Die Mission von Lucien Favre beim BVB ist zu Ende. Mit dem 1:5-Desaster gegen Stuttgart verliert der Trainer endgültig das Vertrauen der Vereinsbosse. Favre selbst ist bitter enttäuscht, er glaubte an den Turn-Around.
Zu Beginn seiner Amtszeit als Bessermacher und Perfektionist gefeiert, am Ende als Zauderer vertrieben – die Trennung von Lucien Favre sorgt bei Borussia Dortmund für ein vorweihnachtliches Beben. Keine 24 Stunden nach dem 1:5-Debakel gegen den VfB Stuttgart zieht der Revierclub die Konsequenzen und beendet die eigentlich vertraglich bis Sommer 2021 vereinbarte Zusammenarbeit mit dem 63 Jahre alten Schweizer vorzeitig.
Lucien Favre bedauert die Trennung. Am Sonntagabend sagt er gegenüber der Deutschen Presseagentur:
«Ich finde es sehr schade, dass sich unsere Wege hier trennen. Wir hatten zwei sehr erfolgreiche Jahre und haben eine Mannschaft, die auch in diesem Jahr am Ende eine erfolgreiche Saison gespielt hätte. Davon bin ich nach wie vor überzeugt. »
Die Entscheidungsträger des BVB hatten sich zuvor geschlossen darauf verständigt, Favre und dessen Assistenten Manfred Stefes mit sofortiger Wirkung freizustellen. Bis zum Saisonende soll der bisherige Co-Trainer Edin Terzic die Mannschaft betreuen.
Angesichts der anhaltenden Talfahrt mit zuletzt drei Heimniederlagen in Serie sah sich die Vereinsspitze zu diesem Schritt gezwungen. Der desolate Auftritt gegen den VfB kostete Favre den letzten Rest Vertrauen. Die Sorge um das Verpassen der gerade in Corona-Zeiten eminent wichtigen Champions-League-Qualifikation wurde zu gross. «Es fällt uns schwer, diesen Schritt zu gehen. Gleichwohl sind wir der Meinung, dass das Erreichen unserer Saisonziele aufgrund der zuletzt negativen Entwicklung in der gegenwärtigen Konstellation stark gefährdet ist und wir deshalb handeln müssen», sagt BVB-Sportdirektor Michael Zorc. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke lobte Favre derweil als «Fachmann und als Menschen.»
Vor allem der erfolgreiche Umgang von Favre mit jungen Spielern wird beim BVB in guter Erinnerung bleiben. So verhalf er Jungstars wie Jadon Sancho und Giovanni Reyna zum Durchbruch. Zudem führte er den Club dreimal in Serie in das Achtelfinale der Champions League.
Dortmund und sein Trainer-Verschleiss
Mit der Interimslösung Terzic gewinnt der BVB bei der nun anstehenden Trainersuche Zeit. Einfach wird das nicht: Nach der langen Erfolgsära von Jürgen Klopp (2008 bis 2015) wurden in Thomas Tuchel, Peter Bosz, Peter Stöger und Favre bereits vier Trainer verschlissen.
Dabei hatte die Zusammenarbeit mit Favre verheissungsvoll begonnen. In der Hinrunde 2018/19 führte er den BVB zur souveränen Herbstmeisterschaft und bestätigte seinen Ruf als akribischer Arbeiter. Aber mit der weniger starken Rückrunde, in der die Borussia einen zwischenzeitlichen Neun-Punkte-Vorsprung auf den FC Bayern noch verspielte und sich am Ende mit Rang zwei begnügen musste, kamen in Dortmund erstmals Zweifel am ehemaligen Trainer von Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach auf.
Seither gab es wiederholt Schlagzeilen über ein fehlendes Titel-Gen des Trainers und seine fehlende Motivationsfähigkeit. Dass der Coach zudem wiederholt mit den ambitionierten Zielen der Vereinsführung fremdelte, passte ins Bild eines Zauderers.