Frei, Neff und Indergand Schweizer Mountainbikerinnen mit Aussenseiterchancen

sda

26.7.2021 - 18:30

Die Schweizer Mountainbikerinnen treten im Olympiarennen als Aussenseiterinnen zum Medaillenkampf an. Eine junge Französin stellt seit Monaten alle in den Schatten.


Vier Rennen, vier Siege, das Polster nie kleiner als 51 Sekunden: Um die Topfavoritin im Cross-Country der Frauen zu erkennen, braucht es nicht viel Sachverstand. Loana Lecomte ist erst 21 Jahre alt und könnte im Weltcup noch eine ganze Weile bei der U23 antreten. Doch die in Annecy unweit der Grenze zu Genf geborene Französin hat die gleichaltrige Konkurrenz abgehängt und die Hierarchie bei den Frauen auf Anhieb über den Haufen geworfen.

Beim bisweilen schwierigen Übergang vom Nachwuchs zur Elite benötigte Lecomte keinerlei Anlaufzeit. 2019 an der U23-WM als Dritte noch klar geschlagen von der Siegerin Sina Frei und im U23-Weltcup lediglich Achte, gewann sie ein Jahr später nach der Corona-Pause in Nove Mesto gleich ihr erstes Weltcuprennen bei den «Grossen». Vier Tage später legte sie mit einem 3. Platz nach, nebenbei holte sie 2020 bei der U23 noch die Titel an WM und EM. In dieser Saison ist Lecomte im Cross-Country nicht nur ungeschlagen, sie fährt gefühlt in einer eigenen Liga.

Dem Schweizer Trio Sina Frei, Jolanda Neff und Linda Indergand und der übrigen Konkurrenz bleibt das Staunen – darüber, wie austrainiert Lecomte ist, wie die 21-Jährige das Limit physisch mit scheinbarer Leichtigkeit ausreizt, wie sie die Gratwanderung auf dem Maximum bisher spielend meistert.

Neff: «Schlechte Techniker sind chancenlos»

Bricht Lecomte nicht ein, liegt Gold für sie bereit. Sina Frei, als Gesamt-Sechste im laufenden Weltcup auf dem Papier die stärkste Schweizerin, nannte im Vorfeld die Hitze und den Druck als mögliche Stolpersteine für die Favoritinnen. Jolanda Neff verwies auf den anspruchsvollen Olympiakurs, der den Fahrerinnen ein hohes technisches Level abverlangt. «Schlechte Techniker sind chancenlos», befand sie nach dem ersten Training am letzten Freitag.

Druck, Hitze und Technik: Die Schweizerinnen wähnen sich in diesen Bereichen gut aufgestellt. Druck verspüren sie nach lauter Weltcuprennen ohne Podestplatz vergleichsweise wenig. Auf die klimatischen Herausforderungen, davon ist Frei überzeugt, konnten sich die Athletinnen von Swiss Cycling so gut vorbereiten wie kein anderes Nationalteam. Zehn Tage lang weilte das Team vor der Reise nach Tokio in einem Hitzetrainingslager in Alicante. In der Schweiz hatten die Fahrerinnen dank Unterstützung des Bundesamtes für Sport (Baspo) zudem Zugang zu einer Hitzekammer. An den technischen Fertigkeiten wurde in den letzten Jahren intensiv gearbeitet.

Während Gold dennoch für Lecomte reserviert ist, präsentiert sich der Kreis der weiteren Medaillen-Kandidatinnen gross. Zu diesen können auch die Schweizerinnen gezählt werden, wenn auch nicht als erstgenannte. Indergand mischte in den ersten beiden Weltcuprennen jeweils vorne mit. Frei war die Konstanteste, wartet aber nach wie vor auf ihren ersten Podestplatz bei der Elite. Neff steigerte sich von Rennen zu Rennen und sorgte mit Platz 4 in Leogang für das beste Schweizer Saisonergebnis.

Der Hand gehts gut

Vor allem bei Neff ist die Spannweite des Vorstellbaren gross. Das Potenzial und die technischen Fertigkeiten der ehemaligen Gesamtweltcupsiegerin und Weltmeisterin sind bekannt, ebenso wie allerdings die Fragilität. Stürze, Verletzungen und das Immunsystem warfen die 28-Jährige in den letzten Jahren wiederholt zurück und sorgten für grosse Schwankungen.

Davon blieb Neff auch in dieser Saison nicht verschont. Kaum hatte die St. Gallerin wieder zur Spitze aufgeschlossen, folgte in Leogang auf Podestkurs liegend das Malheur mit dem Knochenbruch in der linken Hand. Sechs Wochen konnte die Olympia-Sechste von 2016 deshalb kurz vor Tokio nicht im Gelände trainieren.

Rechtzeitig vermeldete Neff Ende letzter Woche: «Der Hand geht es sehr gut. Ich kann sie wieder zu 100 Prozent belasten.» Weil die Verletzung kaum negative Auswirkungen auf das Fitnesstraining hatte, ist Neff am Dienstag nicht chancenlos. Dass ihr der Olympiakurs liegt, hat sie vor zwei Jahren beim Test-Event unterstrichen. Neff gewann diesen – fast zwei Minuten vor Sina Frei und mehr als dreieinhalb Minuten vor Loana Lecomte.

sda