle des Torhüters übernommen und einen Kopfball auf der Linie geklärt – mit den Händen. Während Suarez mit Rot vom Platz gestellt wurde, trat Gyan in der 122. Minute zum Penalty an.
Der damals 24-Jährige war Ghanas prägende Figur an diesem Turnier. Mit zwei Toren – beide vom Penaltypunkt aus – schoss er das Team in die K.o.-Phase. In dieser traf Ghana erst auf die USA, die überraschend England hinter sich gelassen hatten. Die Partie ging in die Verlängerung, in der Gyan den siegbringenden Treffer erzielte. Der damals bei Stade Rennes engagierte Stürmer hätte der Mann des Turniers werden können.
Es sollte nicht sein. Gyans Schuss prallte von der Querstange ab, an der Seitenlinie jubelte der zuvor noch betrübte Suarez überschwänglich, die Verlängerung wurde abgepfiffen. Im folgenden Penaltyschiessen trat Gyan als Erster seines Teams erneut an und verwandelte sicher. Weil zwei seiner Mitspieler verschossen, schied Ghana dennoch aus.
Suarez: «Ich habe den Penalty nicht verschossen»
Zwölf Jahre nach dem in Erinnerung gebliebenen Viertelfinal von 2010 treffen Uruguay und Ghana in Katar wieder aufeinander. Der Sieger dürfte in die K.o.-Phase einziehen.
Ghana hat die bessere Ausgangslage. Ein Sieg reicht sicher zum Weiterkommen, ein Remis, sofern Portugal gegen Südkorea nicht verliert oder zumindest nur im akzeptablen Rahmen. Uruguay braucht einen Sieg und dazu die Schützenhilfe von Portugal, nachdem es in den ersten beiden Spielen enttäuscht hat. Noch ist den Südamerikanern kein Treffer gelungen. Gegen Ghana droht nun die Ära mit Luis Suarez und Edinson Cavani zu enden, die 2010 gegen die Afrikaner so richtig begonnen hatte.
Der damals noch junge Luis Suarez steht vor dem Duell gegen Ghana natürlich im Rampenlicht. Der heute 35-Jährige sieht keinen Grund, sich nachträglich für sein Handspiel zu entschuldigen. «Ich habe den Ball mit der Hand gespielt, Ghanas Spieler hat den Penalty verschossen – nicht ich.»
Der Stürmer hat ohnehin genug mit der aktuellen Situation zu kämpfen in einer Mannschaft, die offensiv nicht auf Touren gekommen ist und erstmals seit 2002 in der Vorrunde scheitern könnte. Nationalcoach Diego Alonso trotzt dem Pessimismus. «Ich habe mich entschieden zu glauben», schrieb der 47-Jährige auf Twitter.
Sein Pendant bei Ghana, Otto Addo, verwies auch auf den Glauben, um zu erklären, wieso er nicht «richtig an Rache denkt» beim Duell mit Uruguay. «Ich bin keine Person, die nach Rache sucht, und als starker Gläubiger, wenn Sie nicht nach Rache für diese Dinge suchen, erhalten Sie manchmal mehr Segen von Gott», erklärte der gebürtige Hamburger, der im Tor wieder auf den St. Galler Lawrence Ati Zigi zählen kann.
sda