Jorge Martin gegen Francesco Bagnaia – zwei Rennen vor Schluss ist der Kampf um den Königstitel im Motorrad-Rennsport zum Duell geworden. Brisant ist dabei die Rolle von Ducati.
Jorge Martin ist auf Revanchetour. Der 26-jährige Spanier verpasste in der letzten Saison den WM-Titel gegen Francesco Bagnaia knapp. Fast noch wichtiger aber: Er würde mit seinem ersten Triumph nur zu gerne seinem aktuellen Motorrad-Lieferanten Ducati eines auswischen.
Dazu muss man wissen: Martin fährt in seinem vierten Jahr eine Ducati, jedoch «nur» für das Kundenteam Pramac-Racing. Erst wurde ihm als zweiter Pilot neben Bagnaia Enea Bastianini vorgezogen, auf nächste Saison steigt Superstar Marc Marquez ins Werksteam auf. Für Martin eine veritable Ohrfeige. «Ich fühlte mich wie ein Idiot», klagte der Madrider nach dem Entscheid gegen ihn bei spanischen Ableger von «DAZN». In der nächsten Saison wechselt er nun zu Aprilia.
Martin klar in der besseren Position
Umso süsser wäre nun der Titel, mit dem er die prestigeträchtige Startnummer zu seinem neuen Arbeitgeber mitnehmen würde. Vor den letzten zwei GP-Wochenenden – je ein Sprint- und Hauptrennen mit insgesamt 74 zu vergebenden Punkten – führt Martin mit 17 Punkten Vorsprung auf Bagnaia. Holt er am Samstag und Sonntag in Malaysia 21 Zähler mehr als der Weltmeister der letzten beiden Jahre, krönt er sich vorzeitig zum neuen Titelträger.
Ducati hätte selbstredend lieber wieder Bagnaia als Weltmeister. Der 27-Jährige aus Turin hat sein Schicksal aber nicht mehr in den eigenen Händen. Er hat zwar neun der bisher achtzehn Grands Prix gewonnen, Martin nur deren drei. Doch der Spanier war erfolgreicher in den Sprints und hatte weniger Ausfälle. Zuletzt belegte er dreimal den 2. Platz, und wenn er diese Serie weiterführt, bleibt er am Ende auf jeden Fall vor Bagnaia.
Aus dem letzten Jahr gelernt
Martin hat dabei aus dem letzten Jahr gelernt, als er oft schneller war, aber auch zu oft stürzte. «Ich war zu nervös», blickt der Spanier zurück. «Jetzt bin ich reifer. Letztes Jahr habe ich verloren, und es ist mir nichts Schlimmes passiert. Ich habe gemerkt, das ist nicht das Ende der Welt.» Mit dieser neu gefundenen Lockerheit ist er nun drauf und dran, zum König der Rennfahrer zu werden.
Bei Ducati hinterlässt das einen schalen Nachgeschmack. «Es stört mich, dass Bagnaia nur Zweiter ist, obwohl er die Hälfte der Rennen gewonnen hat», gibt Davide Tardozzi, der Team-Manager des Werksteams, zu. Lange stand die Frage im Raum, ob Ducati das Titelrennen sogar zugunsten von Bagnaia beeinflussen könnte. Der Italiener wollte davon nichts wissen und machte klar, dass er das auf keinen Fall wolle – und die Resultate von Martin dürften Beweis genug sein, dass auch er die bestmögliche Maschine erhält. Bislang lieferten sich die beiden Kontrahenten ein hartes, aber stets faires und respektvolles Duell. Manche Fans wünschten sich etwas mehr «Pfeffer» à la Max Verstappen und Lando Norris in der Formel 1.
Zweifel wegen Unwettern in Valencia
Der zweite Unsicherheitsfaktor von ausserhalb der Rennstrecke neben dem Verhalten von Ducati ist das Wetter. Oder konkret die katastrophalen Überschwemmungen in Spanien. Das Saisonfinale ist in zwei Wochen in Valencia geplant, einer Region mit verheerenden Verwüstungen und an die hundert Todesopfern. Ersten Berichten zufolge soll die Rennstrecke rund 20 km ausserhalb von Valencia soweit intakt geblieben sein, an den Zufahrtsstrassen gab es aber erhebliche Schäden.
So sprachen sich in Malaysia sowohl Bagnaia als auch Martin klar dafür aus, das letzte Rennen an einen anderen Ort zu verschieben. «Ein Grand Prix sollte ein Fest sein», betonte der Italiener. «Angesichts der aktuellen Situation wäre das nicht korrekt.» So gesehen ist dann der Kampf um den WM-Titel plötzlich nur noch Nebensache.
ck, sda