Mit Franck Kessié und Andreas Christensen verkündet der FC Barcelona die ersten beiden Neuverpflichtungen des Sommers. Beide kommen sie ablösefrei, und dennoch mit sehr hohen Kosten. Ein Kommentar.
Sixth Street? Genau. Dabei handelt es sich nicht etwa um die sechste Strasse in Manhattan, sondern um «Sixth Street Partners», eine Investmentfirma aus San Francisco. Diese hat mit dem FC Barcelona einen fast 300 Millionen schweren Mega-Deal abgeschlossen, der den Katalanen in den nächsten Jahren höllisch auf dem Magen liegen dürfte.
Aber was ist eigentlich passiert? Fakt ist: Der FC Barcelona ist massiv verschuldet. Die Kreditlast ist so gross, dass der Klub eigentlich gar nicht mehr existieren dürfte. «Wären wir eine Aktiengesellschaft, hätte man uns bereits aufgelöst. Wir waren technisch gesehen pleite», verriet der Vorstandsvorsitzende, Ferran Reverter, als ihm im vergangenen Oktober die undankbare Aufgabe zufiel, die jüngsten Zahlen zu veröffentlichen.
Bei einem Jahresverlust von 481 Millionen Euro standen die Katalanen damals mit 1,35 Milliarden Euro in der Kreide. Das grosse Problem neben der drohenden Konkursgefahr: Die Regularien der spanischen Liga. Diese schreibt den Klubs nämlich haargenau vor, wie viel Geld sie für Spieler, Ersatzspieler, Nachwuchsspieler, Trainer, Physios und so weiter ausgeben dürfen. Salary Cap nennt sich das. Und der Grundsatz ist simpel.
Katalanischer Ausverkauf
Ein Verein darf maximal so viel ausgeben, wie übrig bleibt, wenn von den Einnahmen die Betriebskosten und Schuldentilgung abgezogen wird. Bei Barcelona: Nichts. Beziehungsweise weniger als Nichts, denn laut Medienberichten belief sich der Salary Cap der Blaugrana zuletzt auf negative 144 Millionen Euro. Um Neuverpflichtungen jeglicher Art (auch ablösefrei) machen zu können, musste der Klub dieses Minus bis zum Stichtag am 30. Juni verschwinden lassen.
Die Angst eines Spieler-Exodus ging um. Der Verein flirtete beinahe öffentlich mit Manchester United, denen man Frenkie de Jong für 85 Millionen Euro abschieben wollte. Ein Verkauf des Holländers ist zwar aktuell immer noch denkbar, aber nicht mehr unbedingt nötig. Denn das Geld ist anderweitig in die Kassen gespült worden.
Zum einen dank eines Mega-Deals mit Spotify, der dem Traditionsklub über vier Jahre etwa 300 Millionen Euro einbringen soll, zum anderen eben dank «Sixth Street». Auf den 30. Juni hat der FC Barcelona der US-Investmentfirma 10 Prozent der TV-Einnahmen über die nächsten 25 Jahre abgetreten. Dafür kassieren die Katalanen eine sofortige Finanzspritze von 207,5 Millionen Euro und eine weitere Zahlung von 59,5 Millionen (insgesamt 267 Millionen) über einen nicht bekannten Zeitraum.
Um Barcelona mit Neuverpflichtungen wieder zu einer «wettkampffähigen Mannschaft» zu machen – wie Präsident Joan Laporta betont –, hat die Mitgliederversammlung zudem dem Verkauf von 49,9 Prozent des Bereichs Lizenzierung und Merchandising zugestimmt. Und auch ein Verkauf von weiteren 15 Prozent der TV-Rechte an etwaige andere Interessenten wurde abgesegnet. Insgesamt will der Verein damit kurzfristig bis zu 600 Millionen Euro einnehmen.
Laporta: «Eine nachhaltige Strategie»
Der FC Barcelona rettet sich so das Sommertransferfenster 2022, verkauft sich aber de facto selbst und opfert einen beträchtlichen Teil seiner finanziellen Zukunft. Wie viel Sinn das ergibt, soll jeder Fan für sich selbst herausfinden. Dass Laporta solche Deals in der Vergangenheit als «Notfallplan» bezeichnete, spricht jedoch Bände.
Davon ist jetzt keine Rede mehr: «Wir aktivieren wirtschaftliche Hebel und setzen damit unsere geduldige, nachhaltige und effiziente Strategie um, um die finanzielle Basis des Klubs zu stärken», verkündete der gebürtige Katalane nach Bekanntgabe des Verkaufs stolz.
Welch «nachhaltige und effiziente» Strategie der FC Barcelona in den letzten Jahren bereits verfolgte, kannst du hier nachlesen.