Bei Augsburg arbeitet Stephan Lichtsteiner fieberhaft an seiner Rückkehr ins Nationalteam. Angesichts der diffusen SFV-Eindrücke in Dublin ist ein Comeback der Leaderfigur nicht mehr auszuschliessen.
Von den gegenwärtigen atmosphärischen Störungen rund um die SFV-Auswahl bekommt er einiges aus erster Hand mit. Lichtsteiner ist auf dieser Stufe nach wie vor sehr gut vernetzt. Er kennt die Strömungen, weiss im Detail, wie diese Mannschaft funktioniert. Ihr lange erspriessliches Betriebsklima hat er zusammen mit Valon Behrami während Jahren mitverantwortet.
Und die Equipe ist für den fünffachen EM- und WM-Endrundenteilnehmer weiterhin eine Herzensangelegenheit: «Die Mannschaft hat Qualität, das steht ausser Frage. Warum sollte alles weg sein, was vorher gut war?» Der Innerschweizer hoffte vergeblich auf einen Erfolg in Dublin (1:1), «weil das Team Ruhe verdient hätte».
Lichtsteiner war bis im letzten Frühling selber einer, der bei Dissonanzen ordnend eingriff, die Struktur prägte, das manchmal komplizierte Innenleben regelte. Vladimir Petkovic verzichtete trotzdem zweimal in Folge auf den 35-Jährigen, ohne ihn aber endgültig zu verabschieden. «Ich schicke keinen in Pension», pflegt der Schweizer Selektionär zu sagen.
Die Ausladung für die letzten beiden Camps hat Lichtsteiner verdaut und akzeptiert. «Petkovic hat mich persönlich informiert. Dass ich enttäuscht war, liegt auf der Hand.» Der Verteidiger spricht von Rückschlägen, aber keinesfalls von einem Rückzug. «Für mich ändert sich nichts. Ich mache alles dafür, um wieder dabei zu sein. Ich bin topfit und bereit, auf höchstem Niveau Fussball zu spielen.»
Lichtsteiners Ziel von der EM 2020 lebt
Das letzte seiner 105 Länderspiele bestritt der Captain ausser Dienst im März beim erfolgreichen Auftakt zur EM-Ausscheidung in Georgien (2:0). Ein Comeback strebt der siebenfache Serie-A-Champion mit der ihm eigenen Vehemenz an. «Ich setze mir eigentlich nie Grenzen und verfolge grosse Ziele – eines davon ist weiterhin die EM 2020», meldet er aus Süddeutschland.
Für ein drittes EM-Turnier arbeite er «jeden Tag mit Spass, Enthusiasmus und Zielstrebigkeit», sagt Lichtsteiner zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Sein Fokus sei auf jenen Bereich gerichtet, «den ich beeinflussen kann. Meine Leistung, meine Spiele, meine Energie. Alles andere liegt nicht in meiner Hand».
In seinem persönlichen Alltag ist bis zum nächsten Sommer alles geregelt. Nach über 400 Partien in Frankreich, Italien und England verlegte Lichtsteiner seinen sportlichen Lebensmittelpunkt. Dem einjährigen Arsenal-Projekt folgt Augsburg. Eine bayrische Provinz-Stadt statt die pulsierende Metropole London, Abstiegskampf statt hohe Europacup-Ambitionen.
«Das 'Gesamt-Package' stimmt hier. Der Spassfaktor ist da, sonst hätte ich im Sommer aufgehört», hält der 35-Jährige fest. In den Reihen der Mitspieler hat er die totale Bereitschaft ausgemacht – so, wie sie Lichtsteiner noch immer vorlebt. Er spricht von einer extremen Challenge, davon, «in jeder Partie, in jedem Training das Beste abzurufen».
Mit der Fernplanung befasst sich der Routinier nicht. «Jahr für Jahr.» Das Zusammenspiel mit der Familie muss passen. «Entscheidend ist die 100-prozentige Freude.» Und die Gabe, die Körpersignale richtig zu interpretieren. «Es gibt ein Leben danach.»