Kolumne Was ein Schweizer einem Hoeness erzählte, um Hertha Berlin zu retten

Von Michael Angele

12.2.2020

Die Forderung der Hertha-Fans 2007 bezog sich auf Dieter Hoeness – und nicht auf Uli.
Die Forderung der Hertha-Fans 2007 bezog sich auf Dieter Hoeness – und nicht auf Uli.
Bild: Getty Images

Trainer Klinsmann mir nichts, dir nichts wieder weg – und Hertha Berlin: ein Scherbenhaufen. Hätten die Klubverantwortlichen 2007 nur auf den «Bluewin»-Kolumnisten gehört, dann wäre alles gut gekommen. 

Es ist ein Drama um die Hertha. Jürgen Klinsmann beschert der Fussballwelt nach nur elf Wochen einen würdelosen Abgang als Trainer, nachdem kürzlich für 77 Millionen Euro eine Mannschaft nach seinen Wünschen zusammengekauft wurde, die hinten und vorne nicht funktioniert – bezahlt mit den Millionen des Investors Lars Windhorst, einem Mann, der schon mal insolvent war und wegen Veruntreuung zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt wurde.

Das Drama um Hertha Berlin ist freilich viel älter.

Die Hertha ist ein Klub, der einerseits seine Fanbasis bei den kleinen Leuten aus dem alten Berliner Westen hat und sich mit dem Song «Nur nach Hause gehen wir nicht» (denn dort wartet das Elend) von Frank Zander identifiziert, der aber andererseits seit Dekaden als «Hauptstadtklub» hoch hinaus will.

Jürgen Klinsmann macht nach nur elf Wochen bei Hertha Berlin einen würdelosen Abgang als Trainer.
Jürgen Klinsmann macht nach nur elf Wochen bei Hertha Berlin einen würdelosen Abgang als Trainer.
Bild: Getty Images

Die Wirklichkeit sieht seit vielen Jahren so aus, dass das Motto zwischendurch lautete «Willste Hertha mal ganz oben sehen, musste die Tabelle drehn», vor allem aber das Mittelmass die Norm bildet, also ein Tabellenplatz um die 10 mit gelegentlichen Ausflügen in die Europa League.

Das Hochhinaus-Wollen-und-Mittelmass

Das Hochhinaus-Wollen-und-Mittelmass gab es auch unter dem Manager Dieter Hoeness, den ich im Sommer 2007 in der Geschäftsstelle der Hertha besuchte, um ihm einen Plan vorzulegen, mit dem Hertha endlich aus den Puschen kommen sollte. Den Schwerpunkt legte ich auf ein neues Image des Vereins, darin kannte ich mich aus.

Es hatte ein Jahr gedauert, bis ich überhaupt zu Hoeness vordrang. Nachdem ich als Chefredakteur einer Internetzeitung aufgegeben hatte, suchte ich neue Betätigungsfelder. Ein Beraterjob schien mir grad das Rechte zu sein – was man aus dieser Branche hört, verdient man Unmengen und kann seine Freizeit gut gestalten.

Also schrieb ich Hoeness eine entsprechende Mail, die aber laut Sekretärin «irgendwie untergegangen» sei. Aber nun war ich ja da. Hoeness fing sogleich an, über die Schweiz zu plaudern, über Zürich und den Grasshopper Club, komischerweise nicht über den FCZ, siehe unten.

«Ich verrate ihnen mal was, Herr Angele»

An meinen Vorschlägen schien er dagegen nur mässig interessiert. Mein Plan ruhte auf drei Säulen: Stadion, Spieler, Fans. Ich empfahl den Verein endlich ein neues Stadion zu bauen, Spieler zu kaufen, mit der sich auch die grosse türkische Communitiy von Berlin identifzieren könne, und eine Kampagne zu starten namens «Zweitverein Hertha», ausgehend von der Beobachtung, dass viele Berliner Zugereiste sind, die niemals ihre Liebe zum Heimatverein ganz aufgeben würden.



Hoeness antwortete sinngemäss, die Pläne für den Stadionneubau lägen komplett in der Schublade, und «ich verrate ihnen mal was, Herr Angele», den Spieler Bastürk habe man einzig zu dem Zwecke aus Bochum geholt, die grosse türkische Community für Hertha zu gewinnen, aber es sei kein Türke mehr ins Stadion gekommen. Und zur «Zweitstimmen»-Idee murmelte er etwas wie «... haben gerade eine neue Kampagne laufen».

Am Schluss hatte ich nichts in den Händen. An einen Beratervertrag war nicht zu denken, und schliesslich war es mir sogar zu blöd ihn zu fragen, ob meine Vorleistung in Sachen Imageverbesserung wenigsten mit einer Dauerkarte, gern auch in der Ostkurve, belohnt werden könnte.

Vielleicht kommt ja Lucien Favre wieder

Wenn es nun also nach Klinsmanns peinlichem Abgang heisst, dass Hertha die windigen Menschen anzieht, wie das Licht die Motten, dann erstaunt mich das nicht. Ich war ja selber so einer. Aber ich bin geläutert.



Heute teile ich mir eine Dauerkarte mit einem Freund, und alles, was ich mir grad wünsche, ist nur, nie wieder so einen grottenschlechten Kick wie am letzten Samstag gegen Mainz zu sehen, egal wie und mit wem. Vielleicht kommt ja Lucien Favre wieder.

Den hatte Dieter Hoeness kurz nach meinem Besuch vom FCZ zu Hertha geholt. Unter Favre ging es mit ansehnlichem Kurzpassspiel eine Weile lang steil nach oben, und hätte Favre es nicht in seiner Favre Art-vergeigt, wäre in 2009 der Meistertitel drin gelegen, aber ich müsste krass lügen, würde ich sage, ich war es, der Dieter Hoeness zu diesem Trainergott geraten hat.

Der Berner Michael Angele liefert regelmässig eine Aussenansicht aus Berlin – Schweizerisches und Deutsches betreffend. Angele bildet zusammen mit Jakob Augstein die Chefredaktion der Wochenzeitung «Der Freitag». Er ist im Seeland aufgewachsen und lebt seit vielen Jahren in Deutschlands Hauptstadt. Berndeutsch kann er aber immer noch perfekt. Als Buchautor erschienen von ihm zuletzt «Der letzte Zeitungsleser» und «Schirrmacher. Ein Porträt».

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