Schmaler Grat Wie der Nahost-Konflikt den Profifussball bewegt

DPA/jar

19.10.2023 - 19:00

Irische Fussballfans protestieren während des EM-Quali-Spiels zwischen Irland und Griechenland am 13. Oktober mit Palästina-Flaggen.
Irische Fussballfans protestieren während des EM-Quali-Spiels zwischen Irland und Griechenland am 13. Oktober mit Palästina-Flaggen.
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Fussballer werfen mit Postings zum Nahost-Konflikt Fragen auf. Für ihre Klubs ist der richtige Umgang damit eine Herausforderung.

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  • Mehrere Profi-Fussballer sorgen mit pro-palästinensischen Beiträgen für Aufruhr.
  • Für die Vereine stellt der Umgang mit dem Thema eine Herausforderung dar. Einige Profis wie Anwar El Ghazi von Mainz und Youcef Atal von Nizza wurden von ihren Klubs suspendiert.
  • Der Präsident des deutsch-jüdischen Sportverbands Makkabi glaubt, dass viele Fussballer den Sinn von «Free Palestine» nicht verstehen.

Am kommenden Wochenende gedenken Zehntausende Menschen und Fussballer in den europäischen Stadien der Opfer des terroristischen Angriffs der Hamas auf israelische Zivilisten. Schweigeminuten sollen für einen Moment der Stille sorgen. Nach pro-palästinensischen Beiträgen von Spielern ist die hoch komplizierte Lage für die Vereine längst zur grossen Herausforderung geworden, der Umgang damit schwierig.

«Deeskalieren und dauerhaften Frieden zu schaffen»

«Die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit ist insbesondere dann begrenzt, wenn Straftaten wie Beleidigung oder Volksverhetzung begangen werden», sagte Ulf Baranowsky von der Vereinigung der Vertragsfussballspieler (VDV) der Deutschen Presse-Agentur. «Inwieweit strafrechtliche Verstösse vorliegen und arbeitsrechtliche Sanktionen rechtskonform sind, ist im Einzelfall zu beurteilen.»

Insbesondere bei kriegerischen Auseinandersetzungen sollten Personen des öffentlichen Lebens ihrer Vorbildrolle gerecht werden, sagte Baranowsky. «Ziel muss es sein, zu deeskalieren und dauerhaften Frieden zu schaffen.»

In den vergangenen Tagen hatten unter anderem die Profis Anwar El Ghazi vom 1. FSV Mainz 05 und Noussair Mazraoui vom FC Bayern München mit Beiträgen in den sozialen Medien für Aufsehen und Kritik gesorgt. Der deutsche Ex-Nationalspieler Mesut Özil und der im Sommer von Real Madrid zu Al-Ittihad nach Saudi-Arabien gewechselte Ballon-d'Or-Gewinner Karim Benzema kommentierten den Konflikt ebenfalls mit eindeutiger pro-palästinensischer Tendenz.

Beiträge werfen Fragen auf

Die Beiträge der Fussballer werfen viele Fragen auf. El Ghazi wurde bereits vom Spiel- und Trainingsbetrieb seines Klubs freigestellt. «Mainz 05 respektiert, dass es unterschiedliche Perspektiven auf den seit Jahrzehnten währenden komplexen Nahost-Konflikt gibt», teilten die Rheinhessen mit. «Der Verein distanziert sich jedoch von den Inhalten des Posts, da dieser nicht mit den Werten unseres Vereins einhergeht.»

Die Bayern hatten angekündigt, mit dem Marokkaner Mazraoui nach dessen Rückkehr von der Länderspielreise in dieser Woche ein Gespräch führen zu wollen. Am Donnerstag trainierte Mazraoui nicht mit seinen Teamkollegen, sondern alleine. Noch ist unklar, ob das mit seinem Social-Media-Beitrag zu tun hat oder eine Verletzung dafür ausschlaggebend war.

Bayern-Profi Noussair Mazraoui könnte ein Social-Media-Post zum Verhängnis werden.
Bayern-Profi Noussair Mazraoui könnte ein Social-Media-Post zum Verhängnis werden.
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Gegen Youcef Atal vom französischen Klub OGC Nizza ermitteln die Justizbehörden. Der algerische Nationalspieler steht im Verdacht, Terrorismus öffentlich befürwortet zu haben. Von seinem Verein wurde der 27-Jährige wegen seines Pro-Palästina-Posts suspendiert.

Bei Benzema geht es so weit, dass der französische Innenminister Gérald Darmanin dem amtierenden Ballon-d'Or-Gewinner vorwirft, «notorische Verbindungen zur Muslimbruderschaft» zu haben. Die Muslimbruderschaft gilt in diversen Ländern als Terrororganisation. Benzema hat die Anschuldigungen zurückgewiesen und zieht eine Klage gegen Darmanin in Erwägung.

In vielen Fällen sorgt die Verwendung der Parole «Free Palestine» für Diskussionen – auch, weil sie wohl unterschiedliche Interpretationen zulässt. «Das Problem ist, dass diese Spieler, die Millionen verdienen, den Sinn von ‹Free Palestine› nicht verstehen», sagte Alon Meyer, der Präsident des deutsch-jüdischen Sportverbands Makkabi, bei Sky.

«Die Solidarität mit den Menschen in Palästina, die sie vielleicht mit so einem Post bekunden möchten, ist vollkommen in Ordnung», so Meyer. «Free Palestine» bedeute jedoch «ein freies Palästina vom Fluss bis zum Meer gegen das Existenzrecht Israels und das geht nun mal nicht».

Wurde in Nizza suspendiert: Youcef Atal.
Wurde in Nizza suspendiert: Youcef Atal.
dpa

Spieler nicht als Privatpersonen unterwegs

In der Regel weisen die Klubs ihre Spieler explizit darauf hin, dass sie auch in den sozialen Medien eben nicht als Privatpersonen, sondern Repräsentanten ihres Arbeitgebers auftreten und dort dementsprechend nicht vereinsschädigend aktiv werden sollten. Sich vertraglich für alle möglichen Fälle zu wappnen, ist aber nahezu unmöglich.

Was zu der Frage führt: Was ist noch zu tolerieren und was zu sanktionieren? Heisst ein Spieler kriegerische Taten gut, kann es strafrechtliche Konsequenzen für ihn haben. Teilt er nur gewisse Ansichten, ist eher der Ermessensspielraum der Klubs gefragt – und dieser ist mitunter riesig.

«Wichtig ist auch die Prävention», sagte VdV-Präsident Baranowsky. «Gerade im Sport gilt es, junge Menschen frühzeitig zu sensibilisieren und bei Problemen das Gespräch zu suchen.» Die Milliardenbranche Profifussball spürt das dieser Tage ganz besonders.

DPA/jar