Auf Frust folgt Doppelsieg «Wir setzten die Wut und Enttäuschung in Energie um»

Von Marcel Allemann

18.2.2022

Die Schweizer Medaillenhelden vom Freitag: Olympiasieger Ryan Regez (rechts) und Alex Fiva.
Die Schweizer Medaillenhelden vom Freitag: Olympiasieger Ryan Regez (rechts) und Alex Fiva.
Bild: Getty Images

Zuerst die totale Enttäuschung nach der Rückversetzung von Fanny Smith. Und dann der totale Triumph mit Gold für Ryan Regez und Silber von Alex Fiva. Das Schweizer Skicross-Team durchlebt extreme Emotionen.

Von Marcel Allemann

Der Frust war riesig, als die Bronzemedaille von Fanny Smith am Donnerstag durch die Jury aberkannt wurde, sie auf Rang vier zurückversetzt wurde. Niemand konnte das verstehen. Trotzdem hat das Skicross-Team den Fokus nicht verloren. Das ist vor allem auch ein Verdienst des erfahrenen Cheftrainers Ralph Pfäffli.

«Nach dem, was gestern geschehen ist, ist das natürlich eine Genugtuung. Wir sind noch immer nicht einverstanden mit der Entscheidung, aber wir haben gestern dann trotzdem gewusst, dass wir nun trotzdem irgendwie das Männer-Rennen vorbereiten müssen. Die Männer haben es verdient, dass man voll für sie da ist», so Pfäffli gegenüber SRF.

«Wir wussten nicht, ob Ryan hier liefern kann»

Am Donnerstagabend hätten sie die Rückversetzung von Smith dann innerhalb des Teams nochmals thematisiert. Und dann hätten sie sich, so Pfäffli weiter, gesagt: «Nun gilt es den Staub von den Schultern zu klopfen, jetzt setzen wir diese Wut und Enttäuschung in Energie um. So wie es aussieht, hat das sehr gut geklappt.»

Natürlich ging Pfäffli auch noch auf die beiden Medaillen-Helden ein. Über Olympiasieger Regez, der seiner Favoritenrolle gerecht geworden ist, sagte er: «Wir wussten, dass hier alles geschehen kann und haben versucht, ihn auf diesen gewissen anderen Druck vorzubereiten, den es an Olympischen Spielen gibt. Wir wussten, dass Ryan es drauf hat. Aber wir wussten nicht, ob er es hier auch wird liefern können. Aber dann sahen wir seinen ersten Lauf und wussten, dass dieses Rennen für ihn laufen wird.»

Und zum Silber von Fiva meinte Pfäffli: «Der Grossanlass-Knoten ist bei ihm an der letzten WM, die er gewinnen konnte, so richtig geplatzt. Ich hatte ihn voll auf der Rechnung – wenn er mal angebissen hat, dann liefert er wie ein Uhrwerk. Mit diesem zweiten Platz ist er nun auch nicht wirklich zufrieden, er hätte lieber gewonnen.»

«Das tut dem Schweizer Skicross-Herz sehr gut»

Fiva selbst erklärte kurz später: «Ich hatte heute den ganzen Tag einen super Speed – ausser im letzten Lauf. Am Schluss ist es aber eine Silbermedaille, die ich zusammen mit dem Teamkollegen feiern kann und das tut dem Schweizer Skicross-Herz nach gestern sehr gut.»

Regez startete zwar letztlich als Favorit ins Olympia-Rennen, weil er zuletzt drei Weltcuprennen gewinnen konnte. Aber zu Beginn der Saison kam er überhaupt nicht auf Touren, befand sich in einem Loch. Die Konkurrenz im Schweizer Team ist sehr gross – und Regez drohte daher gar das Schicksal, die Olympischen Spiele zu verpassen.

Mit dem Messer am Hals steigerte er sich aber, was an diesem Freitag im Olympiasieg gipfelte. «Das ist doch eine schöne Geschichte, oder?», meinte Regez nun zu seinem krassen Steigerungslauf.

Der Mann aus Wengen konnte nicht mehr aufhören, allen zu danken: «Auf dem ganzen Weg hatte ich so viel Support. Das gilt für das ganze Team, das mich hierhergeführt hat – ohne sie wäre ich nun nicht hier. Merci auch an alle, die an mich geglaubt haben und mir die Daumen gedrückt haben, meinem Fanclub und allen, die zugeschaut haben. Es ist ein unglaublich geiles Gefühl!»

«Es ist ja nur ein Spiel»

Eine Medaille, sei das Ziel gewesen, auf welches er hingearbeitet habe, sagte der zweite Skicross-Olympiasieger aus dem Berner Oberland nach Mike Schmid im Jahr 2010 in Vancouver weiter. «Umso schöner ist es, wenn es die goldige wird. Die habe ich angestrebt, im Gesamtweltcup liege ich schliesslich auch vorne.»

Der Triumphator gestand aber auch, dass ordentlich viel Druck auf seinen Schultern gelastet habe: «Ich wurde ja immer darauf angesprochen.» Gerade in dieser Hinsicht habe ihm Ralph Pfäffli enorm geholfen und dabei sagte Regez die Worte: «Es ist ja nur ein Spiel.»

Pfäffli führte dazu aus: «Auch wenn es sich banal anhören mag, es ist wirklich nur ein Spiel. Und man muss auch den Mut dazu haben, dass man verlieren kann. Es darf nicht so weit kommen, dass man Angst hat, erklären zu müssen, was man falsch gemacht hat – wenn es denn so ist. Im Skicross verlieren 31 und nur einer gewinnt, daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man verliert viel grösser, als dass man gewinnt.»

Es ist also nur ein Spiel. Aber eines, das die Schweiz ausserordentlich gut beherrscht.