Interview Mladen Petric, was können die Kroaten von den Schweizern lernen?

Von Marko Vucur

7.10.2020

Mladen Petric spielte in seiner Karriere 44-mal für die kroatische Nationalmannschaft und erzielte dabei 12 Treffer.
Mladen Petric spielte in seiner Karriere 44-mal für die kroatische Nationalmannschaft und erzielte dabei 12 Treffer.
Bild: «blue Sport»

Auf die Schweizer Nati wartet ein Monsterprogramm mit drei Spielen innert sieben Tagen. Im Interview mit «blue Sport» spricht Mladen Petric über die Nati, ihre Gegner sowie Xherdan Shaqiri.

Wer dieser Tage über die Schweizer Nationalmannschaft berichtet, der kann die Personalie Xherdan Shaqiri nicht ignorieren. Tagelang beherrschte er die Schlagzeilen: Transfergerüchte, die Nati-Rückkehr und noch mehr Transfergerüchte. Und als Shaqiris nahe Zukunft endlich geklärt war – er bleibt in Liverpool –, da musste der SFV am Dienstagmorgen vermelden, dass der Filigrantechniker positiv auf das Coronavirus getestet wurde.

Das Programm der Schweizer Nati

Mladen Petric, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie gehört haben, dass Shaqiri positiv getestet wurde?

Was für ein Pech, dass gerade er sich infiziert hat. Nach so langer Zeit wäre es für ihn sicher schön gewesen, wieder für die Nati zu spielen. Und das auch noch in der Schweiz und vor 5'000 Fans. Aber das Wichtigste ist natürlich, dass es ihm offenbar den Umständen entsprechend gut geht.

Bleiben wir kurz bei Shaqiri. Er bleibt in Liverpool und sagt: «Ich will dort wieder Fuss fassen und der Mannschaft helfen, wenn ich meine Einsatzzeit erhalte.» Glauben Sie, dass er die erhoffte Einsatzzeit bekommt oder hätten Sie ihm zu einem Wechsel geraten?

Wie die Situation dort genau ist, wissen Aussenstehende nicht. Ich an seiner Stelle hätte aber schon lange versucht, irgendwo hinzugehen, wo ich mehr spielen würde. Mit Mo Salah und Sadio Mané hat er zwei Spieler vor sich, an denen er nicht vorbeikommen wird. Klar, Titel hat er nun einige gesammelt. Mir wären die Spielminuten aber wichtiger …

Angenommen er sitzt in Liverpool weiter auf der Bank. Kann ihn Vladimir Petkovic dann in Zukunft immer noch aufbieten, ohne das Gesicht zu verlieren. Der Nati-Coach hat oft betont, dass es wichtig sei, dass seine Spieler im Verein Einsatzzeit bekommen.

Bleibt die Situation so, könnte es ein Thema werden, ob er Stammspieler sein sollte in der Nati oder nicht. Aufbieten muss man aber so einen Spieler auf jeden Fall. Seine Klasse kennt man – und die Schweiz braucht sie. Auf jemanden zu verzichten, weil er bei Liverpool auf der Bank sitzt, wäre die falsche Entscheidung.

Finden Sie es richtig, dass das Testspiel gegen Kroatien trotz des Coronafalls stattfindet?

Das kann man aus der Ferne nicht beurteilen. Ob gespielt werden kann, müssen letztlich die Gesundheitsbehörden und die UEFA entscheiden. Grundsätzlich finde ich es aber gut, dass Fussball gespielt wird.



Was geht in den Köpfen der Spieler vor, wenn so kurz vor einer Partie ein Mitspieler positiv getestet wird?

Als Spieler schwirrt dir das sicherlich im Kopf herum, wenn sich ein Mitspieler ansteckt. Ich hoffe, dass man dann vorsichtiger mit den Mitmenschen umgeht, da man mit der infizierten Person möglicherweise in Kontakt war. Dennoch sollte man das wegstecken können.

Der Spielplan ist für die Profis ohnehin schon dichtgedrängt, wie motiviert man sich da für ein Testspiel? Zumal in den kommenden Tagen dann auch gleich noch die Kracher gegen Spanien und Deutschland anstehen, bei denen es um Punkte geht …

Wenn man gegen starke Gegner spielt, dann mangelt es nicht an Motivation. Kroatien ist so ein Gegner. Natürlich ist es ein anderes Gefühl, wenn man um Punkte spielt. Es kann deshalb sein, dass da die letzten zwei, drei Prozent fehlen. Aber es ist eine gute Gelegenheit, nach längerer Zeit wieder miteinander auf dem Platz zu stehen.

Was erwarten Sie von der Schweiz gegen Kroatien?

Eine Schweiz, die sich nicht verstecken wird. Die Nati ist qualitativ gut genug, um zu Hause gegen Kroatien nach vorne zu spielen.

Sehen Sie die Schweiz gar in der Favoritenrolle?

Einen Favoriten gibt es nicht. Die Schweiz hat eine tolle Mannschaft und spielt zu Hause eigentlich immer gut. Klar, Kroatien ist Vizeweltmeister, aber das ist auch schon zwei Jahre her. Trotzdem ist es eine Mannschaft, die zu den besten Teams der Welt gehört. Das gilt meiner Meinung nach aber auch für die Schweiz.

Vizeweltmeister. Ein gutes Stichwort: Wie viel Vizeweltmeister steckt bei den Kroaten nach den Rücktritten wichtiger Spieler noch drin?

Es gibt ja doch noch einige Spieler, die weiterhin mit an Bord sind. Dennoch ist es schwierig, das Team mit demjenigen vor zwei Jahren zu vergleichen. Da fehlen dir dann schon Namen wie Mandzukic, Rakitic, Subasic oder Corluka.

Apropos Rakitic. Sie sind mit ihm befreundet, wurden Sie vom Rücktritt aus der Nationalmannschaft überrascht?

Der Rücktritt hat mich nicht überrascht, der Zeitpunkt hingegen schon.



Was können die Kroaten eigentlich, was die Schweizer nicht können?

Das Viertelfinale bei einem grossen Turnier erreichen (lacht). Ich glaube, dass die Kroaten technisch etwas versierter sind.

Und umgekehrt? Was können die Kroaten von den Schweizern lernen?

Die Disziplin auf dem Platz.

In Ihrer Brust schlagen bekanntermassen zwei Herzen. Wem drücken Sie heute Abend eigentlich die Daumen?

Da es ein Testspiel ist, ist es mir egal, wer gewinnt. Bei einem wichtigen Pflichtspiel würde ich aber den Kroaten die Daumen drücken. So hoffe ich einfach auf ein interessantes und gutes Spiel.



Am Samstag folgt für die Nati das Nations-League-Spiel gegen Spanien. Eine grosse Fussballnation, die sich allerdings im Umbruch befindet. Was braucht es, damit die Schweiz in Spanien punkten kann?

Sehr viel Selbstvertrauen und Mut. Man muss an die eigene Chance glauben und auf dem Platz sehr diszipliniert sein. Die Nati konnte Spanien ja an der WM 2010 schon einmal schlagen. Aber klar, die Spanier haben unglaublich viel Qualität und bereiten jedem Gegner Mühe.

Gegen Deutschland spielte die Schweiz im September trotz diverser Absenzen 1:1. Trauen Sie der Nati einen neuerlichen Punktgewinn oder gar einen Sieg zu?

Auf jeden Fall. Ich glaube, gegen Deutschland wird die Nati weniger Mühe haben als gegen Spanien. Die Deutschen sind momentan nicht im besten Zustand. Man hat das Gefühl, dass sie in den letzten Jahren etwas an Qualität eingebüsst haben.

Wie stehen Sie eigentlich grundsätzlich zur 2018 eingeführten Nations League?

Ganz ehrlich? Ich bin kein Fan der Nations League.

Weshalb?

Für die kleineren Nationen ist es sicherlich ganz nett, so eine Chance auf das EM-Ticket zu haben. Für die grösseren Teams sind es aber einfach noch weitere zusätzliche Spiele im Kalender. Daneben bin ich der Meinung, dass bei einer Endrunde wirklich nur die besten Teams dabei sein sollten.

Werfen wir trotzdem noch einen Blick in die Glaskugel. Wie sieht die Tabelle in der Schweizer Gruppe am Ende aus?

Spanien ist für mich der Favorit der Gruppe. Der Anspruch der Nati sollte es aber sein, vor der Ukraine zu landen. Mit ein wenig Glück kann man auch die Deutschen hinter sich lassen.

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