Pierluigi Tami, der Direktor der Nationalmannschaften, sprach an einer Journalisten-Runde über die jüngsten Entwicklungen rund um das Team von Murat Yakin.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Pierluigi Tami, der Direktor der Nationalmannschaften, nahm sich nach der harzigen EM-Qualifikation Zeit, um über diverse Vorgänge in der A-Nati zu reden.
- Der 62-jährige Tessiner betont dabei, nie auf der Suche nach einem Nachfolger für den in der Kritik stehenden Trainer Murat Yakin gewesen zu sein.
- Die jüngsten Resultate will er nicht überbewerten, schliesslich zeige auch die Statistik auf, dass man dem Gegner jeweils in der offensiven Zone klar überlegen gewesen sei.
Pierluigi Tami über ...
... das Weitermachen mit Murat Yakin
Wir haben mit Murat Yakin alle sportlichen Ziele erreicht. Wir konnten uns in der Gruppe A der UEFA Nations League halten, was sportlich und finanziell wichtig ist. Zudem hat er das wichtigste Ziel, die Qualifikation für die EM 2024, erfüllt. Der Verband hatte also keine Gründe für eine andere Entscheidung.
... wann und wie die Gespräche mit Yakin abliefen
Einen Tag nach dem Bukarest-Spiel habe ich mich mit Murat im Flugzeug ausgetauscht und verschiedene Themen diskutiert. Für mich war klar, wir können nicht an die Auslosung gehen, wenn es keine Klarheit gibt. Schliesslich muss ich am Zentralvorstand auch diese Analyse präsentieren. Für mich wäre es ein grosser Fehler gewesen, dass wir mit Murat nach Hamburg (Ort der Auslosung – d. Red.) reisen, ohne alles zu erklären. Der Zentralvorstand hörte meinen Bericht und meine Gedanken. Es war wichtig, dass Murat mir seine Ideen präsentieren und erklären konnte.
... ob er einen neuen Trainer installieren wollte?
Ich habe keinen Trainer gesucht. Die Perspektive von einigen Journalisten, dass ich Murat Yakin nicht unterstütze, ist falsch. Wir waren nur besorgt wegen der jüngsten Entwicklung. Klar, Murat Yakin ist der Trainer, aber wenn wir vorne alleine vor dem Tor nicht treffen, ist es nicht Murat Yakins Schuld.
... ob Urs Fischer und Lucien Favre wirklich nie ein Thema waren?
Nein, weil ich und der Verband seriös sind. Wir haben mit Yakin einen Vertrag bis Ende EM. Er hat alle Ziele erfüllt. Wieso müssen wir einen Trainer entlassen, der seinen Job gemacht hat? Weil es vielleicht eine bessere Lösung geben würde? Es gibt immer bessere Lösungen auf dem Papier. Die andere Sache ist aber, ob ein anderer Trainer es tatsächlich besser machen kann als Murat Yakin.
... ob eine Vertragsverlängerung zur Debatte stand
Das war kurz nach der Qualifikation kein Thema, im Frühling werden wir das Thema angehen. Gegenwärtig wollten wir Klarheit schaffen, sprich die aktuellen Verträge respektieren.
.. ob die Entscheidung Pro Yakin im Zentralvorstand einstimmig war?
Ich selbst habe keine Stimme. Alle stehen geschlossen hinter der Entscheidung.
... was genau ausschlaggebend war
Die Resultate waren ein Teil davon, aber nicht nur. Die Entwicklung für die Mannschaft ist auch ein sehr wichtiger Punkt. Die Resultate und die Leistungen waren in den letzten Spielen nicht das, was wir erwartet haben. Aber mich interessiert die gesamte Entwicklung. Und die Statistik zeigt, wir haben die zehn Spiele dominiert.
... was ihm zuletzt bei der Nati nicht gefallen hat
Die Statistiken sind alle gut, aber ich habe auch bemerkt, dass die jüngsten Resultate der Mannschaft keine Zufälle sind. Für mich gibt es im Fussball drei Elemente: Kopf, Beine und Herz. Und ich kann nicht sagen, in dem letzten Spiel, dass unsere Nationalmannschaft alle diese drei Elemente gezeigt hat.
Ich kenne dieses Potenzial unserer Mannschaft. Aber ganz ehrlich, in den letzten Spielen habe ich nicht das ganze Potenzial gesehen.
... wie die Statistik die Dominanz der Nati zeigt
Für mich ist nicht Ballbesitz das Wichtigste, sondern wie gefährlich sind wir tatsächlich in der Offensive. Diese Grafik zeigt etwa, dass wir zwar gegen Rumänien verloren haben, aber wir gemäss den Daten eigentlich deutlich gefährlicher waren.
Mein Bericht zeigte also, wir waren bereit, die Leistung abzurufen. Auch im Kopf waren wir also bereit. Möglicherweise kam dann Unsicherheit auf, als wir die Tore nicht geschossen haben. Fussball ist Emotion, ist Herz. Wir müssen wieder das Herz finden, weil die Leistung war vorhanden.
... wieso in den letzten Spielen das Herz fehlte
Was genau die Ursache war, bleibt Interpretationssache. Vielleicht war es die Ausgangslage, bei der die Nati erstmals in eine Kampagne startete, bei der man klarer Favorit war. Vielleicht haben eigene Spieler gedacht, wir qualifizieren uns ja sowieso. Das passiert ja auch etwa im Cup immer wieder, dass Teams aus der Super League gegen Erstligisten ausscheiden, auch wenn alle wissen, wie gefährlich das ist. Im Fussball bezahlt man das teuer.
... die Kritik von Xhaka über die Trainings von Yakin
Aus meiner Sicht waren seine Worte an alle gerichtet, also an die Spieler und Yakin.
Ich habe sofort nach dem Spiel gegen Kosovo mit Murat und mit Granit geredet. Ich habe Granit gesagt, dass er einen Fehler gemacht hat. Wir können solche Aussagen in den Medien so kurz nach dem Spiel nicht tolerieren, auch wenn noch Emotionen mitspielen.
... ob eine interne Sanktion für Xhaka ein Thema war?
Nein, eine Abmahnung oder Strafe stand nicht zur Debatte. Wir hatten zehn Minuten zu dritt, dann habe ich Yakin und Granit alleine gelassen. Sie haben dann noch 45 Minuten geredet. Beide waren danach zufrieden. Damit war die Sache für mich erledigt, ich will immer nach vorne schauen. Wichtig ist für mich: Was ist das Beste für die Mannschaft? Wenn ein Trainer nicht auf einen wichtigen Spieler zurückgreifen kann, haben wir nicht die beste Mannschaft auf dem Platz und alle sind gestraft.
... ob Xhaka sagen darf, auf welcher Position er spielen will
Ja, er kann das dem Trainer sagen. Aber persönlich, danach hängt es vom Trainer ab. Der Chef ist der Trainer. Er bekommt meine Unterstützung. Wenn ein Spieler zu mir kommt und fragt, wieso er nicht spielt, muss er mit Murat sprechen, nicht mit mir.
... was man genau ändern will
Murat wünscht sich Interventionen, auch wenn ich hier nicht ins Detail gehen kann. Ich bin bereit und froh, diese Anpassungen so rasch wie möglich vorzunehmen. Im März sollte der grösste Teil dieser Massnahmen dann umgesetzt sein, um keine Zeit zu verlieren.
... ob der Verband auch personell was ändern will
Es ist ein Gesamtpaket, ob im Staff oder Massnahmen in Richtung der Spieler.
... ob Assistenzcoach Vincent Cavin im März noch dabei ist
Vincent Cavin hat ein Angebot von Lausanne bekommen, wie er uns vor den drei Spielen kommuniziert hat. Eine Änderung auf dieser Position ist also möglich. Vielleicht ist für Yakin ein zweiter Assistent neben ihm denkbar.
Falls jemand Neues kommt, muss es natürlich jemand sein, der im Sinne von Murat ist, weil es sofort passen muss und wir nicht gross Zeit haben, uns kennenzulernen.
Der Staff hat immer sehr professionell gearbeitet. Aber wenn Murat der Meinung ist, er braucht etwas anderes, erfüllen wir bedingungslos seine Bedürfnisse.
... die Ziele an der EM
Das wäre wirklich schlimm, wenn wir in die Europameisterschaft gehen und einfach mit der Teilnahme zufrieden sind. Das Ziel ist sicher, wieder das Achtelfinale zu erreichen – und danach auch ins Viertelfinal zu kommen.
... ob er Angst hat, dass bis zum EM-Start die Kritik an Yakin und ihm weiter schwelt?
Nein, das interessiert mich nicht. Die letzte Sorge ist meine Zukunft. Yakin hat meine Unterstützung, ich bin bereit, seine Wünsche zu erfüllen, aber über die Zukunft haben wir wie gesagt nicht gesprochen. Im Frühling geht es dann sicher auch um diese Themen. Im Moment möchte ich, dass Murat sich wirklich in Ruhe vorbereiten kann.