Spieleragent Mino Raiola schwärmt nach dem Wechsel von Matthijs de Ligt zu Juventus über die Qualitäten seines Schützlings. Und wird in Turin trotz seines schillernden Charakters gefeiert wie ein Popstar.
Kugelbauch, Sonnenbrille, Handy stets am Ohr: Aus einer Pizzeria ist Mino Raiola zu einem der gefürchtetsten Spielerberater der Welt aufgestiegen. Am Mittwoch transferierte er das 19-jährige Supertalent Matthijs de Ligt von Ajax Amsterdam zu Juventus. Dabei verteilte der 51-Jährige selbst Autogramme und wurde mit Sprechchören von den Bianconeri-Fans gefeiert. Doch was für einen Werdegang hat der schillerndste Akteur in der Branche überhaupt?
Raiola wurde in Nocera Inferiore geboren, einer schmucklosen Stadt südlich von Neapel. In der Grossfamilie hätten 45 Leute in drei Häusern nebeneinander gelebt, erzählte er. Als er ein Jahr alt war, zog seine Familie nach Haarlem in den Niederlanden, wo sie eine Pizzeria eröffnete. Raiola trainierte sein Verhandlungsgeschick schon in jungen Jahren: Er handelte die Verträge mit den Lieferanten aus. Das Jurastudium schmiss er nach kurzer Zeit hin. «Ich finde es besser, viel Geld zu verdienen und sich einen Anwalt zu kaufen», sagte er.
Die Diplomatie ist nicht sein Metier. Stattdessen versteht er die Kunst einen Hype zu schaffen perfekt. Und darum geht es im Fussballgeschäft schliesslich häufig. Über die erste Annäherung mit seinem wohl bekanntesten Schützling, den schwedischen Star Ibrahimovic, sagte er einmal: «Ich glaube, das Erste, was ich ihm sagte, war, er solle sich ins Knie f***en.» Schriftliche Verträge macht er mit seinen Spielern nicht. «Wenn ein Zahnarzt mich bitten würde, vorher einen Zwei-Jahres-Vertrag zu unterschreiben, würde ich das auch nicht machen. Wenn er denkt, er findet einen besseren, dann sollte er gehen.» Doch seine Spieler bleiben offenbar auch so bei ihm.
Berühmt-berüchtigt bei Klubs für seine Verhandlungen
Wer ihm dagegen in die Quere kommt, wird beschimpft. Über den Trainer Jürgen Klopp sagte er wegen dessen Umgang mit seinem Schützling Balotelli bei Liverpool zum Beispiel: «Zu sagen, dass er sich nicht korrekt verhalten hat, ist eine Untertreibung. Er war ein Scheisskerl.» Exakt das gleiche Schimpfwort benutzte Manchester-United-Legende Alex Ferguson selbst für ihn – der Schotte war nicht mit dem Geschäftsgebahren von Raiola einverstanden.
Zu seinen Klienten zählt übrigens auch der Schweizer Pajtim Kasami, der sich ihm einst selbst in jungen Jahren anerbot. Vielleicht fühlte sich Weltenbummler Kasami wegen Raiolas Sprachkentnissen ( er spricht Italienisch, Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Holländisch) mit ihm verbunden.
Im prominenten Kundenkreis mit Spielern wie Paul Pogba bis Mario Balotelli und Marco Verratti geniesst aber ein kleinerer Fisch wie Kasami nicht unbedingt Priorität. Als Kasami von ihm zu einem Transfer nach Nottingham drängt, ist sein Spielervermittler bei der Vertragsunterschrift in England gar nicht dabei.
Wenn sich die Klubs gegen einen Abgang ihrer Spieler wehren, fährt der mächtige Berater grobes Geschütz auf. Oft empfiehlt er seinen Schützlingen dann einfach zu streiken. Meistens funktioniert diese Taktik. Manchmal sträuben sich die Spieler – Romelu Lukaku wollte beispielsweise ManUtd nicht erpressen und verliess Raiola. Auch Kasami wollte Sions Christian Constantin trotz eines Angebots aus Basel letztes Jahr nicht verärgern.
Wie seine Schlammschlacht mit Mino Raiola aussieht, hat auch die AC Milan erlebt. Monatelang tobte ein Streit um den 18-jährigen Goalie Gianluigi Donnarumma, den Raiola immer wieder anfeuerte. Zwar holte Raiola schlussendlich eine saftige Gehaltserhöhung für seinen Schützling heraus, doch der Ruf vom grossen Torwart-Talent und einstigem Publikumsliebling litt unter den öffentlich ausgetragenen Querelen dramatisch.
Bonus wie ein Fussballstar
Bei den Transfers seiner Fussballer verdient er stets ordentlich mit, so dass er laut Forbes-Magazin zu den reichsten Spielervermittlern gehört. «Natürlich, ich bin kein Romantiker. Je mehr sie verdienen, desto mehr nehme auch ich mit nach Hause», sagte er.
Beim Rekordtransfer des Franzosen Pogba für 105 Millionen Euro zu Manchester United soll er 2016 bis zu 50 Millionen verdient haben. Allein Juventus gab an, 27 Millionen an Raiola gezahlt zu haben. «Ich sage nur, es ist nicht die richtige Zahl: Vielleicht ist es weniger, aber vielleicht ist es mehr», so Raiola.
Immer wieder gab es auch Ermittlungen gegen den Super-Agenten. Zuletzt sperrte die FIFA ihn (und seinen Bruder Vincenzo) im Mai für drei Monate. Zuvor sanktionierte ihn bereits der italienische Verband. Doch die Suspendierungen wurden aufgehoben. Irgendwie schafft es Raiola halt immer, auf der Gewinnerseite zu stehen.